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— 10101

Von der ewigen Wiederkunft

Eine hippelogische Studie

Ei» neues Pferd kam in den Stall. Eine
Rappstute. Der Knecht schüttete ihr Hafer
vor und steckte Heu auf. Sie senkte den Kopf
tief in die Krippe und fraß mit Gier.

„Wo kommst denn du her?" fragte der Rot-
schimmel, der ihr zur Rechten stand.

„Icke?" erwiderte die neue Stute, kaum
von der Krippe aufblickend. „Ick sage dir,
det jloobst de jar nich, wenn ick dir allens
erzählen wollte."

„Na, schieß mal los!" ermuntert? der Rot-
schimmel. Die anderen Pferde hoben neugierig
die Köpfe und äugten mit gespitzten Ohren
herüber. Die Rappstute fühlte sich geschmeichelt
als Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksam-
keit und begann.

„Also, ick bin ne alte Berlinerin, na, det
wirst de ja schon jemorken ham. Ick diente
bei Bolle: Milchkutsche. Na, denn kam die
Angtang mit de Ablieferung von Stuten. Da
Ham se mir jemustert un jenomme». Sechs
Jahre Ham se mir jünger jemacht, det se mir
loskriegtcn. Denn rin in Eisenbahnwaggong.
Ick sage dir, scheußlich. Tagelang unterwegens
un fast nischt zu fressen. Endlich ausladen in
Canrbrai. Ick kam zu ’n abjebrannten Land-
wirt an die Somme. Böse Jegend. Der biedere
Landwirt war aber man bloß 'n Schieber, hat
mir jleich wieder verkloppt, weil er den Stall
voll hatte. Een Holländer namens Jan Vlieten
hat mir jekooft un nach Rosendaal jebracht.
Mensch, da war's fein! Den Hafer un det
jute Brot! Ick wurde absichtlich jemästet, det
ick ne janz kugelrunde Plautze kriegte. Ick
merkte jleich warum. Richtig kam ooch eenes
Tages een deutscher Händler un legte achtzehn
braune Lappen für mich hin. So kam ick wieder
in de Heimat. Noch keine drei Tage stand ick
im Stall, da wurde ick nach Frankfurt trans-

portiert, Magerviehhof. Stutenablieferung vor
der Angtangkommission! Ick denke, mir laust
der Affe, ick war doch schon drüben in Frank-
reich, wat woll'n denn die mit de ville Stute»?
Mir ham se doch wieder verkoost, weil se
jenuch hatten.

„Ick wurde zum zweetenmal zur Abliefe-
rung bestimint. Diesmal jing et aber nach
Brüssel. Feine Stadt, sage ick dir. Een Rat-
hausturm ham se, da mußt de den Kopp janz
schief halten, wenn de mit det eene Ooje de
Spitze bekieken willst. Bon Brüssel ham se
mir nach Antwerpen jebracht aus'n Schiff.
So, denke ick, nu brauchst de wenigstens nischt
zu arbeiten. Aber die Freude war kurz. Die
anderen Kanieraden erzählten mir, det wir
nach Polen kommen sollten in Krieg! Nu
schlägt's dreizehn, sage ick. Krieg? Ooch noch
so wat! Als ob ick nich jenuch hätte von der
Schinderei bei de Munitionskolonne, wo ick
drei Jahre bei war. Nee, Krieg is nich mein
Fall. Ick neige entschieden mehr zu det Paze-
fistische, seit ick jesehen habe, wie se unser-
eenen im Felde behandeln tu». Nischt wie
Schuften un Dresche un nischt unter de Zähne,
un verreckste, na dann verreckste eben. Na.
ick habe nochmal Schwein jehabt. Denke dir,
in Aarhus in Jütland oben ham wer Station
jemacht wesen Kohlenübernahme. Da hat mir
doch so ’n Luder von polnischer Pferdeknecht
für ’n Sack Tabak heimlich verschoben an ’n
dänischen Schieber. Dat Zeug jibt's nämlich
dort oben ooch massenhaft, wie überhaupt im
Staate Dänemark manches faul ist. Ick war
heilfroh, wie ick von det Schiff runter kam,
ick bin ooch janz sachtemang uffjetreten, det
se mer nich hörten.

„Na un nu stand ick in Aarhus fünf Tage.
Da kam schon wieder een deutscher Aufkäufer
un legte zwanzig Tausendmarkscheine für mich
hin. Wat sagste? Det ick mal meinem Vater-
land so teuer iväre, dat se so viel Jeld for

mir ausjeben, hätte ick mir nie träumen lassen.
Ick wurde also mit fünf anderen in eenen
Fischerkahn jestoppt un nach Hamburg je-
schmuggelt. Et glückte, un von dort kam ick
hierher. Ick sage dir, det ville Reise» zu Wasser
un zu Lande, dat is ne Strapaze, da fällst de
von ’t Fleesch wie ’n ausjenommenerHeering.
Hast de noch wat übrig for mir in deiner
Krippe? Denn schieb’s mal rüber, so, danke,
ick habe verdammt Kohldampf."

Das Gespräch wurde unterbrochen. Die
Stalltür tat sich kreischend auf, und eine En-
tentekommifsion, gefolgt von Pferdehändlern
und Veterinären, trat ein. Sie musterten die
Ware. Als sie zu unserer Rappstute kamen,,
sagte der Chef der französischen Kommission
nach einiger ltberlegung: „Elle est maigre,
mais bonne. Je la prendrai.“ (Sie ist mager,
aber gut. Ich werde sie nehmen.)

Die Rappstute wurde als einzige losgekop-
pelt. Sie wußte, daß sie nun zum drittenmal
an die Entente abgeliefert würde. Und sie
hoffte, wiederum in die Heimat zurückzukehren.
Als sie hinausgesührt wurde, erhob sich bei
den anderen Pferden plötzlich ein wieherndes
Gelächter.

Tatsache: ein wieherndes Gelächter! Denn
es gibt Fälle, wo sogar ein Gaul lachen muß.

F. M.

Haute volee.

Eie tanzen um das goldne Kalb,

Sie tnn es ganz, ste tnn's nicht halb —

Bis hoch zum Himmel schmeißt die Beine
Die edle Wucherer-Gemeine!

Und hat »och einer Hab »nd Gnt —

Sie saugen ihm das letzte Blut,

Sie rauben ihm die letzte» Kräfte
Und wandeln sie in Geldgeschäfte!

O „deutsche Treu und Redlichkeit",

Wie liegst d» fern, wie liegst du weit!

Mag immer dich ein andrer liebe» —

Ste wuchern, schachern, stehle», schiebe»! Kl.

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* Aus Marokko ❖

„Wir müssen »ns vor der abendländischen Kultur beugen. Man hat »ns immer für die größten Ränder erllärt,

aber die Entente kau» es »och besser."
 
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