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Sozialisierung


Es gehen jetzt mit Trauerflor
Die Herren Schlotbarone.

Sie jammern all und jedem vor;

Man kennt schon die Schablone:
„Sozialisieren lohnt sich nicht,

Ihr kommt dann vor die Hunde;

Wir warnen euch nach Christenpflicht:
Ihr richtet euch zugrunde.

Das unterirdische Revier
Tat uns nur Sorgen spenden.

Vom Hörensagen kennen wir
Allein die Dividenden.

Das Risiko ist riesengroß,

Die Löhne sind's nicht minder —

Uns Ärmsten ward ein schweres Los;
Uns dünkt, das sieht ein Blinder."

Und wer ihr Stöhnen jetzt vernimm!,

So jammervoll und kläglich,

Denkt bei sich, nachdenklich gestimmt:

Wie ist solch Zustand möglich?

Der armen Menschen große Last
Schafft ihnen Quälereien —

Da wollen wir in aller Hast
Sie doch davon befreien!

Sie herrschten allzulang allein;

Das Volk ist an der Reihe.

Ihm scheint's kein Sprung ins Dunkle, nein,
Ihm ist's der Weg ins Freie.

Das Volk packt an und schafft nun dort,

Sich selber nur zum Lohne,

Und ohne Dividenden-Sport

Und ohne — Schlotbarone. Der Wahre Jacob

Sturmzeichen

Der Wucher wächst, und wir — wir gehn zugrunde.
Wir darbe», während er gefräßig schlingt.

Von Hunger, Kälte, Arbeitsuo« umringt.

Bringt neue Qual uns jede neue Stunde.

Manch Hohnwort fällt aus frechgcschürztem Munde,
Das schmerzend in der wunden Seele klingt.

Wenn ste mit grauen Elendsfluten ringt
Zn einem Leben — schlimmer als die Hunde.

Ihr aber, die ihr wuchert, schlemmt und zecht.

Denkt ihr, so kann es ewig weitergehen

Mit uns — des Wuchers und der Bauern Knecht?

Mutz rauschend erst im roten Sturmwind wehen
Das rote Banner für das Menschenrecht? —

Euch, die es angcht, könnt ihr das verstehen?

Waller Bähr

Spaltungslied

Proletarier aller Länder,

Hört die neue Mär:

wer euch Einigkeit verkündet,

Ist reaktionär.

In den lvikus mit den Mten,

Thaos sei die weit.

Spalten latzt, laßt uns zerspalten,
war zusammenhält.

DK Partei, Gewerkschaft, Bünde -
»in mit einem «eil!

Schwächlich nämlich wirkt das Ganze;

Stark ist nur der Geil!

Alle »raste, sie erkalten
Im geeinten Heer —

Nur gespalten, nur gespalten
Sind wir revolutionär.

wo drei Männer sich verbinden,

Ist ein Bonze mang.

Diese Grzverräter ketten
Unsern Tatendrang.

Scherben sollen sie verwalten.

Mn damit ins Loch!

wenn die letzte »rast zerspalten,

Bringt »ns Moskau wieder hoch! Pan

Entwaffnung

„Nun, du lebst ja noch?"

„Warum soll ich denn nicht mehr leben?"

„Na, gestern sagtest du doch ganz verzweifelt, der
Revolver wäre jetzt deine letzte Hoffnung."

„Stimmt auch. Habe ihn heute abgeliefert für fünfzig
Mark." E. W.

Notgedrungene Abrechnung

Man rühmte einst den Bauernstand — als biedersten
im ganzen Land, — der Lobspruch dünkt seit Tag und
Jahr — mich nur mit Einschränkungen wahr; — wo
blieb des Landmanns Biederkeit — in Deutschlands
Not und schlimmster Feit? — Bewies er für das Ganze
Sinn? — Ich sah nur Gier nach Geldgewinn; — er
spürte nie des Hungers Not — und backte flott sein
gutes Brot, — derweil die Armen in der Stadt —
sich aßen an Kartoffeln satt. — Er schraubte höher stets
mit Fleiß — den hohen Nahrungsmittclpreis; — so-
viel ihm auch die Ware trug, — indes er hatte nie ge-
nug. — Umging er nicht mit List und Schwung — die
strenge Zwangsbewirtschaftung? — Als in der Stadt
der Arbcitsmann — fein Gold zur Reichsbank hin-
getan, — da füllte er's in einen Strumpf — und kniete
auf den prallen Stumpf; — die Noten von der Deutschen
Bank — verwahrt er heute noch im Schrank, — wo sie,
wie oft die Zeitung sagt, — Gelegentlich die Maus be-
nagt, — und öfter, als dem Bauern lieb, — erwischt sie
dort ein nächt'ger Dieb. — So führt durch Gelder-
hamsterei — er unsres Reichs Ruin herbei; — das
Stcuernzahlen schätzt er nicht; — und wenn das Reich
in Stücke bricht, — so wird dem Bauersmann nicht
bang — im allgemeinen Untergang; — ihm ist es
gleich, wie alles steht,— weil's ihm nie an den Kragen
geht, — dieweil sein Schornstein immer raucht, — und
er stets erntet, was er braucht; — er ißt und schläft
und löscht den Durst, — das große Ganze ist ihni wurst.
— Wo steckt denn da die Biederkeit, — die man gelobt
zu jeder Zeit? — Verspielt hat er des Lobes Preis; —
mir macht vom Bauern keiner weis, — daß er ein
Patriot und Christ — und besser als die andern ist.

Nikolaus Klotzhuber

&

Neues von der
notleidenden Landwirtschaft

Die Braunschweiger Landwirtschaftskammcr hat an
das Reichsfinanzministerium ein Gesuch gerichtet im
Namen ihrer notleidenden Mitglieder, daß die Veran-
lagung zuni Reichsnotopfer der Braunschweiger Land-
wirte nach ihrem Vermögensstand von 1914 erfolgen
solle.

Da dieses Gesuch die Voraussetzung hat, daß die
braunschweigische Landwirtschaft seit Beginn des glor-
reichen Weltkriegs für ihre Produkte nicht mehr gelöst
habe als vorher, habe ich mich entschlossen, an die Kam-
mer eine größere Bestellung von Naturalien abgehen
zu lassen in der Erwartung, daß einer der ihr ange-

schlofsenen Agrarier sie baldigst effektuieren werde. Ich
erklärte mich gerne bereit, für einen Schinken den vollen
Friedenspreis von 20 Mark zu zahlen, für das Hundert
Eier 8 Mark, für einen Zentner Weißmehl 20 Mark, für
12 Zentner Kartoffel 36 Mark, für den Zentner Äpfel
12 Mark. Ausgeführt ist die Bestellung bis jetzt nicht
worden, aber es kommt wohl noch, und ich möchte hier-
mit alle Genossen und Genossinnen auf diese billige
Quelle zum Bezug ihrer wichtigsten Lebensmittel Hin-
weisen.

Wie verlautet, sollen bereits auch allerhand anders
Geschäftsleute das Gesuch der Landwirtschaftskammer
zum Vorbild genormnen und ebenfalls um Veranlagung
nach ihrem Stand von 1914 nachgesucht haben. Solche
Gesuche seien unter anderen eingelaufen von Schlojme
Kanalgeruch aus Pillkallen, der bis 1914 mit Katzen-
und Hascnbälgen handelte und im Krieg eine Tornister-
fabrik mit 800 Arbeiterinnen unterhielt. Ferner von
dem Alteisensammler Josef Schlicksupp aus Leiberstung
in Baden, der 1915 eine Granatengießerei eröffnete.
Auch der Altkleiderhändler Warmbier in Pankow, dessen
Maßgeschäft für feine Herrenmoden mit Konfektions-
magazin erst 1917 entstand, bittet um die nämliche Ver-
günstigung wie die Braunschweiger Landwirte, und zwar
mit demselben Recht und — hoffentlich — mit dem
gleichen Erfolg. R.K.

ik

Sprachreform

Das Hakenkreuz ist auf dem Wege, das simple
kirchliche Kreuz, das bekanntlich orientalischen Ur-
sprungs ist, iin Bewußtsein jedes echten Nationalisten
zu verdrängen. Alle heimlichen Bretterzäune und
öffentlichen Bedürfnisanstalten sind bereits von diesem
Symbol alldeutscher Gesinnung erobert. Darum ist es
an der Zeit, daß auch die alldeutsche Sprache der Ten-
denz Rechnung trägt und die an das alte jüdische
Kreuz erinnernden Bezeichnungen entsprechend ändert.

So wird eine an der Peripherie der deutschen Reichs-
hauptstadt sich erhebende Anhöhe von jetzt ab den Na-
men Hakenkreuzberg führen müssen, die deutsche
Marine wird nur noch Hakenkreuzer, der deutsche
Strafprozeß nur noch Hakenkreuzverhöre kennen.
Mittelalterliche Klosterhöfe werden von H a k en k r e u z -
gängen umgeben sein, der deutsche Welthistoriker
wird von Hakenkreuzzügen sprechen und in der
deutschen Fauna wird es nur noch Hakenkreuz-
fpinnen und Hakcnkreuzottern geben.

Wir hoffen, daß die Gesinnungsgenossen der Haken-
kreuzzeitung über diese von uns vorgeschlagene
Sprachreform hakenkreuzfidel sein werden. x
 
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