9899
Die Reaktion in Llngarn
Magyarische Vorbereitungen zur Errichtung eines ungarischen
Königsthrones.
s. ftoöelfpänc r®
Fern im Süd das schöne Ungarn
Ist des weißen Terrors Beute.
Auf die Opfer stürzt sich geifernd
Blutestrunkne Ordnungsmeute.
Jeden Ordnungsfeind erschlägt man,
Täglich wüt'ger und brutaler —
Und zur gleichen Stunde prägt man
„Christliche" Maria-Taler.
Denen wird er imponieren,
Die von Bildung und Besitze,
Dieser freche, allerneuste,
Blutigste der — Mikosch-Mitze.
•k
Ein Eisenbahnerstreik ist eine Verkalkung der Verkehrsadern —
also etwas Lebensgefährliches. Als bestes Gegenmittel sehen die Eisen-
bahner eine fünfzigprozentige Lohnerhöhung an.
★
Herr Kessel „schob" Gerechtigkeit.
Er tat's mit altpreußischem Schneid.
Altpreußisch ist auch der Gewinn:
Justitia sitzt selbst im — Wurstkessel drin.
*
Vollendet ist die Bagdad-Bahn —
Natürlich ganz nach Englands Plan.
Vorbei ist ein Traum von alldeutscher Pracht,
Ein Traum aus 1001 Nacht.
*
„Müssen wir auch Pferde an die Entente abliefern?" fragte mir
mein Stammtischfreund Aujust. „Natürlich," sagte ick, „aber leider
nich unser zähestes: den 'Amtsschimmel."
Dein getreuer Säge, Schreiner.
Exwilhelm will nicht
Rach Berlin — sagt er
'Geh ich nimmer, — sagt er
Denn da sind sie — sagt er
Zu rabiat.
Tief verächtlich — sagt er
Ist die Stadt mir, — sagt er
Wo ich einstens — sagt er
Potentat.
Außerdem — sagt er
Schüf der Anblick — sagt er
Jener Frevel — sagt er
Zuviel Trauer. ,
Dazu kommt noch — sagt er
Etwas Wicht'ges, — sagt er
Daß die Trauben — sagt er
Dort zu sauer! E
Steuerleiden — Steuerfreuden
O steuervolles Schaltenjahr,
Ich muß die Welt bedauern.
Von vorn und hinten, rechts und links
Die Steuerschrauben lauern-•
Ich mache so den Überschlag.
(Warum soll ich's nicht machen?)
Auf Kreditseite der Verdienst,
Auf Debet andre Sachen.
Und mach' ich dann die Addition,
(Der Teufel soll sie holen!)
Das Resultat: Rull, Komma nichts,
Lält bestens sich empfohlen.
Wie freut sich so ein Dichtersmann
Der Last auf Soll und Laben,
Auf Umsatz, Luxus, Kino, Sport
Und Sonderreichsabgaben.
Viel tausend Paragraphen stehn
Den Reichen zum Verderben.
Zch klappe die Gesetze zu:
Bei mir ist nichts zu erbe»!
Das Gold, das auS der Kehle dringt
(Ganz mit Respekt zu sage»).
Beleiht die Reichsbank leider nicht
In unfern krit'schen Tagen.
Drum wer nichts hat, kommt sicherlich
Nie in Verlegenheiten:
Nichts holt kcinPfaff, Geld frißtderStaat,
So war's zu allen Zeiten. P. R.
Lieber Jacob!
Wer sich mal an't Siejen jewehnt hat, der
kann sich nich leicht enlschließen, diese Be-
schäftijung wieder aufzujeben. Det sieht man
jetz an eenen Teil der in wohlverdienten Ruhe-
stand versetzten deitschen Jeneräle. Se haben
keeneJelejenheet nich mehr, ausländ'scheFeinde
uff de Knie zu zwinge», un dadrum bemiehen
se sich, diese Prozedur mit inländ'sche vorzu-
nehmen. So hat der Kriegsheld a.D.Kluck eene
Unterredung mit eenen franzeeschen Schorna-
listeu jehabt, wo er dem Erbfeind dem liebens-
wirdijen Vorschlag machte, Deitschland soll
mit Frankreich un England 'n Bindnis schließen
zur Bekämpfung des Umsturzes. Ick zweifle
keenen Oogenblick dran, det de Entente uff
Kluck'n seine hoffnungssreidije Offerte anbei-
ßen wird, denn se is sich beivußt, wat se de
Weisheet der deitschen Jeneräle zu verdanken
hat, un is janz verrickt druff, >nit diese erfolg-
reiche Berufsklasse ooch weiterhin zusammen-
zuarbeeten. Deswejen schließe ick mir de all-
jemenen Hoffnung an, det et Kluck'n jelingen
mechte, mit dem Niederwurf der innerlichen
Feinde deselben Lorbeeren zw ernten, wie se
ihn un seine Kollejen mit de ausländ'schen
Feinde beschert worden sind. Aber bloß unter
die Bedingung, det de Entente de Kosten ieber-
nimmt! Denn Deitschland hat for de Bezah-
lung seiner vierjährijen Ruhmeskränze schon
so ville blechen missen, det ihm for weitere
derartije Luxusausjaben de Pinke mangelt.
Im iebrijen aber hoffe ick, det Kluck'n sei»
Berbriederüngsvorschlag dazu sichren wird, det
stolze Franzosenherz 'n bisken sanftmietijer jejen
uns zu stimmen. In diese Hinsicht sieht es noch
immer sehr klatrig aus. Wie ick in de Zeitung
lese, hat de franzeesche Akademie der Wissen-
schaften jetz sojar erklärt, det se mit deitsche
Jelehrte keene Beziehungen nich mehr anzu-
knipsen jedenkt. Frankreich will also de deitsche
Wissenschaft bis uff weiteres schneiden. Da is
nischt jejen zu machen, un ick firchte sojar, det
de Franzosen in ihren nazjonalen Stolz so
weit jehen werden, det se ooch von de prak-
tischen Errungenschaften der deitschen Wissen-
schaft bis uff weiteres keenen Gebrauch nich
machen. Sintemalen det Schießpulver eene
deitsche Erfindung is, während de Franzosen
det Pulver bekanntlich nich erfunden haben, so
erjibt sich de zwingende Schlußfoljerung aus
diesen Tatbestand von alleene. Aber ooch de
Buchdruckerkunst stammt leider aus Deitsch-
land, un da wäre et denn doch een zu be-
klagenswertes Maleer, wenn de Franzosen in
Zukunft ooch von diese feindliche Erfindung
keenen Jebrauch nich machen un de untreest-
liche Menschheet um det Jaudium bringen wil-
den, de patrioteschen Jeistesblitze ihrer Aka-
demie der Wissenschaften schwarz uff weiß je-
druckt zu jenießen!
Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,
an 'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
vipdaktimisschlnsi ill fjamior 1920
Die Reaktion in Llngarn
Magyarische Vorbereitungen zur Errichtung eines ungarischen
Königsthrones.
s. ftoöelfpänc r®
Fern im Süd das schöne Ungarn
Ist des weißen Terrors Beute.
Auf die Opfer stürzt sich geifernd
Blutestrunkne Ordnungsmeute.
Jeden Ordnungsfeind erschlägt man,
Täglich wüt'ger und brutaler —
Und zur gleichen Stunde prägt man
„Christliche" Maria-Taler.
Denen wird er imponieren,
Die von Bildung und Besitze,
Dieser freche, allerneuste,
Blutigste der — Mikosch-Mitze.
•k
Ein Eisenbahnerstreik ist eine Verkalkung der Verkehrsadern —
also etwas Lebensgefährliches. Als bestes Gegenmittel sehen die Eisen-
bahner eine fünfzigprozentige Lohnerhöhung an.
★
Herr Kessel „schob" Gerechtigkeit.
Er tat's mit altpreußischem Schneid.
Altpreußisch ist auch der Gewinn:
Justitia sitzt selbst im — Wurstkessel drin.
*
Vollendet ist die Bagdad-Bahn —
Natürlich ganz nach Englands Plan.
Vorbei ist ein Traum von alldeutscher Pracht,
Ein Traum aus 1001 Nacht.
*
„Müssen wir auch Pferde an die Entente abliefern?" fragte mir
mein Stammtischfreund Aujust. „Natürlich," sagte ick, „aber leider
nich unser zähestes: den 'Amtsschimmel."
Dein getreuer Säge, Schreiner.
Exwilhelm will nicht
Rach Berlin — sagt er
'Geh ich nimmer, — sagt er
Denn da sind sie — sagt er
Zu rabiat.
Tief verächtlich — sagt er
Ist die Stadt mir, — sagt er
Wo ich einstens — sagt er
Potentat.
Außerdem — sagt er
Schüf der Anblick — sagt er
Jener Frevel — sagt er
Zuviel Trauer. ,
Dazu kommt noch — sagt er
Etwas Wicht'ges, — sagt er
Daß die Trauben — sagt er
Dort zu sauer! E
Steuerleiden — Steuerfreuden
O steuervolles Schaltenjahr,
Ich muß die Welt bedauern.
Von vorn und hinten, rechts und links
Die Steuerschrauben lauern-•
Ich mache so den Überschlag.
(Warum soll ich's nicht machen?)
Auf Kreditseite der Verdienst,
Auf Debet andre Sachen.
Und mach' ich dann die Addition,
(Der Teufel soll sie holen!)
Das Resultat: Rull, Komma nichts,
Lält bestens sich empfohlen.
Wie freut sich so ein Dichtersmann
Der Last auf Soll und Laben,
Auf Umsatz, Luxus, Kino, Sport
Und Sonderreichsabgaben.
Viel tausend Paragraphen stehn
Den Reichen zum Verderben.
Zch klappe die Gesetze zu:
Bei mir ist nichts zu erbe»!
Das Gold, das auS der Kehle dringt
(Ganz mit Respekt zu sage»).
Beleiht die Reichsbank leider nicht
In unfern krit'schen Tagen.
Drum wer nichts hat, kommt sicherlich
Nie in Verlegenheiten:
Nichts holt kcinPfaff, Geld frißtderStaat,
So war's zu allen Zeiten. P. R.
Lieber Jacob!
Wer sich mal an't Siejen jewehnt hat, der
kann sich nich leicht enlschließen, diese Be-
schäftijung wieder aufzujeben. Det sieht man
jetz an eenen Teil der in wohlverdienten Ruhe-
stand versetzten deitschen Jeneräle. Se haben
keeneJelejenheet nich mehr, ausländ'scheFeinde
uff de Knie zu zwinge», un dadrum bemiehen
se sich, diese Prozedur mit inländ'sche vorzu-
nehmen. So hat der Kriegsheld a.D.Kluck eene
Unterredung mit eenen franzeeschen Schorna-
listeu jehabt, wo er dem Erbfeind dem liebens-
wirdijen Vorschlag machte, Deitschland soll
mit Frankreich un England 'n Bindnis schließen
zur Bekämpfung des Umsturzes. Ick zweifle
keenen Oogenblick dran, det de Entente uff
Kluck'n seine hoffnungssreidije Offerte anbei-
ßen wird, denn se is sich beivußt, wat se de
Weisheet der deitschen Jeneräle zu verdanken
hat, un is janz verrickt druff, >nit diese erfolg-
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zuarbeeten. Deswejen schließe ick mir de all-
jemenen Hoffnung an, det et Kluck'n jelingen
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Feinde deselben Lorbeeren zw ernten, wie se
ihn un seine Kollejen mit de ausländ'schen
Feinde beschert worden sind. Aber bloß unter
die Bedingung, det de Entente de Kosten ieber-
nimmt! Denn Deitschland hat for de Bezah-
lung seiner vierjährijen Ruhmeskränze schon
so ville blechen missen, det ihm for weitere
derartije Luxusausjaben de Pinke mangelt.
Im iebrijen aber hoffe ick, det Kluck'n sei»
Berbriederüngsvorschlag dazu sichren wird, det
stolze Franzosenherz 'n bisken sanftmietijer jejen
uns zu stimmen. In diese Hinsicht sieht es noch
immer sehr klatrig aus. Wie ick in de Zeitung
lese, hat de franzeesche Akademie der Wissen-
schaften jetz sojar erklärt, det se mit deitsche
Jelehrte keene Beziehungen nich mehr anzu-
knipsen jedenkt. Frankreich will also de deitsche
Wissenschaft bis uff weiteres schneiden. Da is
nischt jejen zu machen, un ick firchte sojar, det
de Franzosen in ihren nazjonalen Stolz so
weit jehen werden, det se ooch von de prak-
tischen Errungenschaften der deitschen Wissen-
schaft bis uff weiteres keenen Gebrauch nich
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deitsche Erfindung is, während de Franzosen
det Pulver bekanntlich nich erfunden haben, so
erjibt sich de zwingende Schlußfoljerung aus
diesen Tatbestand von alleene. Aber ooch de
Buchdruckerkunst stammt leider aus Deitsch-
land, un da wäre et denn doch een zu be-
klagenswertes Maleer, wenn de Franzosen in
Zukunft ooch von diese feindliche Erfindung
keenen Jebrauch nich machen un de untreest-
liche Menschheet um det Jaudium bringen wil-
den, de patrioteschen Jeistesblitze ihrer Aka-
demie der Wissenschaften schwarz uff weiß je-
druckt zu jenießen!
Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,
an 'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
vipdaktimisschlnsi ill fjamior 1920