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9938

❖ Der Vergleich ❖

ER sitzt in Amerongen und ist verdrossen.

Des sind wir herzlicher Teilnahme voll.

Darum haben wir einen Vergleich beschlossen,
Der die Stimmung ein wenig heben soll.

O frohe Kunde!

Auf deine Wunde

Legk man dir, König, du jählings geschätzter,
Das verdiente balsamische Pflaster.

Konfiskation des Eigentums aller Emi-
granten und Rebellen (Forderung 1 im
Kommunistischen Manifest).

Aber wir sind nun mal von der Grotzmut besessen
Und geben ihm haufenweis Güter und Wald,

Diverse Millionen nicht zu vergessen

Und — für anderthalb Jahre bas Königsgehalk!

Halt steif das Genick!

Die Republik

Zeigt zum April erst sich löwenmühnig.

Bis dahin bezahlt sie ihren heimlichen König.

Verdient? Hm, man darf's nicht zu gründlich betrachten.
Sonst klaffen unzählige Gräber auf.

Und es steigen die Opfer der ruhmreichen Schlachten
Stumm redend noch einmal zum Lichte herauf.

Dann löschte die Flut
Von Tränen und Blut,

Dann löschte der Schutt der Häuser und Saaten
Alle Tinte monarchischer Advokaten.

Sie bezahlt auch anderthalb tausend Lakaien
Und schenkt dem König ein Mausoleum.

Er aber spendet — hach, wie wir uns freuen! —
Uns das alte Hohenzollernmuseum.

Dies nennt man Vergleich!

Wer wird da nicht weich?

Dann laß! uns die Sache schon sinnreich betreiben
Und ehrlich mit „Michel" unterschreiben. Pec.

Die Trüffel des armer! Mannes

So wurde unsere Kartoffel früher mit einem
Anflug von Spott genannt; denn im Grunde
gehörte sie zu jenen Produlteu dieser Erde,
die man mit einer gewissen Geringschätzung
genießt. Nur die echte Trüffel—obgleich zu
ihrer Aufstöberung hier und da abgerichtete
Schweins benutzt werden— galt als „Edelge-
wächs" und wurde in Rotwein und Butter
gekocht oder in Gänseleberpasteten verbacken,
ivährend die Trüffel des armen Mannes die
unwiderstehliche Neigung hat, sich mit einem
Salzhering zu vermählen. — Die Kar-
toffel führt in derBotanik denschönen
poetischen Namen Lolanura tutwro-
8;im. Das klingt wie ein Gedicht,

>vie reine Musik. Aber das wirkliche
Leben verdammt sie zu einem recht
prosaischen proletarischen Dasein.

Sie entsteht und lebt massenweise
in einzelnen, vielköpfigen Familien;
ihre Heimat ist der sonnenlose, dunkle
Ackergrund. Kaum ans Licht der Welt
gehoben, steckt man sie in einen Sack;
dann verschwindet sie in der Finster-
nis des Kellers und erhältihren Platz
neben der Heringstonne. Von dort
aus wandert sie in den Markttaschen
zu den Küchen der Menschen, die
darauf angewiesen sind, ihre Stärke
aus wohlfeilen Massenprodnkten zu
erneuern. Für Leute dagegen, die sich
an die echte Trüffel zu halten ge-
wohnt sind, liefert sie im wesent-
lichen nur die Stärke für Kragen
und Hemdbrust.

Man hat ausgerechnet, daß je-
mand, der sich alle zum Leben nöti-
gen Eiweißstoffe auf dem Wege des
Kartosselgenusses verschaffen wollte,
täglich zwanzig Pfund Erdäpfel zu
sich nehmen müßte. Das war vor
dem Kriege. Während desselben kam
man zu der erfreulichen Erkenntnis,
daß sich schon mit einemPfund oder
noch weniger leben lasse, wenn man
roch drei Gramm Butter und ein
paar andere Kleinigkeiten hinzufüge.

Diese kombinierte Ernährung ver-
dient schon um deswillen den Vor-

ooo

zug, weil — wie der Physiolog Moleschott
feststellte —ein vierzehntügiger Kartoffelgenuß
ohne Beilage die Kraft eines Menschen derart
berunterbringen müßte, daß er sich die zu ihrer
Erhaltung notwendigen Kartoffeln nicht mehr
erarbeiten könnte. Und damals durfte man
noch von ihrer Wohlfeilheit sprechen; heute
ist sie dem armen Mann wirklich das, was
ihm ehemals die Trüffel war: ein kostspieliger
Genuß. Sie ist zur Rarität geivorden, tvohl
deshalb, weil sie jetzt in erstaunlichen Massen
als Saatgut verwendet wird. Mit Vorliebe
sät man sie in Schweinetröge. Auf diese!»

ausgezeichneten Boden entsprießen dann jene
vortrefflichen Rüsseltiere, die der älteren Gene-
ration noch als „Schweine" erinnerlich sein
iverdcn. Mysteriöse Einflüsse haben es ver-
schuldet, daß sie jetzt mit der Neigung be-
haftet sind, nach einigen Monaten ihres Da-
seins einem Unglück zum Opfer zu fallen und
notgeschlachlet werden zu müssen. Manche Be-
sitzer sind so abergläubisch, daß sie dies Mal-
heur gar nicht erst abwarten, sondern die
lebendige Frucht der Saatkartoffeln bei Nacht
und Siebe! um die Ecke bringen. Alsdann hört
und sieht man nichts niehr davon.

Wenn die Kartoffel erfriert, zeigt
sie einen süßen Charakter. Gerät sie
aber ins Kochen, platzt sie vor Zorn.
Wird sie gebrannt, gibt sie ihren
Geist von sich. Auch der Spiritus
hat die Eigenschaft, sich unauffällig
zu verflüchtigen; erst nach geheim-
nisvollen Manipulationen, bei denen
das Wasser eine große Rolle spielt,
erscheint der vaterländische Fusel als
echter französischer Kognak wieder.

Die wesentlichste Bedeutung der
Kartoffel ruht in ihrer medizinischen
Wirkung, die zugleich eine hochpoli-
tische ist: ihr Genuß besänftigt das
Gemüt. Schon die Blätter, die wäh-
rend der Kriegszeit vielfach als Edel-
tabak Verwendung fanden, erleich-
terten uns durch ihren narkotisieren-
den Einfluß das Durchhalten. Doch
auch die Frucht selbst macht milde.
Das erkannte schon Heinrich Heine:
„Luther erschütterte Deutschland —
aber Franz Drake beruhigte uns
wieder: er gab uns die Kartoffel."
Der erste soll allerdings nicht Drake,
sondern ein Sklavenhändler, John
Hawkins, gewesen sein, der zunächst
den Irländern dies Beruhigungs-
mittel verabreichte. Sie könncn's
noch heute gebrauchen. Von den
verschiedensten Regierern wurde es
hochgeschätzt und die Kultur der
— vermutlich,
weil die größten Exemplare sprich-
wörtlich meinem scharfen Gegensatz
zur Intelligenz stehen, die ja als un-
ruhiges Eleinent nie sehr beliebt bei

Österreich und Deutschland vor dem Ententeladen

Kartoffel gefördert

»Wenn du dich sattgesehen hast, Bruder Österreicher,
wollen wir weitergehen.«
 
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