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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 38.1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.6706#0015
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10141

Der dritte Band

Wir sollen ihn nicht lesen,

Sat das Gericht erkannt.

Es soll der dritte Band
Bei Cotta still verwesen.

Ein kräftiger Monarchist«

Forcht sich zwar vor dem Deubel tut
Lier aber lauert Dynamit
In der verdammten Kiste.

Bismarck, Seros, wir lieben dich
Noch immer, wie vor Jahren.

Doch deine Memoiren . . .

Nee, nee. Man lieber nich!

Cec.

SW

g-rinerungen-1|.

3 El,

yr.\i

Fürstenliebe

Altere Leute werden sich noch jener Fürsten
erinnern, die auf ihrem Throne saßen und re-
gierten. Sie liebten „ihr" Volk, „ihr" Land —
und nur, weil sie zu wenig Gegenliebe fanden,
verschwanden sie eines Tages. Dann Hörle
man lange Zeit nichts von ihnen, so gekränkt
waren sie. Alber alte Liebe rostet nicht. All-
mählich erinnern sie sich
tvieder ihrer geliebten Völ-
ker und strecken ihnen die
Hand hin — mit dem Hand-
teller nach oben. Erft kam
Wilhelm. Nun ist auch
sein Schwiegersohn da, der
in Braunschweig regierte.

Wenn schon das Land ans
ihn verzichtete, er mag nicht
auf das Land verzichten.

Und wenn er es nicht ganz
haben kann, will er wenig-
stens soviel wie möglich. Er
will sich im Notfälle sogar
mit Geld begnügen, wenn
es nicht zu wenig ist, mit
einer lumpigen Viertelmilli-
arde etwa, damit seine Liebe
einen soliden Untergrund
behält. Allerdings ist das
Land dann pleite; alle ge-
rechtdenkenden Bürger aber
haben ihre Meinung bereits
dahin kundgetan, daß dies
kein Hindernis sein dürfe.

Nur die Sozis offenbarteu
wieder ihren Mangel an
Herz und Gemüt. Sie for-
dern die Braunschweiger
Wurst für die Braunschwei-
ger selber, und zwar ganz.

Denn, so sagen sie, wo das
Volk an einem Ende und
der Landesvater am ande-
ren Ende kaut, ist zwar
noch immer der Fürst, aber
niemals das Volk satt ge-
worden. tp.

Eine peinliche Sache

Rathenau hat neulich in
der Sozialisierungskommis-
sion die Kohlenwirtschaft
kritisiert und auf die riesigen
Zechengewinnehingewiesen,

die so dick seien, daß die Unternehmer selbst
anfingen, sich zu genieren. Er habe mit einem
der größten Interessenten gesprochen, und der
habe geantwortet: „Ja, glauben Sie nicht,
daß die Sache mir auch sehr peinlich
ist?! Ich habe in Aufsichtsratssitzungen oft
zur Sprache gebracht, daß die Dinge so nicht
weitergehen können!"

Seid mitleidig, Genossen! Nehmt ihnen ihre
Last ab. Bietet ihnen aber um Gotteswillen
keine Entschädigung an. Erspart ihnen das
peinliche Einstecken der Abfindung. . Pan

Lorchen

Von Viltor Kalinowsli

Lorchen, ein Papagei, hatte ein schönes
farbenschimmerndes Federkleid. War gelehrig,
konnte sprechen, singen, pfeifen, schimpfen.
Ein Wundervogel!

Lorchens Besitzer, ein Kriegsinvalide, ver-
trieb sich die Langeweile damit, Lorchen die
Zunge gelenkig zu machen. Bald geriet er in
arge wirtschaftliche Bedrängnis. Schtveren
Herzens entschloß er sich, den Papagei zu
verkaufen. Ein Kriegsgewinnler erwarb ihn
für guten Preis.

Lorchen bekam einen schönen Käfig und reich-
liches Futter. Auf einem Fest wurde Lorchen
munter und gesprächig. Der Festgeber schwang
die obligate Festrede. Vergaß auch Willem
nicht. „Wißt Ihr, was Se Majestät uns allen
gewesen ist?" rief er mit Emphase. „Schieß-

Ratur und Kultur


„Wir solle» zurück nach Afrika geschickt werden, weil wir europäische Frauen gern haben,
— da müßten aber auch die Europäer aus Afrika entfernt werden, weil sie genau das
Gleiche mit unseren Franen und Tächtern ganz straflos tun."

budenfigur!" schmetterte Lorchen. Dieser un-
vermitelte Zwischenruf war von verblüffender
Wirkung. Die Hausfrau ging strafenden Blickes
zu Lorchen. „Aber, Lorchen, wie kannst du so
unartig sein!" „Halt's Maul, olle Spinnt-
wachtel!" war die unerwartete Antwort. Schal-
lendes Gelächter einiger Gäste. Den Haus-
herrn packte die Wut. „Na wart, du Galgen-
vogel!" schrie er, zum Vogelbauer stürzend.
Das letztere Wort war für Lorchen ein Stich-
wort für seinen weiteren Sprachschatz: „Auf
den Galgen mit dir! Du alter Schieber! Hoch
lebe die Revolution!"

„Du rotes Biest, du Kanaille", schnaubte
der Kriegsgewinnler. Bald darauf baumelte
Lorchen an einem Haken.

So starb Lorchen für die Revolution. Ein
unschuldiges Opfer mehr!

Eine naturwissenschaftliche Betrachtung

Das Stinktier (Mephitis varians) gehört zum
Naubtiergeschlecht. Es ist schwarz und weiß
gestreift, kommt aber nicht nur in Preußen
vor, sondern scheint sich neuerdings überall
in der deutschen Republik ausfällig zu ver-
mehren. Wenn es seinen Raub oder den Raub
seiner Artgenossen bedroht sieht, gerät es in
einen furchtbaren Zorn und spritzt ein Sekret
auf den Angreifer, das nicht nach Rosen duftet.
Mit Vorliebe entleert das Stinktier seine Dreck-
drüse auf sozialdemokratische Minister, Land-
räte usw. Schon der Anblick eines solchen
Individuums versetzt es in
eine so rasende Wut, daß
es gar nicht soviel stinken
kann wie es möchte. In
einer großagrarischen so-
ivohl wie in einer groß-
industriellen Zeitungsredak-
tion hat man zwei beson-
ders hervorragende Exem-
plare der Gattung heran-
gezüchtet. Hier erneuert sich
die Sektdrüse derart schnell,
daß immer ein unbegrenzter
Vorrat an Dreck vorhan-
den ist. Jene Blätter sagen,
dies wäre die vaterländische
Erneuerung. ng.

Was man nicht nötig hat

DieNewAorkerPolizisten
drohen zu streiken, wenn die
Kinos sie weiter in ihren
Filmen lächerlich machen.
Sie hätten es nicht nötig,
sich vor der Öffentlichkeit als
Rauhbeine und Dummköpfe
hinstellen zu lassen.

Verschiedene Abgeordnete
der Deutschnationalen Par-
tei drohen, keine stieben mehr
zu halten, wenn die Zeitun-
gen diese Reden in ihren
Parlamentsberichten weiter
veröffentlichen. Sie hätten
es nicht nötig, sich vor der
Öffentlichkeit als Rauhbeine
und Dummköpfe hinstellen
zu lassen.

Wilhelnr der Letzte pro-
testierte gegen die Veröffent-
lichung seinerBriefe int drit-
ten Band der Bismarckschen
Menioiren. Er hätte es nicht
nötig, sich vor der Öffent-
lichkeit usw. Tobias
 
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