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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 38.1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.6706#0003
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Ans Doorn

Du bist zu beneiden, Herr Beiter; unsere Völker nahmen uns die Köpfe,
deine schenken dir noch Millionen!

M ftobetfpätie

In Sowjet-Rußland wird Reverenz
Erwiesen den Theorien.

Die schüchternste Inkonsequenz
Wird nimmermehr verziehen.

In Sowjet-Rußland brach man den Bund
Der kapitalistischen Drohnen
Und füttert die — fremden zur seiden Stund'
Mit fetten Konzessionen.

In Sowjet-Rußland handelt am End'

Man nach dem allen Gedanken:

„Sei konsequent oder inkonsequent —

Rur nicht dies ewige Schwanken I I"



Die englische Soldateska hat halb Cork niedergebrannt. Das ist ein Kork, der
schwer auf der Wage des Weltgerichts wiegen wird.



Es gaben zur Bölkerbundstunke in Genf
Europas veraltete Köche den Senf.

Doch was sie auch taten und trieben.

Sie ist ungenießbar geblieben.

Ins Diplomaten-Kabbala
Sprach plötzlich jung Südamerika.

Es sprach von Völkerrechten,

Für die man solle fechten.

Die arterien-verkalkte Diplomatie
Der Zünftler vor Entsetzen schrie:

- „Raus mit den Kerlen dort künftig!

Die reden ja — vernünftig."

*

Am Stammtisch wurde gefragt, warum der Orgesch-Kassierer Klamm mit seinen
vier Millionen nach Holland durchgebrannt sei. „Weil Klamm dort nicht in die Klemme
kommt," erklärte ick. „Er wird mit Exwillem und Sohn dort eine neue Ortsgruppe
bilden." Dein getreuer Säge, Schreiner

v. Below-Pleitenburg

an v. Arnim-Schnodderheim

Mein Allerwertester! Auflösung ostelbischer Selbst-
schutzorgane sehr anerkennenswerte Forderung der En-
tente. Bin immer Meinung gewesen, daß — wie nennt
sich doch? — Reichsregierung und sogenannte Heeres-
leitung Finger von lassen sollen. Brauchen keine — bitte,
nicht lachen I — obrigkeitliche Bevormundung. Deichseln
Angelegenheit am besten ganz alleine. Jo weniger offi-
zielle Wehrkommandos dreinreden, desto sicherer wird
Chose klappen. Hakenkreuzzug des armen Kapp hätte
seinerzeit wahrhaftig andere Wendung genommen,
wenn nicht genötigt gewesen wäre, auf Mitwirkung
amtlicher Stellen zu rechnen, die nie ganz zuverlässig.

Werden also hier Kriegswehr sofort auflöscn und als
Kriegerverein etablieren. Bauern und Bauernjun-
gen durchweg todsichere Mannschaft. Alles überzeugte
Gegner von revolutionärer Steuergesetzgebung, die
sparsamen Landmann zu bisher gottlob nicht gekannten
Abgaben verleiten möchte. Außerdem fast religiöser
Fanatismus gegen Zwangswirtschaft, durch die volks-
erhaltendor Nährstand sich täglich und sttindlich einfach
mit Kerker bedroht sieht. Biederer ostelbischer Bauer
hat aber »och keine Lust, mein Allerwertester, sich durch
Finanzamt und Staatsanwalt von hinten erdolchen zu
lassen! Monarchistisch bis in die Fußlappen! Verfügen
also über Käinpfermaterial, auf das rechnen können,
wenn entscheidender Ruf ergeht. Und Ruf wird ergehen,
sobald Stunde geschlagen hat!

Waffenablieforung? Horrend komische Ange-
legenheit! Wer Jagdschein hat, darf doch wohl auch
Gewehr besitzen? Hä? Oder denken Negierungsesel
etwa, man könne Rehbock mit Spazierstock erlegen und
Rebhuhn in Mausefalle fangen? Und Jagdschein hat
bei uns jeder zuverlässige Kerl. Einzige Schwierigkeit:
Unterbringung von Geschützen und Maschinengewehren.
Aber wozu haben wir Eiskeller? Meiner sofort ausge-
räumt und bereits in stimmungsvolles Kricgcrvereins-
arscnal umgcwandclt. Werde nun allerdings nächsten
Sommer Sekt ungekühlt trinken müssen. Aber ernste
Zeit verlangt auch von uns Opfer. Auch hier wieder
Hohenzollernwort am rechten Platz: Lerne zu leiden,
ohne zu klagen.

Inzwischen Gott befohlen! • Ihr Below

Der Äerr Professor

Lieber Jacob I

„Hunger is der beste Koch" — sogt det Sprichwort.
Un ick fieje hinzu: „—aber satt macht er keenenl" Von
die ticfemfundene Richtigkeet dieser Tatsache kann sich
jeder deitsche Staatsanjeheerije jetz täglich ieberzeijen,
wenn er keene Verwandte in Bayern oder Ostpreißen
oder fonstije internazjonale Beziehungen »ich besitzen
tut. Wenn Du for'n Zentner Kartoffeln sechzig Bieter
berappen mußt, denn is et mit det Sattwerden Essig,
besonders wenn Dein Drittjingster wieder 'ne neie Hofe
braucht un Muttern ihr letzter Unterrock for diese Uff-
jabe nich mehr verfiegbar is, indem davon schon for
Deine Zwcetältestc een unabwendlicher Wintermantel
produziert werden mußte. Uff die Frage: Soll ick lieber
frieren oder soll ick hungern? antwortet heite det Schick-
sal: Bcedcs, mein Herze!

Un der eenzigste Trost, der eenen bei diese Sachlage
jebliebcn war, bestand in die zweifellose Jewißheet, det
et immer noch 'n janzen Klumpen Mitbirjer jibt, die
weder det eene noch det andere neetig haben. Jn't Eden-
Hotel, in't Kranzler-Restaurant un in Kaiserhoff zuni
Beispiel soll immer sehr jut jcheizt sind, un de Speisen-
karte is durchaus jarantiert solide Friedensware. Un
nu soll det deitsche Volk ooch noch dieser letzte Lichtpunkt
ausjeblasen werden, indem det de Staatsanwaltschaft
jejen injeschritten is. Det jetzt natierlich nich, un ick ver-
stehe vollkommen, det de kochende, bratende un schmo-
rende birjerliche Volksseele in Empeerung jeraten ttit
un Protestversammlungen veranstaltet un det de Hotel-
besitzer in eenen Ieneralschleichhandelsstreik rintreten
mit det Motto: „Freier Fraß den Schiebern!" Det is
natierlich jetz nich mehr neetig, denn de Schose is bei-
jelegt, un et kann weiter jeschmort werden, damit der
christliche Ajrarier, der Berlin init seine umfangreiche
Iejenwart beehrt un sich in de nächtlichen Tanzbars
von de niederjehende Moral der republikaneschen Welt-
stadt durch un durch ieberzeigt hat, det Recht jenießt,
seinen sittlichen Ekel durch een Dinöh iir'n besseres Re-
staurant wieder uffzufrischen. Un der fleißije Börsianer-
der mittags zwee geschlagene Stunden lang im Schwitze
seines Mjesichts an de Verhinderung des deitsche»
Baluta-Uffstiegs jearbeet't hat, kann woll verlangen,
det det dankbare Vaterland ihm Ielejenhcet jibt, in
hinterzojene Butter nebst den dazu jeheerijeu Rehricken
feine ermatteten Kerperkräfte zu weitere staatserhal-
tende Tätigkeet zu beleben.

Det et innerhalb des irrejeleiteten Volkes immer
noch eene Anzahl von Individuen jibt, die det jar
nich insehen wollen, is schon schmerzhaft jenug, aber det
sojar jewisse preißcsche Rejierungsorjane de staats-
anwältlichen Rotzuchtversuchc an de letzten heilijen
Jieter der Nazjon zu unterstttzen scheinen — det jetzt
denn doch ieber de Hutkrempe! Un deswejen is et de
Flicht jedes edel denkenden Menschenfreindes, diese
Dinge immer wieder mit alle Deitlichkeet klarzulejen,
damit det preißesche Volk bei de nächstens kommenden
Wahlen de Ielejenheet nich verpaßt, seinen Unwillen
in de Urne auszuquetschen.

Womit ick verbleibe mit ville Irieße Dein jetreier
Iotthilf Rauke,
au 'n Jötlitzer Bahnhof, jleich links.

RedalttonSschlub 4. Januar 1921
 
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