Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 38.1921

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.6706#0030
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
10156

Die große Pleite

Es ist nicht leicht, ein Sieger sein —
England und Frankreich sehen's ein,
Neutralien im G> leite:

Was nützt die schönste Einheitsfront,
Wenn drohend steht am Lorizont
Die allgemeine Pleite?

Die Generale rasseln noch;

Die Diplomaten quasseln noch
Ins Lange und ins Breite.

Umsonst! Schon ahnt man den Termin
Vom europäischen Ruin,

Der allgemeinen Pleite.

Valutakrach und Arbeitsnyt —

Man hetzt dort alles, was da „rot".

Des Scheiterhaufens Scheite
Bringt das nervöse Kapital.

Doch eins ist „international":

Die allgemeine Pleite ...

Der Pfuscher närr'scher Zeitvertreib
Äeilt nicht Europas kranken Leib.

Wie man auch schwatzend streite, —

Des Friedenskriegs Beendigung,

Die wahre Volksverständigung
Nur schützt sie vor der Pleite.

Der Wahre Jacob

Die kleine Aktie

Es gibt große Aktien und kleine Aktien.
Die große Aktie lebt im Geldschrank, wenn
sie nicht gerade auf der Börse zu Besuch ist.
Die kleine Aktie verbringt ihr Dasein schlicht
und recht in Arbeiterkommoden. Trotzdem sie
die kleine Aktie heißt, hat sie die
größte Aufgabe zu erfüllen: eine
ethische und soziale Aufgabe. Sie
macht den Arbeiter besser und
fleißiger und hebt ihn gesellschaft-
lich. Er wird — sozusagen —

Werksbesitzer, Kollege von Stin-
nes, Krupp usw. Je öfter der
Arbeiter seine Aktie erblickt, desto
fleißiger wird er. Und je fleißi-
ger er wird, desto fruchtbarer
erweist sich die Aktie in der Kom-
mode. Und wenn er mal auf die
verrückte Idee kommen sollte,
streiken zu wollen, gleich ist die
kleine Aktie da und flüstert:

' „Was? Du bestreikst ja dein eige-
nes Werk! Mensch, denke an die
Dividende! Je schlechter du be-
zahlt wirst, desto höher ist sie.

Ja, eigentlich müßtest du über-
haupt für niedrige Löhne ein-
treten — du, als Fabrikant und
Werksbesitzer." Und die große
Aktie? „Die große Aktie verdient
' sich ihr Geld allein; sie arbeitet
an der Börse. Wie? Du hast
noch keine Aktie arbeiten sehen?

Und wie sie arbeitet! Sie klettert
Tag fürTagimKurszettelherum,
strampelt mit den Beinen, steigt
ein paar Sprossen hinauf, herab,
wieder hinauf — und es regnet
Geld.Der Großaklionärträgtden
Segen nach Hause. Du aber — ?"

Danke, danke. „Ja, wie soll man
denn da sozialisieren? Erst wollt
ihr teilen — und nun richtig ge-
teilt wird: der eine die große, der
andere die kleine Aktie, nun ist's
wieder nicht richtig?" . . .

Scher dich zum Deibel! sagte der
Arbeiter, und schmiß sie insFeuer.

Pariser Beschlüsse

Es sind uns einige Blätter auf unseren Re-
daktionstisch geflogen, durch die wir in den
Besitz der ursprünglichen Anträge ge-
langten, die ans der Pariser Konferenz über
die Entwaffnung Deutschlands und die Wie-
dergutmachung zur Beratung gelangten.

Die Anträge waren wesentlich kürzer, als
sie jetzt in den Pariser Beschlüssen vorliegen.
In bezug auf die

Entwaffnung

hieß es in dem ursprünglichen Entwurf wie
folgt:

Es ist notorisch, daß Deutschland die Ent-
waffnung wie versprochen nicht durchgeführt
hat. Deshalb verlangen die Alliierten, daß sie
bis zum 1. März dieses Jahres unbedingt be-
endet sein muß.

Besonders ist darauf hinzuweisen, daß ein-
zelne Grenzfestungen im Osten heute noch stark
mit grobem Geschütz versehen sind. Das kann
sich nur gegen Polen richten. Dem muß sofort
ein Ende gemacht werden.

Ebenso ist die Entwaffnung der Selbstschutz-
organisationen, die unter der energischen Füh-
rung des Herrn Orgesch stehen, kaum in An-
griff genommen worden. Auch hier wird zur
Beendigung der Entwaffnung und Auflösung
der I. März dieses Jahres festgesetzt.

Damit kann es jedoch sein Bewenden nicht
haben. Bei der bekannten Rauflust der Deut-
schen sind die Waffen der Bevölkerung, als
Messer und Gabeln, Scheren, Hammer, Meißel,
Sägen, Äxte, Sensen, Mistgabeln und Dresch-
flegel nicht ohne Bedeutung. Auch diese Waffen

sind abzuliefern. Eine Weigerung ist mit hoher
Geld- und Gefängnisstrafe zu ahnden.

Die Sicherheitspolizei darf nur mit
Gummiknüppeln bewaffnet sein. Sie hat, los-
gelöst von allen zentralen Organisationen, sich
nur dem städtische» Dienst zu widmen. Be-
nützung von Luftfahrzeugen seitens der Polizei
ist verboten.

Verboten ist ferner die Anfertigung von
Kriegsmaterial und von Maschinen, mit denen
Kriegsmaterial erzeugt werden könnte, sowie
der Bau von Kriegs- und Luftschiffen, mit der
alleinigen Ausnahme, es geschehe im Auftrag
und unter Beaufsichtigung der Alliierten.

Deutschland verpflichtet sich, alljährlich
100000 Mann für die französische Fremden-
legion und die gleiche Zahl für die polnische
Armee zu stellen. Dies Kontingent soll aus-
schließlich zur Bekämpfung des Bolschewis-
mus dienen. Die Ausrüstung dieser Truppen
hat Deutschland zu tragen. Die Ausbildung
der Mannschaften wird in französischen Hän-
den liegen.

Es wird seitens der Alliierten eine beson-
dere Kommission gebildet, die festzustellen hat,
wo noch berechtigte Forderungen vergessen sei»
sollten. Diese werden monatlich der deutschen
Regierung mitgeteilt mit dem Auftrag, sie ohne
weitere Verhandlung sofort zu erfüllen.

* *

Was nun die

Wiedergutmachung
angeht, so war das Ganze in zwei Artikel
gefaßt und hatte folgenden Wortlaut:
Artikel 1.

Deutschland zahlt als Kriegsentschädigung
innerhalb eines Jahres 300 Mil-
liarden Goldmark, die entspre-
chend auf die einzelnen alliierten
Mächte zu verteilen sind.
Artikel 2.

Falls die Zahlung abgelehnt
werden sollte, schreiten die Alli-
ierten zur Besetzung deutschen
Gebietes bis auf 250 Kilometer
östlich des Rheins und des ge-
samten deutschen Nord- und
Ostseegebiets bis auf 200 Kilo-
meter vom Meere entfernt. Die
Besetzung erfolgt auf Kosten
Deutschlands, und zwar solange
bis die Zahlung voll erfolgt ist.

Die bislang als besetztes Ge-
biet geltenden deutschen Landes-
teile werden Frankreich als ewi-
gen Besitz zugeteilt.

Alle Barmittel, sowie das be-

weglicheund unbeweglicheEigen-

tum des Reichs, der einzelnen
Länder und seiner Bewohner
werden zugunsten der Entschä-
digungsansprüche der Alliierten
beschlagnahmt.—SämtlicheZoll-

und Steuereinnahmen Deutsch-
lands gleichfalls.

Der Eisenbahn- und Postbe-
trieb Deutschlands soll während
der Periode der Besetzung Frank-
reich überantwortet werden, dem
auch die Festsetzung der Tarife
zusieht. . * . .

Die neue Fassung über die
Wiedergutmachung ist Lloyd
George zu danken, der erklärt
hatte, daß er sofort wieder ab-
reisen würde, wenn die Forde-
rungen nicht auf ein erträgliches
Maß herabgesetzt würden.

Der Eierrvucherer

„Die (Eier könnten Sie jetzt auch um 80 Pfennig verkaufen."

„Na, dann verdiene» Sie ja dar Dreifache an einem Ei!"

„Mutz ich auch, — meine beiden Söhne sitzen wegen Schieberei Im Suchthaus

und ich mutz ihre Familien ernähren."
 
Annotationen