10168
❖ Ostern ❖
Die Glocke lockt. Der Weihrauch quillt
Aus feierlichen Kirchenpforten.
Drin hängt ein bluk'ges Kreuzesbild,
Amqualmt von frommen Lügenworken.
Wir kennen dieses Bildnis schon;
Wir lernten ja in diesen Tagen:
Kein Gottessohn, —
Die Menschheit ist ans Kreuz geschlagen.
Die Menschheit hängt in wildem Schmerz
Am Kreuz, das selber sie errichtet.
Doch geht ihr Blick nicht sternenwärts:
Die Gottheit hat der Krieg vernichtet.
Ihr Blick sucht in der Welt ringsum;
Sie windet sich in Fiebersgluten,
Sie leidet stumm.
Der Menschheit Nägelmale bluten.
Sie bleibt nicht lang das Opferlamm.
Bald wird sie von der Richtskatt steigen,
Statt weiterhin am Kreuzesstamm
Berzweiflungsvoll das Haupt zu neigen.
Wenn sich die Menschheit selbst befreit.
Wenn weithin rote Banner wehen,
Dann schweigt das Leid.
Dann gibt's ein wahres Auferstehen.
Dann wird nur wie ein böser Traum
Erinnrung leben dieser Zeiten;
Ob allen Ländern wird ein Baum
Die immergrünen Zweige breiten.
In seinem Schatten schärft sein Schwert
Der proletarische Befreier,
Der sie beschert,
Der Menschheit heil'ge Osierfeier.
Der Mahre Jacob
Osterevangelium
In zeitgemäßer Fassung
Und da der Sabbath vergangen war, kauften Maria
Magdalena und Salome Spezerei, auf daß sic kämen
und salbeten ihn.
Und sie kamen zum Grabe und sahen, daß der große
Stein vor dem Eingang verschoben war.
Aber sie wunderten sich nicht, denn sie wußten, daß
heutzutage noch ganz andere Dinge verschoben werden.
Und sie gingen hinein in das Grab und sahen einen
Jüngling sitzen, der sprach zu ihnen: „Ihr suchet Iesum
von Nazareth, aber der ist nicht hier;
„Er ist an die Entente ausgeliefert worden, die seiner
begehrte, um ihn vor ein Kriegsgericht zu stellen;
„Denn er hat sich versündiget gegen die heiligsten
Grundsätze des neuen Völkerbundes, indem er den
Menschen die aufrührerische Lehre predigte: Liebet
eure Feindei"
Und sic gingen schnell hinaus und flohen von dem
Grabe, denn es war sie Zittern und Entsetzen angc-
kommen, daß Lloyd George oder Briand erfahren könn-
ten, daß sie mit einem solchen Menschen Gemeinschaft
gepflogen hatten. Tobias
Vom Osterhasen
Die Entente verlangt auf Grund des § 34579 des
Ver'ailler Friedensvertrags, daß die nächsten zweiund-
vierzig Jahre hindurch regelmäßig zwölf Prozent der
vom deutschen Osterhasen gelegten Eier an Frankreich
und England abznliefern seien.
Der Osterhase hat darauf erklärt, daß er von jetzt ab
keine Eier mehr legen, sondern nur das sonst Übliche
von sich gebe» werde, wovon er die geforderten zwölf
Prozent der Entente^zukoinmen lassen will. Balduin
Polnischer Parlamentarismus
Der polnische Abgeordnete Marek in Lipowa erhielt
von seinen Wählern fünfundzwanzig Stockschläge, weil
er sich für die Einsetzung eines Senats, das heißt einer
Art polnischen Herrenhauses, erklärt hatte. Man wollte
ihm eigentl ch so viele Hiebe geben, wie der zukünftige
Senat Mitglieder haben soll. Da die Zahl aber noch
nicht festgestellt ist, begnügte man sich vorläufig mit
einer Anzahlung von fünfundzwanzig.
Falls der polnische Senat nun aus fünfzig Mitglie-
dern bestehen wird, liegt, die Sache für die Wühler in
Lipowa vollkommen klar: sie zählen ihrem Abgeord-
neten einfach die fehlenden fünfundzwanzig Hiebe nach-
träglich auf. Wie will man sich aber verhalten, wenn
die Zahl der Senatoren nur zwanzig beträgt? Wir
schlagen vor, daß Herrn Marek die zuviel erhaltenen
fünf in diesem Falle gutgeschrieben und bei der nächsten
Auseinandersetzung mit seinen Wählern in Anrechnung
gebracht werden. Arminius
Offener Brief
Uns geht folgendes Schreiben aus Berlin mit der
Bitte uni Veröffentlichung zu:
Nachdem in die Steicrbeschwindelungsfache Kerk-
hoff die belastenden Aktensticke uff natierlichem Weje
jeklaut sind un der Anjeklagte sich durch die Entfernung
amtlicher Siejel ooch sonst noch Linderung jeschafft hat,
beantragt die deutschnationale Fraktion, det der Fi-
nanzminister dem Kerkhoff eene effentliche Ehrener-
klärung abjeben soll.
Ick befinde mir ebentfalls in eene dementsprechende
Zwangslage. Von'n Alexandcrplatz bin ick jctürmt, de
Ware is sicher verschärft un Daumcnabdricke kann mir
keener nich Nachweisen, weil ick als icberzeigtes Mit-
jlied der deutfchnationalen Partei stets mit Hänschen
arbeete. Kriejen tun se mir nich, det is allsmal sicher,
aber ick mechte doch uff alle Fälle Iarantie haben, da-
mit ick ohne kriminelle Belästijung mein Jewerbe
wieder uffnehmen kann. Deswejen fordere ick hiermit
dem Zuftizminister uff, 'det er nur eene effentliche Ehren-
erklärung leistet. Un zwar meeglichst dalli, sonst steche
ick mir hinter Helfferich'n! Achtungsvoll
Pocksn-Emil,
zurzeit Iungfernheide, fimfte Sandkule rechts.
Die geheime nationalistische Armee
hat, wie wir aus sicherer Quelle erfahren, neuerdings
auch ein Gardekorps ausgestellt. Es fetzt sich aus der
Blüte der nationalistischen Jugend zusammen, das heißt
aus jenen Jünglingen, die durch die Veranstaltung
von Thcaterskandalen, Sprengung von Volksversamm- !
lungen, Beschmutzen «on Türdrückern und ähnlichem \
ihren Heldenmut und ihre untadelige Gesinnung be-
reits bewiesen haben.
Als Uniformabzeichen trägt sie neben dem Haken-
kreuz den alten hohenzollernfchen Gardestern. Die Be-
waffnung besteht aus Stinkbomben und Jauchespritzen.
Man hofft, mit Hilfe dieser Elitetruppe die Entente-
Heere binnen kurzem auf die Knie zu zwinge». Der
zahlenmäßigen Überlegenheit des Feindes glauben die
jungen Helden durch Anwendung der sogenannten
„Ziegenbock-Taktik" begegnen zu können, da ein
einziges Exemplar genügt, um tausend nnt empfind-
lichen Geruchsorganen begabte Lebewesen in die Flucht
zu treiben, A
Böse Folgen der Unachtsamkeit
Ein bekannter Führer der Deutschen Volks-
partei hatte neulich während eines Gesprächs in der
Wandelhalle des Preußischen Landtags mit lauten
Worten seiner monarchistischen Überzeugung Ausdruck
gegeben und wurde deshalb vor ein Parteigericht ge-
laden.
Als er erstaunt fragte, was man ihm zum Vor«ur>
mache, wurde er darauf hingewiescn, daß die Deutsche
Bolkspartei zwarim Deutschen Reiche monarchistisch bis
in die Knochen, in Preußen aber voll und ganz repn
blikanifch sei. Er dürfe daher in den Wandelhallen dc-
Reichstags unbesorgt ein begeistertes Hoch auf Wilhelm
ausbringen, im Berliner Landtag aber verstoße diese»
gegen die unwandelbaren Grundsätze der Partei.
Der Beschuldigte sah sein Unrecht ein und versprach,
von jetzt ab nie wieder in seiner deutsch-volkspartei-
licheu Überzeugungstreue wankend zu werden, sondern
sich stets seines jeweiligen Aufenthaltsortes und der da-
mit verknüpften politischen Gesinnung bewußt zu
bleiben. B
Der Steuerabzug
„Na warte, Lausbub! Jetzt sollst du ftir dein« Frech-
heit den Lohn empfangen!"
„Ja, Vater, aber vergiß nicht, die 10 Prozent davon
abzuziehen!“
❖ Ostern ❖
Die Glocke lockt. Der Weihrauch quillt
Aus feierlichen Kirchenpforten.
Drin hängt ein bluk'ges Kreuzesbild,
Amqualmt von frommen Lügenworken.
Wir kennen dieses Bildnis schon;
Wir lernten ja in diesen Tagen:
Kein Gottessohn, —
Die Menschheit ist ans Kreuz geschlagen.
Die Menschheit hängt in wildem Schmerz
Am Kreuz, das selber sie errichtet.
Doch geht ihr Blick nicht sternenwärts:
Die Gottheit hat der Krieg vernichtet.
Ihr Blick sucht in der Welt ringsum;
Sie windet sich in Fiebersgluten,
Sie leidet stumm.
Der Menschheit Nägelmale bluten.
Sie bleibt nicht lang das Opferlamm.
Bald wird sie von der Richtskatt steigen,
Statt weiterhin am Kreuzesstamm
Berzweiflungsvoll das Haupt zu neigen.
Wenn sich die Menschheit selbst befreit.
Wenn weithin rote Banner wehen,
Dann schweigt das Leid.
Dann gibt's ein wahres Auferstehen.
Dann wird nur wie ein böser Traum
Erinnrung leben dieser Zeiten;
Ob allen Ländern wird ein Baum
Die immergrünen Zweige breiten.
In seinem Schatten schärft sein Schwert
Der proletarische Befreier,
Der sie beschert,
Der Menschheit heil'ge Osierfeier.
Der Mahre Jacob
Osterevangelium
In zeitgemäßer Fassung
Und da der Sabbath vergangen war, kauften Maria
Magdalena und Salome Spezerei, auf daß sic kämen
und salbeten ihn.
Und sie kamen zum Grabe und sahen, daß der große
Stein vor dem Eingang verschoben war.
Aber sie wunderten sich nicht, denn sie wußten, daß
heutzutage noch ganz andere Dinge verschoben werden.
Und sie gingen hinein in das Grab und sahen einen
Jüngling sitzen, der sprach zu ihnen: „Ihr suchet Iesum
von Nazareth, aber der ist nicht hier;
„Er ist an die Entente ausgeliefert worden, die seiner
begehrte, um ihn vor ein Kriegsgericht zu stellen;
„Denn er hat sich versündiget gegen die heiligsten
Grundsätze des neuen Völkerbundes, indem er den
Menschen die aufrührerische Lehre predigte: Liebet
eure Feindei"
Und sic gingen schnell hinaus und flohen von dem
Grabe, denn es war sie Zittern und Entsetzen angc-
kommen, daß Lloyd George oder Briand erfahren könn-
ten, daß sie mit einem solchen Menschen Gemeinschaft
gepflogen hatten. Tobias
Vom Osterhasen
Die Entente verlangt auf Grund des § 34579 des
Ver'ailler Friedensvertrags, daß die nächsten zweiund-
vierzig Jahre hindurch regelmäßig zwölf Prozent der
vom deutschen Osterhasen gelegten Eier an Frankreich
und England abznliefern seien.
Der Osterhase hat darauf erklärt, daß er von jetzt ab
keine Eier mehr legen, sondern nur das sonst Übliche
von sich gebe» werde, wovon er die geforderten zwölf
Prozent der Entente^zukoinmen lassen will. Balduin
Polnischer Parlamentarismus
Der polnische Abgeordnete Marek in Lipowa erhielt
von seinen Wählern fünfundzwanzig Stockschläge, weil
er sich für die Einsetzung eines Senats, das heißt einer
Art polnischen Herrenhauses, erklärt hatte. Man wollte
ihm eigentl ch so viele Hiebe geben, wie der zukünftige
Senat Mitglieder haben soll. Da die Zahl aber noch
nicht festgestellt ist, begnügte man sich vorläufig mit
einer Anzahlung von fünfundzwanzig.
Falls der polnische Senat nun aus fünfzig Mitglie-
dern bestehen wird, liegt, die Sache für die Wühler in
Lipowa vollkommen klar: sie zählen ihrem Abgeord-
neten einfach die fehlenden fünfundzwanzig Hiebe nach-
träglich auf. Wie will man sich aber verhalten, wenn
die Zahl der Senatoren nur zwanzig beträgt? Wir
schlagen vor, daß Herrn Marek die zuviel erhaltenen
fünf in diesem Falle gutgeschrieben und bei der nächsten
Auseinandersetzung mit seinen Wählern in Anrechnung
gebracht werden. Arminius
Offener Brief
Uns geht folgendes Schreiben aus Berlin mit der
Bitte uni Veröffentlichung zu:
Nachdem in die Steicrbeschwindelungsfache Kerk-
hoff die belastenden Aktensticke uff natierlichem Weje
jeklaut sind un der Anjeklagte sich durch die Entfernung
amtlicher Siejel ooch sonst noch Linderung jeschafft hat,
beantragt die deutschnationale Fraktion, det der Fi-
nanzminister dem Kerkhoff eene effentliche Ehrener-
klärung abjeben soll.
Ick befinde mir ebentfalls in eene dementsprechende
Zwangslage. Von'n Alexandcrplatz bin ick jctürmt, de
Ware is sicher verschärft un Daumcnabdricke kann mir
keener nich Nachweisen, weil ick als icberzeigtes Mit-
jlied der deutfchnationalen Partei stets mit Hänschen
arbeete. Kriejen tun se mir nich, det is allsmal sicher,
aber ick mechte doch uff alle Fälle Iarantie haben, da-
mit ick ohne kriminelle Belästijung mein Jewerbe
wieder uffnehmen kann. Deswejen fordere ick hiermit
dem Zuftizminister uff, 'det er nur eene effentliche Ehren-
erklärung leistet. Un zwar meeglichst dalli, sonst steche
ick mir hinter Helfferich'n! Achtungsvoll
Pocksn-Emil,
zurzeit Iungfernheide, fimfte Sandkule rechts.
Die geheime nationalistische Armee
hat, wie wir aus sicherer Quelle erfahren, neuerdings
auch ein Gardekorps ausgestellt. Es fetzt sich aus der
Blüte der nationalistischen Jugend zusammen, das heißt
aus jenen Jünglingen, die durch die Veranstaltung
von Thcaterskandalen, Sprengung von Volksversamm- !
lungen, Beschmutzen «on Türdrückern und ähnlichem \
ihren Heldenmut und ihre untadelige Gesinnung be-
reits bewiesen haben.
Als Uniformabzeichen trägt sie neben dem Haken-
kreuz den alten hohenzollernfchen Gardestern. Die Be-
waffnung besteht aus Stinkbomben und Jauchespritzen.
Man hofft, mit Hilfe dieser Elitetruppe die Entente-
Heere binnen kurzem auf die Knie zu zwinge». Der
zahlenmäßigen Überlegenheit des Feindes glauben die
jungen Helden durch Anwendung der sogenannten
„Ziegenbock-Taktik" begegnen zu können, da ein
einziges Exemplar genügt, um tausend nnt empfind-
lichen Geruchsorganen begabte Lebewesen in die Flucht
zu treiben, A
Böse Folgen der Unachtsamkeit
Ein bekannter Führer der Deutschen Volks-
partei hatte neulich während eines Gesprächs in der
Wandelhalle des Preußischen Landtags mit lauten
Worten seiner monarchistischen Überzeugung Ausdruck
gegeben und wurde deshalb vor ein Parteigericht ge-
laden.
Als er erstaunt fragte, was man ihm zum Vor«ur>
mache, wurde er darauf hingewiescn, daß die Deutsche
Bolkspartei zwarim Deutschen Reiche monarchistisch bis
in die Knochen, in Preußen aber voll und ganz repn
blikanifch sei. Er dürfe daher in den Wandelhallen dc-
Reichstags unbesorgt ein begeistertes Hoch auf Wilhelm
ausbringen, im Berliner Landtag aber verstoße diese»
gegen die unwandelbaren Grundsätze der Partei.
Der Beschuldigte sah sein Unrecht ein und versprach,
von jetzt ab nie wieder in seiner deutsch-volkspartei-
licheu Überzeugungstreue wankend zu werden, sondern
sich stets seines jeweiligen Aufenthaltsortes und der da-
mit verknüpften politischen Gesinnung bewußt zu
bleiben. B
Der Steuerabzug
„Na warte, Lausbub! Jetzt sollst du ftir dein« Frech-
heit den Lohn empfangen!"
„Ja, Vater, aber vergiß nicht, die 10 Prozent davon
abzuziehen!“