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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 38.1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.6706#0019
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-- 10145


Vor fünfzig Jahren gründete Wilhelm der Große das Deutsche Reich — geht
euch da nicht das Herz auf über die wunderschöne Militärmusik?!

Deutschnationale Wahlrede

holielfpätie eT

ffiiib'ä diesmal auch im Zoo 'ne Wahl,

Sie brächte manchen Segen, —

Dickhäuter wählten national:

Sie lernen nichts von Schläge»,

Der Esel mag nicht gern vom Fleck
Und wählt die Stinnes-Diener:

Da kommt mau nicht vom Platze weg.

Es lachen schon die Hühner.

Der Tanzbär ließ von Escherich
Sich zieh» am Nasenringe — —

Ja, wählt' der Zoo, wär' Helfferich
lind andre guter Dinge! * ★

Die Orgesch-Lente nennen sich Heimatschntz, wahrscheinlich, weil man die Heimat
vor ihnen schützen muß.



Der Triumphwagen des Prinzen Karneval ist in Köln beschlagnahmt worden,
weil er den verflossenen deutschen Kronprinzen feierlich einholen sollte.

Nun steckte man ins Kittchen ein
Die ersten Kriegsverbrecher.

Die blut'gen Ludendorffe? 0 nein.
Es waren nur kleine Schächer.

Sie machten in Belgien mausig sich
Mit Plündern und mit Raufen.
Die anderen schont man säuberlich.
Die Großen läßt man laufen.

Die uns die Suppe rührten ein.

Die schneidigen Bölkerquäler, —
Gerichtstag schafft für sie allein
Der Wahltag. Denk dran, Wähler!!

Die Vereinigten Staaten von Mittel-Amerika sind gegriindet worden. Wann
folgen endlich die Vereinigten Staaten von Europa?

„Soll ich den 20. Februar im Kalender rot anstreichcn?" fragte mein Jüngster,
„Laß man!" entgegnete ick, „det werden hoffentlich die Wähler gründlichst besorgen!"

Dein getreuer Säge, Schreiner

Der neue Welfenfonds

Die Welfen, ach die Welfen,

Die können sich nicht helfen
Im schmerzliche» Exil.

Gottlob, sie sind nicht blöde.

Nicht schüchtern und nicht spröde-^

Sie fordern laut und viel«

Domänen, Schlösser, Felder,

Museen, Wälder, Gelder —

Schnell wächst der Appetit,

Bei Deutschlands Ausverkäufe
Macht auch der Welfenhanfe
'nen Rebbach und Prosit.

Sie schreie» nach dem Krönchen,

Noch mehr nach den Milliönchen.
Geschwellt von Rachedurst,

Begehren sie 'ne nette,

Getrtifselte und fette
Braunschweiger Extrawurst..,. Aha

Wahlreden mit Lichtbildern

Um ihre Agitation während der preußischen Wahl-
kampagne wirksamer zu machen, haben einige bürger-
liche Parteileitungen beschlossen, Wahlversammlungen
mit propagandistischen Lichtbildern zu veranstalten.

Wir stellen ihnen nachstehend einige für den Zweck
passende Themata zur Verfügung:

Deutsche Volkspartei: „Das freie Spiel der
Kräfte" Bilder aus der Geschichte eines rührigen volks-
parteilichen Kaufmanns, der als schlichter Handlungs-
diencr seinen Weg begann und mit Hilfe einiger Wag-
gonladnngen Sacharin als Millionär und hochange-
sehenss Mitglied seiner Partei endete.

Deutsch national: „Der Segen des Militaris-
mus," Lichtbilder aus "dem Leben der Offiziere und
Schattenbilder aus dem Dasein der Mannschaften.

Zentrum: „Die Kirche als Hüterin der Sittlichkeit,"
Kinematograpische Vorführungen aus dem intimen
Familienleben des Heiligen Vaters Alexanders VI. und
seiner unehelichen Söhne und Töchter. (Notabene: Nur
für Erwachsene!)

Eine kleine Verwechslung

Leutnant Vogel, der Mörder der Rosa Luxemburg,
der nach Holland entflohen war, ist amnestiert worden
und läuft jetzt wieder frei in Deutschland herum.

Diese unglaublich erscheinende Maßnahme der deut-
schen Gerechtigkeitspflege findet, wie wir hören, ihre
Erklärung darin, daß sie lediglich auf die Zerstreutheit
einiger gelehrter Richter zurückzuführen ist. Diese woll-
ten den entflohenen Mörder für vogelfrei erklären
und haben aus Versehen den Vogel für frei erklärt.

Die „Prominenten"

Bon der Berliner Schauspieler-Genossen-
schaft habe» sich einige vierzig Mitglieder abgezweigt,
die sich als „prominente Künstler" bezeichnen und
es als eine Ungerechtigkeit empfinden, daß sie von ihren
„prominenten" Gagen 2 Prozent an die Genoffen-
schaftskaffe ihrer schlechter besoldeten Kollegen abführen
sollen.

Dieser Schritt ist konsequent und durchaus zeitgemäß.
Denn dieSteuerscheu ist ein besonderes Kennzeichen
aller heutigen „Prominenten" — nicht nur unter den
Künstlern, sondern auch unter dendeutschenHandel-,
Industrie- und Landwirtschafttreibenden.

Lieber Jacob!

Der nienschllche Ieist, ooch wenn er, wie in de oogen-
blickliche Weltlage, nischt zu fressen kriegt, is trotzdem
unermiedlich mit neie Entdeckungen un Erfindungen
beschäftigt. Un et muß jeden jebildeten Zeitjenoffen un,
willkiorlich zu een stolzes Iefiehl des Sclbstbewußtseins
erheben, wenn er in de Zeitung liest, det eener eenen
Apparat erfunden hat, mit den er de kleensten Sticke,
aus die det janze Weltall soll znsammenjesetzt sind un
die sein de Urania „Atome" nennen, noch kleenecmachcn
kann, un een anderer een ncies Jiftjas, det in fimf Mi-
nuten een janzes Volk auszustänkern in de Lage is, un
det een dritter sojar de Entdeckung jemacht hat, det der
Mensch zur Not ooch mit de Fingerspitzen sehen kann.

Allerdings muß ick, trotz alle Anerkennung for die
uffjcwendte Jehirnmarjarine, doch als icberzeigter Ber-
liner jestehen, det mir diese Entdeckungen un Erfin-
dungen nich jerade überraschend kommen. Denn det

mit de Fingerspitzen is een janz eenfacher orjanischer
Vorjang, dem wir Berliner schon lange mit eenen
anderen Kerperteil ausjeübt haben, indem det mancher
von uns mit de Hiehneroogen mehr sehen kann als wie
andere minderbejabte Wesen mit den Oogen, die ihnen
Iott der Herr zu diesen Zweck in de Fassade jeklebt hat.
Det Jiftjas is ja insoweit 'ne janz imposante Anjelejen-
heit, versteht sich, aber wer von uns dunnemals dem
berühmten Kohlriebenwinter erlebt hat, der wird sich
mit lokalpatrioteschen Stolz erinnern kennen, det wir
Berliner ooch in de Herstellung von sonne verheerende»
Iasarten det icbrije jelehrte Eiropa um mehrere pläng-
volle Neesenlängen vorausjewesen sind. Dem Apparat
zum Kleinmachen von de Atome lasse ick unbedingt
selten, un ick werde mir bemiehen, sonn Dings for meine
Haushaltung anzuschaffen. Denn wenn meine Olle
unsere vierwechentliche Butterrazjon bei Ladewij'n ab-
jeholt hat nn se soll ihr denn unter de neinkepfige Fa-
miljc in achtunzwanzig Teile zerteilen, denn is det uff
natierlichem Weje een Ding der Unmeeglichkeit. Aber
et kann sind, det se et mit die neie Erfindung am Ende
doch noch zuweje bringt.

In diesem Sinne bejrieße ick mit Befriedijung die
Fortschritte der Wissenschaft, die de Menschheit mit
Stinkjase, atoinatesche Hackepeter un kiekende Finger-
spitzen dieses zweifelhaft jewordene Dasein in een irde-
schesParadies zu verwandeln unermiedlich beschäftigt is.

Womit ick verbleibe mit ville Irieße Dein jetreier.

Jotthilf Rauke,
an 'n Jörlitzcr Bahnhof, jleich links.

Ernst Rlaar als Lyriker

Ernst Klaar, der langjährige Mitarbeiter des Wahren
Jacob und des früheren Süddeutschen Postillons, der
uns oftmals mit seinen politischen und satirischen Ge-
dichten erfreute, ist,wie wirHereits meldeten, vor kurzem
zur ewigen Ruhe eingegangen. Er hatte auch als Lyriker
tieferes Empfinden und eine glückliche Hand. Um seinen
zahlreichen Freunden gerecht zu werden, hat seine Tochter
ein Bändchen Gedichte, die er seiner Gattin widmen
wollte, unter dem Titel Ernst Klaar als Lyriker mit dem
Biidnis ihres Vaters geschnmckt herausgegeben und im
Verlag von Josef Günther in Dresden erscheinen
lassen. Preis 6,50 Mark.
 
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