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Zeitgemäß
„Hilfe! Räuber!"
„Wat sagfte? Räuber? So wat verbitte ick mir! Det hcetzt heutzutage
Anwendung von Sanktionen — verstehste?"
Äobelspäne
Nikita ist nun auch gestorben.
Der königliche Obergauner,
Der peinlich das Konzept verdorben
Manch monarchistischem Posauner.
Nikita, der nicht nur regierte
Als heil'ges Himmels-Instrumente,
Der auch in Aktien spekulierte
Und gründlich mehrte seine Rente.
Er war der schwarzen Berge Zar
Und schritt im Blut bis an die Waden.
Schreibt auf sein Grabmal hin: „Er war
Wie andre auch von Gottes Gnaden!"
★
Der Michel leistete gern Reparationen; nur muß man ihm Zeit lassen, damit er sich
vorher selbst reparieren kann. *
Das ist der Stinnes, der echte Etinnes!
Er steht beim Ctapcllaufe dreisten
Und ewig unverfrorenen Sinnes.
Er hat's dazu. Er kann sich's leisten.
Er taust — natürlich mit echtem Sekte,
Der ihm und seinen Mitpatriotcn
Vom Hauptquartiere immer schmeckte,
Und schimpft dabei auf die Flensburger Roten.
Er taust auf „Tirpitz" feierlich;
Wird noch ein Schiff vom Stapel laufen,
Wird er's auf Helffe- und Efcherich,
Vielleicht auf Kapp oder Hiller taufen.
Um der Futternot in Österreich abzuhelfen, hat sich die Entente 6600 Milchkühe
von deni verarmten Land ausgebeten, die dort doch nicht mehr genügend ernährt
werden können. ^
„Donnerwetter," sagte mein Freund Ede, „die Rheinische Spiegelglasfabrik zählt
fünfzig Prozent Dividende aus." „Ja", erwiderte ick, „die. haben wohl die Vexier-
spiegel geliefert, in denen die Entente unsere Zustände sieht."
Dein getreuer Säge, Schreiner
Splitter
Preußen hat 181t das Joch Frankreichs mit dem der
Hohenzollern vertauscht, heute ist es umgekehrt.
*
Diele alte Militärs schäumen vor Wut über die dem
deutschen Volk durch die Entente angetane Gewalt. Zu-
gleich aber auch darüber, daß andere als sie selbst sich
herausnchmen, das brave deutsche Volk zu kujonieren.
★
Wieviel Unritterlichkeit, Feigheit, niedrige Denkungs-
art und kindische Ruhmsucht liegt ddch in demMilitaris-
mus, der es fertigbringt, gegen Unbewaffnete, Wehr-
lose und Ausgehungerte den ganzen furchtbaren mili-
tärischen Apparat mit Echnelladekanonen, Repetier-
gewehren, Handgranaten, Panzertanks, Minenwerfern,
Gas- und Flammenwerfern aufzufahrcn und sich solches
„Siegs" über unbewaffnete Gegner womöglich noch zu
rühmen. ^
Der ganze Versailler Schwindel mit allen seinen Er-
gänzungen ist trotz seiner moralischen Verbrämung
nichts als nackte Gewalttat. Aber die Entente sucht
eifrig nach moralischen Rechtfertigungen. Sie legt Wert
darauf, in der Meinung der Völker als gerecht zu er-
scheinen. Man weiß nicht, soll man sich darüber freuen,
daß die Moral im Völkerlcben schon so stark ist, daß
sie die Gewalthaber zu solchen Verbeugungen vor ihr
zwingt, oder soll man bedauern, daß sie immer noch zu
schwach ist, um die Handlungen der Staatsmänner tat-
sächlich zu beeinflussen. ^
Die Schwierigkeit des Wiedcrgutmachungsproblems
liegt darin, einerseits dem Michel möglichst viel Blut
abzuzapfen, jedoch ohne daß der Patient stirbt, ander-
sefls darin, daß Franzosen und Engländer die Trans-
fusion dieses Blutes in den eigenen Körper nicht ver-
tragen. ^
„Gesinnungsschweine" ist der edelinännische Aus-
druck, mit dem monarchistische Reichswehroffiziere ihre
Kameraden belegen, die treu zur Republik halten. Die
Beschimpfung trifft nicht zu. Aber es gibt Leute, die
sich von der armen Republik schöne Gehälter zahlen
lassen und heimlich die Existenz ihrer Brotgeberin unter-
wühlen. Diese nennt man „Charakterschweine», bl.lt.
Marterl für Nikita von Montenegro
O Wandrer, stehe stille
Und nässe die Pupille:
Hier ruht wie eine faule Rübe
Der König aller Hammeldiebe.
Mit Kugel, Dolch, Verrat und Schläue
Stahl er die Hämmel und die Säue.
Gib ihm, o Herr, die ew'ge Ruh
Und schließe alle Ställe zu! Kali
Lieber Jacob!
De Londoner Verhandlungen sin zwar abjebrochen
un de deitsche Kommission is unverrichter Sache wieder
zu Hause jekommen, aber eenen Vorteil haben wir doch
trotzdem jehabt: nämlich det unsere Leite in Lloyd
Georgen een Musterexemplar von'n wirklich jleibijen
un frommen Menschen nüt eejenen Oogen kennen je-
lernt haben. Der Mann jetzt nicht bloß jeden Sonntag
in de Kirche, sondern er lebt ooch sonst, wie ick aus sichere
Quelle jelefen habe, nach de relijieeson Vorschriften und
hält sich sojar in seine Polletik jenau an de jebreich-
lichsten Bibelspriche. Det er sich dabei nianchmal seine
eijene Uffassung privat vorbehält, det is bei sonn selb-
ständijen Denker keen Wunder nich un det wird ihn der
liebe Iott wahrscheinlich nich weiter iebeluehmcn. Sein
Iloobe is unerschitterlich, besonders an Moses un de
Profeten jloobt er felsenfeest. Un weil in de Bibel steht:
„Laß deine linke Hand nich wissen, wat deine rechte
tut," so nimmt er mit beede, wat er kriejcn kann. Ooch
det Zebot: „Du sollst dem Ochsen, der da drischt, nicht
das Maul verbinden," beherzigt er mit strengste Je-
wiffenhaftigkeet, un während er uff de Deitfchen rum-
drischt, hält er ejal de scheensten Reden. Er sejnet de
Deitschen wie der liebe Iott in't erste Buch Moses, un
sagt: „Seid fruchtbar und mehret euch" — damit recht
ville von eich im Schweiße ihres Anjesichts for uns
schuften kennen! Un da er als frommer Mann weeß,
det Jeden selijer is als Nehmen, so jibt er uns eenen
Fußtritt nach dem andern un nimmt keene Vernunft
nich an. Ooch det mit die feirijen Kohlen is ihm janz
aus de Seele jefprochen, un so sammelt er de Kohlen,
die er de Deitschen abknappst, uff det Haupt der Frau-
zofen, die fe denn mit Profit an Holland weiter ver-
schärfen. De Entente aber ermahnt er an det Bibel-
wort, det der Mensch nich vom Brote allein lebt, son-
dern det et ooch noch Milchkiehe jibt, die man de dcit-
schen un österreichischen Seiglinge abknöppen kann, un
det et for de frommen Alliierten iebcrhaupt jut is, wenn
se leben wie de Listen uff dem Felde, denn die säen nich
un ernten nich — un der deitsche Michel ernährt ihnen
doch! Dazu is dieser nämlich durch dem Versailler Ver-
trag verpflichtet, von dem Lloyd George keenen Para-
jrafen nich rausnehmen lasten will, denn er sagt: wat
de Dummheet zusammenjesiegt hat, det soll keen ver°
ständijer Mensch nich scheiden. Un weil de Deitschen sich
seine Auslejung dieses Vertrags manchmal nich jutwil-
lig jefallen lassen wollen, weil se wissen, det se im Recht
sind, so sitzt er sich uff det Wort der Heilsten Schrift:
„Der Gerechte muß viel leiden," un läßt de Rheinhäfen
besetzen. Bloß an eenen Spruch denkt er nich, nämlich
wo et hceßt: „Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst
hinein." Aber ick hoffe zu Iott, det ihn schon de nächste
Zukunft von de Wahrheet dieser Worte sehr enerjisch
iebcrzeijen wird!
Womit ick verbleibe mit ville Zrieße Dein jetreier
Iotthilf Rauke,
an 'n Iörlitzer Bahnhof, jleich links.
Das Weimar
der arbeitenden Jugend
Niederschriften und Bilder
vom erste» Reichsjugendtag der Arbeiterjugend
Junge Arbeiter haben hier selbst geschrieben, gedichtet,
wie sie die drei Weimarer Tage selbst gestaltet haben.
Das Buch ist hübsch ausgestatlet und zu beziehen vom
Hauptvvrstand des Verbandes der Arbeiterjugend-
Vereine Deutschlands, Berlin SW 88, Lindcnstraße 3,
sowie durch alle Buchhandlungen. Preis 10 Mark ein-
schließlich Verpackung und Porto.
Zeitgemäß
„Hilfe! Räuber!"
„Wat sagfte? Räuber? So wat verbitte ick mir! Det hcetzt heutzutage
Anwendung von Sanktionen — verstehste?"
Äobelspäne
Nikita ist nun auch gestorben.
Der königliche Obergauner,
Der peinlich das Konzept verdorben
Manch monarchistischem Posauner.
Nikita, der nicht nur regierte
Als heil'ges Himmels-Instrumente,
Der auch in Aktien spekulierte
Und gründlich mehrte seine Rente.
Er war der schwarzen Berge Zar
Und schritt im Blut bis an die Waden.
Schreibt auf sein Grabmal hin: „Er war
Wie andre auch von Gottes Gnaden!"
★
Der Michel leistete gern Reparationen; nur muß man ihm Zeit lassen, damit er sich
vorher selbst reparieren kann. *
Das ist der Stinnes, der echte Etinnes!
Er steht beim Ctapcllaufe dreisten
Und ewig unverfrorenen Sinnes.
Er hat's dazu. Er kann sich's leisten.
Er taust — natürlich mit echtem Sekte,
Der ihm und seinen Mitpatriotcn
Vom Hauptquartiere immer schmeckte,
Und schimpft dabei auf die Flensburger Roten.
Er taust auf „Tirpitz" feierlich;
Wird noch ein Schiff vom Stapel laufen,
Wird er's auf Helffe- und Efcherich,
Vielleicht auf Kapp oder Hiller taufen.
Um der Futternot in Österreich abzuhelfen, hat sich die Entente 6600 Milchkühe
von deni verarmten Land ausgebeten, die dort doch nicht mehr genügend ernährt
werden können. ^
„Donnerwetter," sagte mein Freund Ede, „die Rheinische Spiegelglasfabrik zählt
fünfzig Prozent Dividende aus." „Ja", erwiderte ick, „die. haben wohl die Vexier-
spiegel geliefert, in denen die Entente unsere Zustände sieht."
Dein getreuer Säge, Schreiner
Splitter
Preußen hat 181t das Joch Frankreichs mit dem der
Hohenzollern vertauscht, heute ist es umgekehrt.
*
Diele alte Militärs schäumen vor Wut über die dem
deutschen Volk durch die Entente angetane Gewalt. Zu-
gleich aber auch darüber, daß andere als sie selbst sich
herausnchmen, das brave deutsche Volk zu kujonieren.
★
Wieviel Unritterlichkeit, Feigheit, niedrige Denkungs-
art und kindische Ruhmsucht liegt ddch in demMilitaris-
mus, der es fertigbringt, gegen Unbewaffnete, Wehr-
lose und Ausgehungerte den ganzen furchtbaren mili-
tärischen Apparat mit Echnelladekanonen, Repetier-
gewehren, Handgranaten, Panzertanks, Minenwerfern,
Gas- und Flammenwerfern aufzufahrcn und sich solches
„Siegs" über unbewaffnete Gegner womöglich noch zu
rühmen. ^
Der ganze Versailler Schwindel mit allen seinen Er-
gänzungen ist trotz seiner moralischen Verbrämung
nichts als nackte Gewalttat. Aber die Entente sucht
eifrig nach moralischen Rechtfertigungen. Sie legt Wert
darauf, in der Meinung der Völker als gerecht zu er-
scheinen. Man weiß nicht, soll man sich darüber freuen,
daß die Moral im Völkerlcben schon so stark ist, daß
sie die Gewalthaber zu solchen Verbeugungen vor ihr
zwingt, oder soll man bedauern, daß sie immer noch zu
schwach ist, um die Handlungen der Staatsmänner tat-
sächlich zu beeinflussen. ^
Die Schwierigkeit des Wiedcrgutmachungsproblems
liegt darin, einerseits dem Michel möglichst viel Blut
abzuzapfen, jedoch ohne daß der Patient stirbt, ander-
sefls darin, daß Franzosen und Engländer die Trans-
fusion dieses Blutes in den eigenen Körper nicht ver-
tragen. ^
„Gesinnungsschweine" ist der edelinännische Aus-
druck, mit dem monarchistische Reichswehroffiziere ihre
Kameraden belegen, die treu zur Republik halten. Die
Beschimpfung trifft nicht zu. Aber es gibt Leute, die
sich von der armen Republik schöne Gehälter zahlen
lassen und heimlich die Existenz ihrer Brotgeberin unter-
wühlen. Diese nennt man „Charakterschweine», bl.lt.
Marterl für Nikita von Montenegro
O Wandrer, stehe stille
Und nässe die Pupille:
Hier ruht wie eine faule Rübe
Der König aller Hammeldiebe.
Mit Kugel, Dolch, Verrat und Schläue
Stahl er die Hämmel und die Säue.
Gib ihm, o Herr, die ew'ge Ruh
Und schließe alle Ställe zu! Kali
Lieber Jacob!
De Londoner Verhandlungen sin zwar abjebrochen
un de deitsche Kommission is unverrichter Sache wieder
zu Hause jekommen, aber eenen Vorteil haben wir doch
trotzdem jehabt: nämlich det unsere Leite in Lloyd
Georgen een Musterexemplar von'n wirklich jleibijen
un frommen Menschen nüt eejenen Oogen kennen je-
lernt haben. Der Mann jetzt nicht bloß jeden Sonntag
in de Kirche, sondern er lebt ooch sonst, wie ick aus sichere
Quelle jelefen habe, nach de relijieeson Vorschriften und
hält sich sojar in seine Polletik jenau an de jebreich-
lichsten Bibelspriche. Det er sich dabei nianchmal seine
eijene Uffassung privat vorbehält, det is bei sonn selb-
ständijen Denker keen Wunder nich un det wird ihn der
liebe Iott wahrscheinlich nich weiter iebeluehmcn. Sein
Iloobe is unerschitterlich, besonders an Moses un de
Profeten jloobt er felsenfeest. Un weil in de Bibel steht:
„Laß deine linke Hand nich wissen, wat deine rechte
tut," so nimmt er mit beede, wat er kriejcn kann. Ooch
det Zebot: „Du sollst dem Ochsen, der da drischt, nicht
das Maul verbinden," beherzigt er mit strengste Je-
wiffenhaftigkeet, un während er uff de Deitfchen rum-
drischt, hält er ejal de scheensten Reden. Er sejnet de
Deitschen wie der liebe Iott in't erste Buch Moses, un
sagt: „Seid fruchtbar und mehret euch" — damit recht
ville von eich im Schweiße ihres Anjesichts for uns
schuften kennen! Un da er als frommer Mann weeß,
det Jeden selijer is als Nehmen, so jibt er uns eenen
Fußtritt nach dem andern un nimmt keene Vernunft
nich an. Ooch det mit die feirijen Kohlen is ihm janz
aus de Seele jefprochen, un so sammelt er de Kohlen,
die er de Deitschen abknappst, uff det Haupt der Frau-
zofen, die fe denn mit Profit an Holland weiter ver-
schärfen. De Entente aber ermahnt er an det Bibel-
wort, det der Mensch nich vom Brote allein lebt, son-
dern det et ooch noch Milchkiehe jibt, die man de dcit-
schen un österreichischen Seiglinge abknöppen kann, un
det et for de frommen Alliierten iebcrhaupt jut is, wenn
se leben wie de Listen uff dem Felde, denn die säen nich
un ernten nich — un der deitsche Michel ernährt ihnen
doch! Dazu is dieser nämlich durch dem Versailler Ver-
trag verpflichtet, von dem Lloyd George keenen Para-
jrafen nich rausnehmen lasten will, denn er sagt: wat
de Dummheet zusammenjesiegt hat, det soll keen ver°
ständijer Mensch nich scheiden. Un weil de Deitschen sich
seine Auslejung dieses Vertrags manchmal nich jutwil-
lig jefallen lassen wollen, weil se wissen, det se im Recht
sind, so sitzt er sich uff det Wort der Heilsten Schrift:
„Der Gerechte muß viel leiden," un läßt de Rheinhäfen
besetzen. Bloß an eenen Spruch denkt er nich, nämlich
wo et hceßt: „Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst
hinein." Aber ick hoffe zu Iott, det ihn schon de nächste
Zukunft von de Wahrheet dieser Worte sehr enerjisch
iebcrzeijen wird!
Womit ick verbleibe mit ville Zrieße Dein jetreier
Iotthilf Rauke,
an 'n Iörlitzer Bahnhof, jleich links.
Das Weimar
der arbeitenden Jugend
Niederschriften und Bilder
vom erste» Reichsjugendtag der Arbeiterjugend
Junge Arbeiter haben hier selbst geschrieben, gedichtet,
wie sie die drei Weimarer Tage selbst gestaltet haben.
Das Buch ist hübsch ausgestatlet und zu beziehen vom
Hauptvvrstand des Verbandes der Arbeiterjugend-
Vereine Deutschlands, Berlin SW 88, Lindcnstraße 3,
sowie durch alle Buchhandlungen. Preis 10 Mark ein-
schließlich Verpackung und Porto.