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9928

„Na, du wartest woll hier uff de Weltrevolution?"

„Ne, so dumm bin ick nich, — ick warte uff det Fallen von de Reichswährung. Wenn se jar nischt mehr wert is, bin ick
jrade so reich wie 'n Milljonähr un quartiere mir statt bei Mutter Jrien in'n Kaiserhof in."

Der einzige Soldat, der es bei Geisinar
dauernd aushielt und der auch eine Aus-
nahmebehandlung genoß, war der Ersatzreser-
vist Hühnerwadel. Der hatte sich beim Ober
zu einer Art Laufburschen ausgebildet und
wurde mit allerhand auszeichnenden, ange-
nehmen und vertraulichen Aufträgen beschäf-
tigt. Hauptsächlich durfte er für den Herrn
Ober hamstern fahren. Durch seine dienstlichen
Inspektionen bei den industriellen Betrieben
des Korpsbereichs kam der Oberleutnant mit
ergiebigen Hamsterquellen in Berührung.

Hühnerwadel hatte das Glück, niit der Bci-
schaffung der Hamsterwaren betraut zu wer-
den, von denen bisweilen auch für ihn ein
Teil abfiel. Oft fuhr er einen ganzen Tag
nach auswärts, trotz Urlaubsperre und Bahn-
kontrolle, mit einem Urlaubsschein, auf dem
der Herr Oberleutnant bestätigte: „Ersatz-
reservist Hühnerwadel fährt in dienst! cher
Eigenschaft nach 3£." Zur Verpackung nahm
er jeweils den Offiziersfeldkoffer seines Herrn
mit, weil erfahrungsgemäß Offiziersgepäck auf
die Hamsterkontrolleure in den Zügen eine
lähmende Ehrfurcht ausstrahlte.

Auf diese Weise fiel dem Herrn Oberleut-
nant das Durchhalten nicht schwer. Er wurde
sogar Hauptmann, denn während die Beför-
oerung der Mannschaften hinter der Front
ausgeschlossen und direkt verboten war, rück-

ten die Herren Offiziere von selbst in die
höheren Stellen ein. Seitdem kam Geismar
nur noch im Reitanzug mit klirrenden Sporen
ins Bureau, und mit der Vergrößerung der
Distanz von seinen Untergebenen nahm seine
Erhabenheit noch um ein Erkleckliches zu.

Man sollte meinen, einem solchen Drücke-
berger und Leuteschinder hätte in der Revo-
lution ein gelinder Denkzettel zuteil werden
müssen. Die Mannschaften hatten es ihm ge-
schworen; viele hatten Aufzeichnungen ge-
niacht über ihre Wahrnehmungen, mit denen
sie bei geeigneter Gelegenheit herausrücken
wollten. Es geschah nichts. Er nahm seinen
Abschied und trat eine glänzend bezahlte
Stelle an als Subdirektor bei einer Groß-
firma, die ihn bereits zu gewinnen wußte,
als er noch dienstlich mit ihr zu tun hatte.

Ach ja, das waren herrliche Zeilen, und
man begreift die Sehnsucht der Herren nach
ihrer Wiederkehr. F. Madltnger

„Hast du gelesen, der Kronprinz hat an den
Zauber mit unserem Endsieg schon nach der
Marneschlacht 1914 nicht mehr geglaubt."

„Ja, aber wie erklärst du dir neben dieser
fürchterlichen Erkenntnis die fidele Weiber-
wirtschaft in seinem Hauptquartier?"

„Alles aus Verzweiflung! Rein aus Ver-
zweiflung!"

Deutsches Kino 1920

Die Wolken drohen, schwärzer als inan glaubt.
Die Stunde geht mit Ungeheuern schwanger.
Das stellt an pranger und steht selbst am Pranger,
Bald wird die Freiheit ab-, bald angestaubt.

kfier wird geschoben und dort wird geraubt,
kfier wird gepraßt, getanzt, dort bricht ein langer
Zcrquälter Llendsblick, ein letzter, banger.

Das johlt, das hetzt, wühlt, stammelt, stöhnt und

schnaubt.

kfier tiefste Pein, dort höchste Lüsternheit —

Und alles auf des Felsens schmälstem Grat,
klm Kraterrande, der Vernichtung speit.
Lrwache, Volk! vom Giftrausch auf zur Tat!
vu siehst und bist selbst Film zu gleicher 3eit.
lfalt ein! Die Kurbel drehn Tod und verrat.

_^_ Walter Vähr

Die deutschen Kirchenglocken sind beim er-
logenen Sieg nicht gesprungen — da werden
sie auch beim wahrhaftigen Frieden nichl
springen! *

Der Untersuchungsausschuß soll Licht schaf-
fen; der Staatsgerichlshof wird Recht schaffen.
■k

Mancher Narr fordert heute von der Re-
gierung die Wunder, die das alte System ihm
versprach und dann schuldig blieb.
 
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