9876 > -
Biirgerwehr
„Daß ich's nicht vergesse, Herr Schulze, morgen Nachmittag 3 Uhr ist
Scharfschießen. Zahlreiches Erscheinen ift sehr erwünscht."
★
Ein neues Jahr, ein neuer Schritt
Dem Alter und dem Grabe näher.
Gevatter Tod, der alte Mäher,
Geht sorgsam dir zur Seite mit.
Drnni dreist in der Silvesternacht
Ein Hoch dem treusten Freund gebracht!
crs fiobelfpäne r®
Was wünscht ihr Glück denn jedermann»'?
Ans Schicksal kommt ihr nicht heran,
Denn zwischen Punsch und Gläserklingen
Wird keine neue Welt gelingen.
Es geht die Zeit im gleichen Schritt,
Wir tappen unverdrossen mit.
Ein neues Jahr kommt in Betracht. . .
Den Abschnitt hat der Mensch gemacht.
Zieht einmal in der Zeiten Tanz
Vom alten Jahre die Bilanz;
Dreihundertfünfundsech.ig Tage
Voll Arbeit, Sorge, Müh und Plage —
Drum preise dich als Kind der Sonne:
Für einen Tag voll Glück und Wonne!
★
Die neue Sparprämienanleihe sollte mit Butterauleihe bezeichnet
werden. Zunächst ist Butter ein begehrenswerter Artikel, zudem wäre
für Leute, die genügend „hineinzubuttern" hätten, hier der geeignetste
Platz. *
Recht so, recht so! Die Macht ist frei!
Ein Bruderkuß dem schönsten Munde.
Die Menschen gleich und frei! Juchhei! —
Ach leider nur für eine Stunde.
Das Toben lieb' ich nicht der Welt,
Die 's Jahr mit Punsch und Rheinwein taufen.
Ein Philosoph, der auf sich hält,
Kann sich im Stillen auch besaufen.
*
Ick »rechte den Tisch haben, auf den im Untersuchungsausschuß
Ludeudorfs mit de Faust jehauen, und den Stuhl, ans den Bethmanu
jesessen hat. Ick will mir davon'ne warme Stube machen, — LetFeier
wird de Wahrheet woll herausbrcnnen.
Dein getreuer Säge, Schreiner.
„Aktuelle Taschenspielerkünste"
Unter diesem Titel ist im Verlag von Schwin-
delmeier & Sohn ein handliches Büchlein er-
schiene», das Anleitungen zu ebenso über-
raschenden wie zeitgemäßen Kunststücken aus
denr Gebiet der natürlichen Magie enthält.
Wie sehr das kleine Werk nicht nur Stoff zur
Unterhaltung in geselligen Kreisen bietet, son-
der» für strebsame und vorurteilslose Zeitge-
nossen auch von einem nicht zu unterschätzen-
den praktischen Nutzen ist, mögen die folgen-
de» kurzen Hiu-weise dnrlun.
„Die verwandelte Schokolade." Ter
Künstler zeigt dem Publikum eine in der
Schweiz für 0.33 Mark gekaufte Tafel Scho-
kolade, deren Preis er daun durch verschie-
dene rasche, leicht zu erlernende und von den
Zuschauern nicht zu kontrollierende Manipu-
lationen innerhalb einer Viertelstunde auf
35 Mark anschwelleu läßt, ohne daß mit der
Schokolade selbst die geringste wahrnehmbare
Veränderung vor sich gegangen ist.
„Post-Spuk." Gewöhnliche und eingeschrie-
bene Briefe, Postkarten mit und ohne Antwort,
Pakete jeden Umfanges, Drucksachen, Tele-
gramme, Eil- und Wertsendungen verschwin-
de» vor den Augen des Publikums, ohne daß
irgend jemand sagen könnte, wo sie geblieben
sind. Eines der beliebtesten und erfolgreichsten
Kunststücke, das, trotzdem es schon unzählige
Male vorgeführt wurde, noch immer des Bei-
falls aller Beteiligten sicher ist.
„D e r kl u g e H a u s v a t e r." Auf Grund eines
tatsächlichen Jahreseinkommens von 60000
Mark füllt der Künstler zehn verschiedene
Steuererklärungssormulare so aus, daß er
auch nicht einen einzigen Pfennig Einkommen-
steuer zu zahlen braucht. (NB. Der Schlüssel
für dieses Verfahren kann an Interessenten nur
gegen eine von Fall zu Fall zu vereinbarende
Extraeulschädigung abgegeben werden.)
„Die Auslandware."' Zwei Pfund feuch-
ter Lehm und ebensoviel gelöschter Kalk wer-
den in ein alles Petroleum!aß getan, auf
dessen Boden sich eine vor vier Wochen ver-
storbene Katze befindet. Nachdem der Künstler
vier bis fünf faule Eier hinzngeschlagen hat,
rührt er das Ganze um, fährt, einen geheimnis-
vollcn Spruch murmelnd, mit seinem Zauber-
stabe darüber hin und bietet den Zuschauern
Kostproben au. Jeder der Anwesenden wird
zu seiner Überraschung gestehen.müssen, daß
sich die Mischung weder im Geschmack noch
im Geruch von garantiert echter holländischer
Butler unterscheidet. Toetas
Gees
Lieber Jacob!
Prost Neijahr un allens Jute zu det kom-
mende sechste Kriegsjahr, wat eejentlich schon
det zweete nach Abschluß des Waffenstillstands
is, bloß man merkt »och nischt von! Meejen
Dir de bevorstehenden zwelf Monate Heil »n
Sejen bringen un Du Dir an dem Jenuß von
jefrorene Kartoffeln »ich dem Magen verder-
ben, indem det et heite keenen Jilka »ich mehr
jibt, mit dem Du Dir uff eene erschwingliche
Weise kurieren kenntest. Nachdem Du Dir selber
vermitlelst die dauerhafte jroßeZeit an'lDurch-
halten jewehnt hast, winsche ick Dir ferner, det
ooch Deine Stiebein noch diesen Winter, Frieh-
jahr, Sommer und Herbst durchhalteu meejen,
denn Aussicht uff Neiauschaffung is in diesen
Jennßarlikcl von wejen den andauernden Va-
lulazustand nich zu hoffen. Dajejen wirst Du
Dir im Laufe des neien Jahres woll eene je-
bratene Jaus mit Appelfillung leisten kennen
— vorausjesetzt, det De eene Sparprännjen-
anleihe jezeichnct hast un bestimmt det jroße
Los jewiunen tust. Andernfalls treeste Dir mit
'ne imitierte Friedensschrippe, wie mau se jetz,
det Stick for vier Jroschen, in reelle Bäckcr-
jeschäfte von untern Tisch zu koofen kriegt. I»
Anbetracht der Kohleukuappheet aber kann ick
keenen anderen Wunsch nich aussprechen als:
meeje Dir der liebe Jott Ludendorff'n seine
Unverfrorenheet bescheren!
Aber der edle Mensch muß »ich bloß immer
an sich denken, sondern ooch det Alljemeen-
wohl in't Ooge behalten. Un dadrum sollen
meine Neijahrswinsche ooch unsere Rejierung
zujute kommen. Meeje se in ihren stirmischen
Tatendurst nich erlahmen u» ooch in't neechste
Jahr ihren Wahlspruch trei bleiben: „Immer
langsam voran, det de Lejion aus det Baltikum
Nachkommen kann!" Noske'n winsche ick ville
herzliche Freide an Spartakus, Haenisch'n an
de nazjonalen Professoren un sonstije Tuber-
kulosemittel, un Ebert'n an seine Bildnisse i»
bekleideten un unbekleideten Zustand, damit
det sich det ästhetische Jefiehl des deitschen
Volkes ooch fernerhin in jesunde republikaneschc
Bahnen weiterentwickeln kann. Det ick ooch de
entschwundenen Machthaber von det verkrachte
Rejime nich jänzlich verjesse, dafor sorgt schon
der Umstand, det se uns allen noch immer
schwer im Magen liejen. Meeje det neie Jahr
Tirpitz'n seine dicke Pelle jedeiheu lassen,
Ziinmermann'n et nie an jute Ausreden un
Helfferich'n an Spucke un Puste nich mangeln
lassen! Wilhelm'» aber winsche ick, det ihm
der nazjonalistesche Rat der Deserteere zum
Ehrenobmann ernennen, er selber aber uns
noch recht lange bei jute Jesundheet erhalten
bleiben meechte — in Amerongen!
Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,
an 'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
SiedaktloriSschluß 12. Dezember 1212
Biirgerwehr
„Daß ich's nicht vergesse, Herr Schulze, morgen Nachmittag 3 Uhr ist
Scharfschießen. Zahlreiches Erscheinen ift sehr erwünscht."
★
Ein neues Jahr, ein neuer Schritt
Dem Alter und dem Grabe näher.
Gevatter Tod, der alte Mäher,
Geht sorgsam dir zur Seite mit.
Drnni dreist in der Silvesternacht
Ein Hoch dem treusten Freund gebracht!
crs fiobelfpäne r®
Was wünscht ihr Glück denn jedermann»'?
Ans Schicksal kommt ihr nicht heran,
Denn zwischen Punsch und Gläserklingen
Wird keine neue Welt gelingen.
Es geht die Zeit im gleichen Schritt,
Wir tappen unverdrossen mit.
Ein neues Jahr kommt in Betracht. . .
Den Abschnitt hat der Mensch gemacht.
Zieht einmal in der Zeiten Tanz
Vom alten Jahre die Bilanz;
Dreihundertfünfundsech.ig Tage
Voll Arbeit, Sorge, Müh und Plage —
Drum preise dich als Kind der Sonne:
Für einen Tag voll Glück und Wonne!
★
Die neue Sparprämienanleihe sollte mit Butterauleihe bezeichnet
werden. Zunächst ist Butter ein begehrenswerter Artikel, zudem wäre
für Leute, die genügend „hineinzubuttern" hätten, hier der geeignetste
Platz. *
Recht so, recht so! Die Macht ist frei!
Ein Bruderkuß dem schönsten Munde.
Die Menschen gleich und frei! Juchhei! —
Ach leider nur für eine Stunde.
Das Toben lieb' ich nicht der Welt,
Die 's Jahr mit Punsch und Rheinwein taufen.
Ein Philosoph, der auf sich hält,
Kann sich im Stillen auch besaufen.
*
Ick »rechte den Tisch haben, auf den im Untersuchungsausschuß
Ludeudorfs mit de Faust jehauen, und den Stuhl, ans den Bethmanu
jesessen hat. Ick will mir davon'ne warme Stube machen, — LetFeier
wird de Wahrheet woll herausbrcnnen.
Dein getreuer Säge, Schreiner.
„Aktuelle Taschenspielerkünste"
Unter diesem Titel ist im Verlag von Schwin-
delmeier & Sohn ein handliches Büchlein er-
schiene», das Anleitungen zu ebenso über-
raschenden wie zeitgemäßen Kunststücken aus
denr Gebiet der natürlichen Magie enthält.
Wie sehr das kleine Werk nicht nur Stoff zur
Unterhaltung in geselligen Kreisen bietet, son-
der» für strebsame und vorurteilslose Zeitge-
nossen auch von einem nicht zu unterschätzen-
den praktischen Nutzen ist, mögen die folgen-
de» kurzen Hiu-weise dnrlun.
„Die verwandelte Schokolade." Ter
Künstler zeigt dem Publikum eine in der
Schweiz für 0.33 Mark gekaufte Tafel Scho-
kolade, deren Preis er daun durch verschie-
dene rasche, leicht zu erlernende und von den
Zuschauern nicht zu kontrollierende Manipu-
lationen innerhalb einer Viertelstunde auf
35 Mark anschwelleu läßt, ohne daß mit der
Schokolade selbst die geringste wahrnehmbare
Veränderung vor sich gegangen ist.
„Post-Spuk." Gewöhnliche und eingeschrie-
bene Briefe, Postkarten mit und ohne Antwort,
Pakete jeden Umfanges, Drucksachen, Tele-
gramme, Eil- und Wertsendungen verschwin-
de» vor den Augen des Publikums, ohne daß
irgend jemand sagen könnte, wo sie geblieben
sind. Eines der beliebtesten und erfolgreichsten
Kunststücke, das, trotzdem es schon unzählige
Male vorgeführt wurde, noch immer des Bei-
falls aller Beteiligten sicher ist.
„D e r kl u g e H a u s v a t e r." Auf Grund eines
tatsächlichen Jahreseinkommens von 60000
Mark füllt der Künstler zehn verschiedene
Steuererklärungssormulare so aus, daß er
auch nicht einen einzigen Pfennig Einkommen-
steuer zu zahlen braucht. (NB. Der Schlüssel
für dieses Verfahren kann an Interessenten nur
gegen eine von Fall zu Fall zu vereinbarende
Extraeulschädigung abgegeben werden.)
„Die Auslandware."' Zwei Pfund feuch-
ter Lehm und ebensoviel gelöschter Kalk wer-
den in ein alles Petroleum!aß getan, auf
dessen Boden sich eine vor vier Wochen ver-
storbene Katze befindet. Nachdem der Künstler
vier bis fünf faule Eier hinzngeschlagen hat,
rührt er das Ganze um, fährt, einen geheimnis-
vollcn Spruch murmelnd, mit seinem Zauber-
stabe darüber hin und bietet den Zuschauern
Kostproben au. Jeder der Anwesenden wird
zu seiner Überraschung gestehen.müssen, daß
sich die Mischung weder im Geschmack noch
im Geruch von garantiert echter holländischer
Butler unterscheidet. Toetas
Gees
Lieber Jacob!
Prost Neijahr un allens Jute zu det kom-
mende sechste Kriegsjahr, wat eejentlich schon
det zweete nach Abschluß des Waffenstillstands
is, bloß man merkt »och nischt von! Meejen
Dir de bevorstehenden zwelf Monate Heil »n
Sejen bringen un Du Dir an dem Jenuß von
jefrorene Kartoffeln »ich dem Magen verder-
ben, indem det et heite keenen Jilka »ich mehr
jibt, mit dem Du Dir uff eene erschwingliche
Weise kurieren kenntest. Nachdem Du Dir selber
vermitlelst die dauerhafte jroßeZeit an'lDurch-
halten jewehnt hast, winsche ick Dir ferner, det
ooch Deine Stiebein noch diesen Winter, Frieh-
jahr, Sommer und Herbst durchhalteu meejen,
denn Aussicht uff Neiauschaffung is in diesen
Jennßarlikcl von wejen den andauernden Va-
lulazustand nich zu hoffen. Dajejen wirst Du
Dir im Laufe des neien Jahres woll eene je-
bratene Jaus mit Appelfillung leisten kennen
— vorausjesetzt, det De eene Sparprännjen-
anleihe jezeichnct hast un bestimmt det jroße
Los jewiunen tust. Andernfalls treeste Dir mit
'ne imitierte Friedensschrippe, wie mau se jetz,
det Stick for vier Jroschen, in reelle Bäckcr-
jeschäfte von untern Tisch zu koofen kriegt. I»
Anbetracht der Kohleukuappheet aber kann ick
keenen anderen Wunsch nich aussprechen als:
meeje Dir der liebe Jott Ludendorff'n seine
Unverfrorenheet bescheren!
Aber der edle Mensch muß »ich bloß immer
an sich denken, sondern ooch det Alljemeen-
wohl in't Ooge behalten. Un dadrum sollen
meine Neijahrswinsche ooch unsere Rejierung
zujute kommen. Meeje se in ihren stirmischen
Tatendurst nich erlahmen u» ooch in't neechste
Jahr ihren Wahlspruch trei bleiben: „Immer
langsam voran, det de Lejion aus det Baltikum
Nachkommen kann!" Noske'n winsche ick ville
herzliche Freide an Spartakus, Haenisch'n an
de nazjonalen Professoren un sonstije Tuber-
kulosemittel, un Ebert'n an seine Bildnisse i»
bekleideten un unbekleideten Zustand, damit
det sich det ästhetische Jefiehl des deitschen
Volkes ooch fernerhin in jesunde republikaneschc
Bahnen weiterentwickeln kann. Det ick ooch de
entschwundenen Machthaber von det verkrachte
Rejime nich jänzlich verjesse, dafor sorgt schon
der Umstand, det se uns allen noch immer
schwer im Magen liejen. Meeje det neie Jahr
Tirpitz'n seine dicke Pelle jedeiheu lassen,
Ziinmermann'n et nie an jute Ausreden un
Helfferich'n an Spucke un Puste nich mangeln
lassen! Wilhelm'» aber winsche ick, det ihm
der nazjonalistesche Rat der Deserteere zum
Ehrenobmann ernennen, er selber aber uns
noch recht lange bei jute Jesundheet erhalten
bleiben meechte — in Amerongen!
Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,
an 'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
SiedaktloriSschluß 12. Dezember 1212