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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 38.1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.6706#0071
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10197 .

Der einzige Erfolg

Durch den Kommunisten-Putsch haben WIR wieder Wasser
auf die Mühle bekommen.

Lobelfpäne

„Kaiserlich" und „Königlich"

Steht noch allerorten.

Weil es einst der Maler strich
An Regierungspforten.

Längst die Monarchie zerrann;
Doch dies steht noch weiter.
Glücklich sichr's der Bürgersmann,
Und er lächelt heiter.

Ja, es ist der heil'ge Brauch
Doch noch nicht entschwunden.
Nächstens findet inan es auch
Über den — Rotunden.

*

Nach dem Pfingst-Eoangelium kam über die Menschen der Heilige Geist
einer Taube. Sollte es nicht eine — Ente gewesen sein?

*

in Gestalt

gu mitternächt'ger Stunde kroch
Karl Habsburg ans dem Mauseloch.
Er liebte stets die Wege iin Dunkeln,
Er liebte stets das heimliche Munkeln.

Die rote Katze Demokratie
Erwischte den Mäuserich, daß er schrie.

Anstatt zu fröhlichem Festestanze,

Entlief er mit eingezogenem Schwänze.

Karl Habsburg kriecht ins Mauseloch,

Worin schon manch Kollege kroch —

Die rote demokratische Katze
Droht ihm mit hocherhobener Tatze.

■k

Neben der bekannten rätselvollen ägyptischen Sphinx gibt es jetzt noch eine viel
rätselvollere: die amerikanische Sphinx. ^

Beim Pfingstkaffee mit Luftknchen fragte meine Aujuste, ob die ersten Christen
richtige Kommunisten jewesen seien. „Bewahre," sagte ick. „Sie nahmen ja keine Be-
fehle von Moskau entgegen!" Dein getreuer Säge, Schreiner

Die große Wäsche

Madame Deutschnational hat große Wäsche. Eigent-
lich sollte sie in den Hinterzimmern bei zugezogcnen
Gardinen erledigt werden; aber wie verärgertes Dienst-
personal so ist: es geht vor die Haustür. Erstaunt blei-
ben die Passanten stehen. Wie, diese olle, ehrliche, rein-
liche Madame hat solche Hemden?! Diese saubere,
peinliche Hausfrau trägt Unterröcke, an deren Saum
der dicke Dreck der Straße klebt?! Ihre Taschentücher
starren von Schnupftabak, in ihren Sl rümpfen klaffen
faustgroße Löcher und ihre — entschuldigen Sie — ihre
Unterhosen sehen aus wie abgeschnittene Khakibeinklei-
der mit Fransen?! Und nun gar die Bettlaken, sehen
Sie nur — oh, oh, oh!...

Dem Publikum stehen die Haare zu Berge. Aber
diese reputierliche Dame mit dem „von" vor dem Na.
men hat uns doch soviel von Ordnung, Sauberkeit,
Moral erzählt?!

Da tritt Madame Deutschnational in Seide aus dem
Hause, einen Hut mit Straußenfedern auf dem Kopf,
führt das Lorgnon an die Äugen und fragt herab-
lassend: „Liebe Leute, warum haltet ihr euch denn die
Nasen zu?"

„Well es stinkt, gnädige Frau."

„So? Ich rieche nichts."

k

Und hochaufgerichtet schritt sie von dannen, um im
Hansfrauenverein einen Vortrag über die „Verwahr-
losung unserer heutigen Weiblichkeit» zu halten.



Erst wenn.. .

Der französische Senat or Albert erklärte: erst
wenn Polen durch den Besitz von Oberschlesien die
deutsche Oderlinie beherrscht, ist der Friede Europas
gesichert.

Die Kommunisten erklären: erst wenn alle Mit-
glieder der V. K. P. D. und K. A. P. bewaffnet sind, wird
die deutsche Bevölkerung Ruhe haben.

Klamotten-Edc aus Plötzensee erklärt: erst wenn
sämtliche Polypen un Staatsanwälte beseitigt sin, ja-
rantiere ick uff Ehrenwort, del ick kecnen Znbruch nie
mehr verleben werde. Balduin

Lieber Jacob!

Als der Reichsminister des Auswärtigen Or. Simons
von dem erfolglosen Gang nach London wieder zurück-
kehrte, hatten sich auf dem Potsdamer Platz große
Scharen nationalistischer Jünglinge angesammelt, dje
begeistert und unentwegt hurra schrieen. Ich fing mir
einen und fragte ihn, ob seiner Meinung nach jetzt be-
sonderer Grund zum Jubeln sei. „Das gerade nicht,"
sagte der Iüngl'ng. „Aber wenn man so lange nicht
begeistert sein durfte, kommt es auf den Grund schon
nicht mehr an_"

k

In Stuttgart werden die — na, sagen wir mal: die
menschlichen Abfälle zum Teil noch von der sogenann-
ten Stadtartillerie, auch pneumatische Entleerungskom-
mission genannt, aus den Abtrittgruben gepumpt Die
neue Besitzerin der Billa Spätzle. Schiebersgattin und
Kriegsgewinnlerin, fuhr neulich erschreckt zurück, als
sie das Fenster öffnete. „Pfui, wie ekelhaft!" flötete sie
erzürnt. „Kann scho sei," antwortete der städtische Ar-
tillerist. „Des ischt au net mei Fabrikat, sondern Jhrs!"
Worauf das Fenster schmetternd zufiel. E.

A

Lieber Jacob!

„Also wo mach ma zu Pfingsten hin?" fragte mir
meine Olle, wie ick jestern nach Feierabend mir in
meinen Familjenschoß versammelt hatte.

„Wohin de willst," entjejente ick. ihr, „aber ieber-
leje dir de finanziellen Foljen. Det mit for'n Iro-
schen nach'» Irunewald is nich mehr, 'ne neiuköppije
Familje erfordert heitzudaje 'n Fahrjeld von minde-
stens achtzehn Märker hin un retuhr. Allens andere
kommt extra."

„Aber in Irunewald is doch so schecne in de Frieh-
lingszeit," schwärmte mcinckZweetälteste un kielte ihren
Bräutijam Orje, der bei de Reichswehr steht, liebevoll
in de Kulpsen, „da seht ma» de Natur ieberall von
vorne!"

„Jewiß," bestätigte icke, „aber »ff Orje'n seine Mit-
Wirkung wirste woll verzichten missen. Nach Geßlern
seinen »eisten Uquatsch derfen Milletürpersonen keenen

polliteschen Umjang nich flejen. Ick bin aber eene be-
kannte pollitesche Perseenlichkeet, also is et ihm nich je-
stattet, sich in meene effentlicheJesellschaft zu bewejen."
„Denn bleiben wir lieber janz zu Hause," brummeltc
det Liebespaar.

„Aber icke", warfmcineOlle in, „mechle doch endlich
mal wieder an de Luft kommen!" „Det haste dir ooch
jewissermaßen verdient," flichtete ick bei, „aber erwäje
jefälligst de Foljen! Bei deine oojenblicklichen tempe-
ramentvollen Verdauungsverhältnisse mußte durch-
schnittlich jede Stunde '» jewissen Ort uffsuchen. Der
Verkehr in de effentlichen Bedirfnisanstalten is aber
heitzudaje nich ohne Iefahr. De Berliner Kommunisten
haben '» schärfet Ooge uff diese Luxusstättcn der buc-
schoasen Schlemmerei un Verweichlichung. In jede kann
'ne Höllenmaschine verstochen sind, un du riskierst dein
Leben Denke an de Holtzendorsf-Bricke!" Meine Olle
iebcrrieselte von Schauder, un ooch sie verstummte
hörbar.

„Och, Vater", bettelten nu de vier Kleenen, „wir
hatten uns schon so jefreut jehabt, an de Krumme Lanke
Abendrot zu essen. Lehmanns Justav sagt, det Wasser
riecht jetz wieder so scheene nach Bulljong." „Aus patrio-
tesche Irllnde nich zu machen!" enschied ick katesorisch,
„ieberall wimmern de Ententespione rummer, un wenn
se wo eenen Becliner'neMarjarinestulle präpeln sehen,
wird et sofort nach Paris jefunkt un de siegreichen Heere
derAllijierten besetzen een weiteres Stück Rheinprovinz.
Wollt ihr et mit eire sträfliche Iennhsucht noch so weit
treiben, bis de Franzosen hier in Berlin inricken un
unsere Frauen un Jungfrauen von de schwarze Schmach
erdrickt werden?" „Also wat wird denn nu?" fragte
meine Olle. „Nischt wird!" schloß ick dem Familjenryt,
„wir bleiben Pfingsten zu Hause. Mein Haus is meine
Burg, in meinen Lokus werden keene Bomben nich je-
legt, meine vier Treppen kann jeder ohue Umsteijebilljet
umsonst rnffkletter», de Luft is hier ebentso wohlriechend
wie an de Krumme Lanke, Orje hat keenen dienstlichen
Alibi zu besirchten, un durch unser Festmahl werden
internationale Verwickelungen nich erregt werden!"
Un dabei is et nn ooch jeblieben un wir werden uns
de Feiecdaje in unsere Privatjemächer zurickziehen.

Womit ick verbleibe mit ville Irieße Dein >elceier
Jotthilf Rauke,
an 'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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