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. 10121

m liobelfpäne ra

Vergessen ist in Frankreich bald
Die blutige Kriegstragüdie.

' Im neuen Jahr führt Millerand auf
Die pfäfsische Katzenkomödie.

Er küßt des Papstes Pantoffel bald
Als frisch lackierter Christ«.

Bald schert er sich auch die Tonsur
Und wird noch ein Trappiste.

Marianne lacht: vom Vatikan
Strahlt schon das Gnadenfönnchen —

Man weist: wer jung eine tücht'ge Hur,

Wird alt ein tücht'ges Nönnchen.



Die Entente unterbindet zwar unseren Luftverkehr. Die schillernden Seifenblasen
unserer Beschwichtigungsräte werden aber auch im neuen Jahre steigen dürfen.

*

Sechs Mann, dazu ein Leutenant,

Die schützen den „Geenig" vom Sachsenland
In dem Verbannungsquartiere —

Sechs stramme Kürassiere.

Das ist — weeß Kneppchen — so einfach nicht:

Es gibt so manchen Bösewicht.

Er könnte auf deutscher Erden
Uns sonst — gestohlen werden.

Sitzt Majestät beim Neujahrspunsch,

Lebt in der Brust ein einiger Wunsch:

Ach, sähen ste's doch in Drüsen I
Es wär' zu schön gewesen_

*

, „Worüber werden die Militärpfarrer unserer Reichswehr wohl am Neujahrstag
reden?" erkundigte sich meine Aujuste. „Sehr einfach," erklärte ick. „Über den schönen
Spruch: Unser Reich ist nich von diese Welt!"

Dein getreuer Säge, Schreiner

Die deutschen Räder stehen still,

Wenn England es und Frankreich will.

Die trockene Guillotine

Rechtsreform

Wie in den Verhandlungen der Preußischen Landes.
Versammlung zur Sprache gebracht wurde, hat Wil-
helm II. seinerzeit vom preußischen Staat das Schloß
Sacrow „gratis" gekauft, dagegen das Berliner
Akadcmieviertel, das dem Staate bereits gehörte,
diesem für 12 Millionen verkauft.

Diese kaiserlichen Rechtsgeschäfte bedeuten eine neue
und sehr fruchtbare Erweiterung der juristischen Be-
griffe „Kauf" und „Verkauf". Es wird stch daher emp-
fehlen, dem in Frage kommenden siebten Abschnitt des
Bürgerlichen Gesetzbuchs einen neuen Titel hinzuzu-
fügen, der von dem „Ankmif von Sachen, für die man
nichts bezahlt", und von dem „Verkauf von Sachen, die
dem Käufer bereits gehören", handelt. Vielleicht genügt
aber auch die Anwendung der § 263 und 264 des Deut-
schen Strafgesetzbuchs, in denen die Delikte des „Be-
trugs" bezw. der „Vorspiegelung falscher Tat.
fachen" eine ziemlich unzweideutige Formulierung
gefunden haben.

Ein antisemitisch-alldeutsches Heilmittel

Für das Heilmittel „Salvarfan" ist von den Höch.
stet Farbwerken, die es Herstellen, als kennzeichnende
Schutzmarke das Hakenkreuz beim Patentamt einge-
tragen worden.

Da von den beiden Entdeckern des Salvarfan der
eine — Professor Ehrlich — ein Jude, der andere Pro-
feffor Hata — ein Japaner war, so erscheint cs ausge-
schlossen, daß man diesen durch die Wahl des antise-
mitisch-alldeutschen Symbols eine Ehrung hat zuteil
werden laffcn wollen.

Vielmehr haben die Höchster Farbwerke mit ihrer
Schutzmarke wohl nur zum Ausdruck bringen wollen,
daß das peinliche Leiden, für das das Salvarfan als
spezielles Heilmittel gilt, in der Regel eine „Berufs-
krankheit" jener Kreise ist, die das Hakenkreuz auf
ihr Panier geheftet haben.

In hundert Jahren wird sich die Hohenzollernlegende
des „armen Verbannten" Wilhelm II. bemächtigt haben
und aus ihm einen Mann machen, der im Exil Holz
sägen mußte, um seinen Unterhalt zu verdienen. B.

Dementi

Die Nachricht, das, die Leitungen der treu-monarchi-
schen Deutschnationalen und der Deutschen Volkspartei
beschlossen haben, ihrem notleidenden Landesvater in
Haus Door» die von ihm früher bezogene jährliche gi-
villiste vom 1. Januar an aus eigenen Parteimitteln
zu zahlen, muß, wie wir aus sicherer Quelle erfahren,
als irrtümlich bezeichnet worden.

Zweierlei Maß

BordemSchwurgericht inFreiburg i.B.stan.
den jüngst zwei Mädchen, die ihre neugeborenen Kinder
getötet hatte». Das Schwurgericht sprach das eine Mäd-
chen, das die „sehr religiös" erzogene Tochter einer
wohlhabenden Bürgerfamilie war, frei, während es
das andere, eine arme Haushälterin, zu 2>/- Jahren Ge-
fängnis verurteilte.

Wir müssen gegen dieses Urteil protestieren. Denn
es erscheint uns doch sehr bedenklich, die Tötung eines
Proletarierkindes härter zu bestrafen als die eines Diir-
gerfprößlings. Und wir können auch nicht zugeben, daß
selbst die strengste religiöse Erziehung den verbrecheri-
schen Instinkten so förderlich ist, daß sie von den Ge-
schworenen als mildernder oder gar als strafausfchlie-
ßender Umstand migeschen werden kann. Ech—!.

Lieber Jacob!

Prost Neijahr un allens sonstije Jute! — For de Bit-
-erlichen Parteien in unsere Berliner Stadtverwaltung
fängt det ncie Jahr sehr scheene an. Se sind Wermuth'n
losjeworden. Der Mann war se — wie schon sein Name
leise andeitet — zu bitter, un se kennen jetz ihre Silvestcr-
bowle ohne seine Beimischung jenießen. Aber wenn se
stch in die jute Hoffnung schaukeln, det sein Nachfokjer
se nu ejal Eachrin un Sirup um de Futterluke schmieren
wird, denn derften sc sich am Ende doch woll mit'n ziem-
lich abwejijen Irrwisch fächeln. De selijen Zeiten for den
Tierjartenliberalismus sind endjiltig vorbei, un de Ber-
liner Arbeeter haben andere Sehnsichte als wie nach det
abjcwirtfchastete komnumale Schieber- un Jobbertum,
det se so lange det Fell icbcr de Ohren jezogcn un seine
Klubsessel mit jepolstert jehabt hat. Wenn die Herrschaf.

ten 'n biskcn mehr Iehirnmarfarine besäßen, als wie de
jietije Mutter Natur fc leider vorenthalten hat, denn
wirden fe villeicht schon heite insehen, wät se morjen be°
vorsteht, un ihr wermuthfreier Silvcsterpunsch wirde
se in de Kehle stechen bleiben! Aber man kann von'n
Ochsen keen Flaunienmus erwarten, sondern man muß
de Ferdeäppel feiern, wie se fallen.

Dir, lieber Jacob, winsche ick, wie jesagt, zu det neie
Jahr allens Jute. Aber zu ville derf et allerdings nich
sind, denn der Mensch muß sich hcitzudage mit wenijes
bejnicjen, un de scheene Erinnerung an de verflossene
stoße Zeit muß ihm ieber det hinwegtreesten, wat oogen-
blicklich mangelhaft is. Er muß zum Beispiel zlssriedeu
sind, wenn er Kartoffeln hat, un nich noch erwarten, det
se nich jcfroren, sondern jenicßbar sind. Er muß sich be-
jniejen mit die stolze Tatsache, det wir in Dettschland
eenen Schatzminister, eenen Finanxminister un eenen
Finanxdittator haben, un et wäre jeradezu ausvcr
schämt, wenn er anjesichts von diese Fille ooch noch jar
verlangen wirde, det wir Finanzen besitzen sollen. Eens
muß ebent det andere ersetzen, un wenn wir oogenblick
lich kcencn Monarchen nich zu unsere nazjonalen Besitz-
tiemer zählen kennen, denn sollten wir stoh sind, det
wir wenigstens for seinen standesjemäßen Unterhalt in't
neitrale Ausland unsere tiefemfundenen Milljonenlei-
stungen abfiehren derfen. Un wenn icke selber an Sil-
vestcrabeud krumm liejen muß, denn beseligt mir doch
det erhebende Bewußtsein, det Willem um dieselbe Zeit
een nich zu knappet Jlas leeren wird uff det Wohl seiner
Jetreien im Vaterlande, die ooch in't neie Jahr nich alle
werden!

Womit ick verbleibe mit ville Irieße Dein jetreier
Jotthilf Rauke,
an 'n Iörlitzer Bahnhof, jleich links.

Im Verlag von Alb in Langer in Chemnitz ist
erschienen:

Robert Seidel

der Volkskämpfer für Recht und Freiheit.

Von Professor str. so. pol. Bernhard Rost.

Mit einem Verzeichnis feiner sozialpolitischen, sozial-
pädagogischen und dichterischen Schriften
und einem Bildnis.

RcdaktlonSlchluS 20. Dezember 1920
 
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