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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 38.1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.6706#0081
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10207 . •

Zwei Vaterländer

Lloyd George: Haben Sie sich auch reiflich überlegt, welchen Schaden Eie
durch den Streik für England anrichten?

Die Arbeiter: Das kommt darauf an, welches England Sie meinen, das
der Kohlengrubcnbesitzer oder das der Arbeiter?

Lobelspäne

Wer will unter Kommunisten,

Der muß haben ein Gewehr,

Daß er in der Hölz-Gard sten-
Reihe stramm marfchier' einher!

Wer will unter Kommunisten,

Hab' ein sanftes Naturell,

Untertan den Terroristen —

Und dazu ein dickes Fell.

Und auch Flügel muß er kriegen.

Denn es sieht ein jedes Kind:

Levy, Geyer, Klara „fliegen",

Wenn sie auch nicht — Engel sind.

*

„Volkesstimme ist Gottesstimme", sagt die Entente. „Aber in Oberschiesten nur.
soweit sie gegen Deutschland stimmte.»

Der wackre pommers che „Neichslandbund"

Besteht aus echtpreußischen Christen.

Man haßt dort — und nicht ohne Grund —

Die bösen Sozialisten.

Doch, geht es an das Portemonnaie,

Läßt man das Hassen bleiben:

Er läßt sich jetzt — o jemine! —

Zehntausend Russen verschreiben.

Es sind zwar Bolschewisten; allein
Sie sollen in kommenden Sommern
Die Lohne drücken! Drum rust sie herein
Das fromme agrarische Pommern.

■k

Kahr bekam vom Papst eine silberne Medaille — wahrscheinlich mit der Inschrift
„Selig sind die Friedfertigen».

•k

„In Sachsen haben sie die Henkersmahlzeit abgeschafft", las meine Aujuste empört.
„Ick finde, die hellen Sachsen sollten lieber die Henker abschaffen," setzte ick hinzu.

Dein getreuer Säge, Schreiner


Die Goldmilliarde

Und es sprach der Geldschrankknacker:
Michel, her mit deinem Gold,

Oder dieser Knüttel zollt
Dir die Zinsen, trotz'ger Racker!

Wenn dein allerletzter Dreier
Erst den Weg zu mir gewann,

Mensch, denkst du mit Freuden an
Deinen kräftigen Befreier.

Raub? Nanu! Sieh, was dir frommt;
Geld bringt allzu leicht Gefahren.

Und ich will's doch nnr bewahren,

Das? es nicht abhanden kommt.

Splitter

In den deutschen Geschichtsbüchern ist immer ein
langes und breites davon die Rede, was die Hohcn-
zollern alles „für Deutschland" getan haben. Solche
Darstellung muß als einseitig abgelehnt werden. Eine
erschöpfende Behandlung könnte nur herauskommen,
wenn der Gegenstand künftig nach diesen vier Gesichts-
punkten betrachtet würde:

1. Was die Hohenzollern für sich getan haben.

2. Was die Hohenzollern Gutes für Deutschland ge-
tan haben.

3. Was dis Hohenzollern Böses für Deutschland ge-
tan haben.

i. Was die Hohenzollern für Deutschland unter-
lasscn haben. ^

Wenn es uns schlecht geht, berichten unsere Blätter
immer von vereinzelten ausländischen „Stimmen", die
ihrer Regierung die Meinung sagen, die Gewaltpolitik
der Entente verdammen und Mitleid mit uns beweisen.
Es ist nur schade, daß diesen „Stimmen" im europäi-
schen Konzert höchstens die Partien des Piccolo und der
Flöte zufallen, während Haß und Rachsucht die Tuba
und das Bombardon blasen.

k

Als der Landesvorsitzende der bayrischen Königs-
partei den französischen General de Retz um Unter,
stützungsgeldcr anpumpte und dabei die bescheidene
Summe von 25000 Mark nannte, fiel selbst dein Fran-

zosen die lächerliche Geringfügigkeit der Summe auf;
er bot Millionen an. Hier bewahrheitete sich wieder
einmal das Sprichwort, daß nur die Lumpen beschei-
den sind. ^

Wenn ich Geld hätte, wie nicht, so wäre ich wahr-
haftig imstande, den Patrioten der bayrischen Königs-
partei die 25000 Mark aus eigener Tasche zu zahlen,
bloß um ihnen die Schmach zu ersparen, Landesfeinde
darum anbetteln zu müssen. Pantraz Bittermaul

Lieber Wahrer Jacob!

Kobes aus Köln kommt in Berlin an. Schon will er
den Bahnhof verlassen, da überfällt ihn ein innerer
Drang. Eilig springt er von einem stille» Ort zum
andern, doch überall lächelt ihn das Schildchen an:
„Besetzt!" Da seufzt er resigniert: „Ech wußte nit, daß
die Englischmens och schon Berlin besetzt Hanl" Kali
k

Der fünfjährige Hansel hat von seiner Mutter Strafe
bekommen. Heulend sitzt er hinterm Ofen und brütet
Rache. Endlich scheint er das Richtige gefunden zu haben.
Breitbeinig stellt er sich vor die Mutter, und ernst kommt
es aus seinem Munde: „Mama, ich laß mich von dir
scheiden!" ^

Der Herr Schulrat hält Hauptcevision. Eben ist
„Deutsch», und der Herr Rat hat das Thema „Mir —
mich!" gestellt. Rach nötiger Erklärung verlangt der
Lehrer Beispiele. Mit zur Decke gerichteten Augen den-
ken alle nach. Da — zögernd, ruckweise hebt sich ein
Finger. Der Lehrer atmet auf: „Ra, Franz, du hast
nachgedacht, sag's!" Und etwas verlegen antwortet die-
ser: „Der Moritz hat—vor mich — eben—schlechte Luft
gelassen. — K.M.

Lieber Jacob!

Letzten Mittwoch, wie ick aus de Fabricke komme, be-
jegne ick meinen Fremd Edeward, piekfein in Braten-
stipper un Jipsverband. „Menschenskind, Edeward,"
rufe ick, „du fehst ja beinahe aus wie'» Herr! Arbeetste
denn nich mehr in de Knorr-Bremse?" „Det is längst
alle," erwidert er mit eene wegwerfende Handbewejung,.
„ick bremse jetz in Sittlichkeet." „Wat soll det Heeßen?"

frage ick. „Det soll Heeßen, det ich als jewerbsmäßijer
Belastungszeige bei't Pollezeipräsidijnm anjestellt bin.»
„Det verstehe ick noch immer nich," jlotze ick ihm an.
„Ra weeßte denn nich," klärt er mir uff, „wer der Pro-
feffor Brunner is?" „Jawoll," sage ick, „det is der be-
riehmte pollezeiliche Sirtlichkeetsfchniffler " „Ra also!"
bestätigte Edeward, „weil er aber alleene mit det
Schlüsseln nich zurechtkommt, hat er sich eenen Ieneral-
stab von jesund emfindende Menschen zujelegt, der
ihm unterstitzen muß. Mir schickt er jede Woche zwee-
mal ins Theater bei unsittliche Uffiehrungen, un ick
habe dort die Uffjäbc, dem jecichtlich verlangten mora-
leschen Anstoß zu nehmen."

„Na verstehste denn die Arbeet?" fragte ick zweifelnd.

„De erste Zeit," meente Edeward, „fand ick mir aller-
dings in de hehere Erotik noch nich janz zurecht, aber
allmählich belernt man sich. Det Schwerste is anfangs
det mit det anjeborene norinale Enisinden, aber det
wird verlangt, un wenn de det erst raus hast, denn jeht
det andere janz von selber. Du brauchst denn bloß
immer bei die Schweinereien, die dir am »leisten ami-
sieren, dein jekränktet Schamgefiehl feststellen. Un det
schiebe ick jetz janz jroßartig, ick werde bald Vorarbeeter
werden." „Hm," eißerte ick bedenklich, ,,'n Schwein
warstc ja schon immer." „Det allemal," bestätigte Edc-
ward mit Stolz, „aber et half mir nischt, ick konnte et
frieher nich verwerten, un jetz lebe ick von." „Haste
denn sonne juteil Einnahmen bei?" fragte ick. „Festet
Fixum un Tantiemen extra!" sagte Edeward. „Wat
denn for Tantiemen?" forschte ick weiter. „Ra, sonne
Art Iewinnbcteilijung, Prozente von jede Schweinerei,
Entschüdijung for alle verletzten Ärjernisse, un denn de
Ieigenjebiehren. Mensch, Iotthilf, ick sage dir, det is
een Leben wie in'n Himmel! Du sitzst abends ejal in
Jala uff'n Parkettfotölj, hascht nischt zu tun wie An-
stoß zu nehmen, un kommst aus det Lachen janich raus!
Ick habe mir schon 'n jroßen Leisteiibruch anjewichert."

„Na, denn wirste woll bald Jeheimrat werden, ick
jratuliere dir schon janz erjebenst im voraus un, bitte,
lasse dir drirch mir nich länger in deine jlorreichc Kar-
riöre uffhalten!" — Damit emfahl ick mir schleinigst
un schlug mir seitwärts in de Iebifche.

Womit ick verbleibe nlit ville Jrieße Dein jetreicr
Iotthilf Rauke,
an 'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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