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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 38.1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.6706#0224
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10350 —

Ich weiß sehr wohl, daß ihr's nur wißt.
Was alles heut' im Zuge ist.

Von Schiebern darf ich ganze Scharen
Samt Kapital ins Ausland fahren.

Der da verteuert Fleisch und Korn,

Der holt sich Briefe aus Laus Doorn,

Das alles also soll ich fahren

And soll's vor Schaden treu bewahren.

Doch weiß ich auch, daß ihr's nur wißt.
Was außerdem im Zuge ist.

Die andern auch und ihre Zeit
Sie fahren mit und sind bereit.

Sie fahre» in die weite Welt,

Die harter Lände Fleiß bestellt.

Doch Lerrenhand und Arbeitshand
Sind nie und nimmer sich verwandt!

Schlägt Arbeitshand in Arbeitshand,

Ist alle Not der Welt gewandt!

So laß denn sicher, Kamerad,

Die Arbeitehand am Lebet liegen,

And laß an deinem Kesselstand
Der Flammen rote Fahnen fliegen!

And achte mir der Streckenzeichen —

Wir wollen ohn' Fährnis das Ziel erreichen! w.

Diplomatische Dole

Mit Oberschlesien wollen wir es also halten:
CeilssollcsPolen,tei!ssollesDcut$chland verwalten.
Und bekommen die beiden Krämpfe in ihren
Stummeln,

Dann wird Japan mit uns die Sache'befummeln,
hier dürfen nämlich nur Sachverständige schlichten,
Und das sind wenigstens die Deutschen mitnichten.
Mir aber verachten sämtliche Ungerechtigkeiten
Und wolle» sämtliche Oölker auf den UJeg der Güte
leiten,

Wie wir uns denn überhaupt bestreben voll Edelmut,
Dass auch die neue Grenze keinem zu wehe tut.
Darum haben wir nicht die geringste Eile-bewahre!
Wir verteilen die Operation auf fünfzehn Jahre,
stanz bedächtig graben wir Oberschlesiens strab.
Wir hacken dem Hündchen das Schwänzchen stück-
weis ab.

ln aller Gemächlichkeit schnurrt zusammen der
Henkerstrang.

stenehmigen Sie den Ausdruck u.s.w. Briand.

Geschichten aus Genf

Das Kauderwelsch

„Caracamuco naturalmente sing-ha-li-taipe
bimba bambo jusque la wielmoszne moszczi
respeitarel respublica Alemanha - Pologna-
Haute-Silesia goddam psa krew et le boche
payera tout comprimentos . . .“

„Um's Himmelswillen, hören Sie auf! Was
verzapfen Sie da für ein Kauderwelsch?"

„Das? Das ist das japanisch-liberianisch-
peruanisch-siamesisch-polnisch-niearaguanische
Gutachten über Oberschlesien!"

Brav gearbeitet

Als der Marquis X. eines Tages vom Lunch
kam, trat sein Sekretär vor ihn, wies das ge-
wissenhaft geführte Journal vor und sagte:

„Exzellenz belieben Einsicht zu nehmen: 23
Golfpartien, 53 Repräsentationsdiners und
19 Schneiderproben — was soll ich unserer
Regierung kabeln?"

„Melden Sie, daß sich die Teilung Ober-
schlesiens als notwendig erwiesen hat!"

Diplomatenweisheit

Teilnehmer der Genfer Konferenz kamen auf
einem Gang durch die Stadt an einem Neu-
bau vorbei. Sie bemerkten einen Mann, der
einen Haufen Steine sich auf die Schulter ge-
laden hatte und unter der Last stöhnte und
seufzte. Als er eine Leiter erklimmen wollte,
erwies es sich, daß er sich übernommen hatte.

Einer der Herren trat vor: „Ich will Jhnerr
einen guten Rat geben, mein Lieber! Lassen
Sie sich den Magen, den rechten Lungenflügel
und das linke Bein wegoperieren, dann wer-
den Sie besser zum Ziel kommen!"

Der Arbeiter äußerte etwas, das ins Deutsche
übersetzt soviel wie blödsinniger Affe bedeutete.

Mißbilligend schüttelte der Diplomat den
Kopf:- „Sonderbar! Sie scheinen mit dem Gut-
achten über Oberschlesien noch nicht recht ver-
traut zu fein, guter Mann!" w.

Die Kundigen

Es war nach der Schlußsitzung der glor-
reichen Genfer Konferenz. Die Herren traten
auf die Terrasse und ließen den kühlen Wind
vom Genfer See um die heißen Köpfe wehen.
Man' hatte heiß und angestrengt gearbeitet

und begab sich zum Büfett, um sich zu stärken.
„Sagen Sie mal, Herr Kollege," fragte da
der brasilianische Völkerbundsvertreter den
Chinesen, „wo liegt eigentlich dies ver-
dammte. Oberschlesien, das uns soviel
Arbeit verschafft hat??"

Das Nächste

Ein Interviewer fragte Briand, ob die Zer-
stückelung Deutschlands nun beendet sei. „I
bewahre," schrie dieser. „Ganz in der Nähe
von Berlin gibt es, wie ich erfahren habe,
noch ein armes Volk, das unter der deutschen
Knute seufzt und das wir schleunigst erlösen
und — ob mit oder ohne Abstimmung — unter
den Schutz des Völkerbundes stellen müssen."
„Nicht möglich," fragte der Interviewer. „Wie
heißt dies Volk?" Briand suchte in seinen
Akten: „Es wohnt im Spreewald und es ist
das Volk der Ammen!" E.

Mondfinsternis

Am 16. Oktober, dem Tage der Berliner Ge-
meindewahl, verdunkelte sich kurz nach Bekannt-
werden des Wahlresultats der Mond. „Er ver-
hüllt sein Antlitz," sagten die Sozis, „weil es
so viel Mondkälber gibt." Die Monarchisten
aber behaupteten, so- etwas könne nur unter
einer republikanischen Regierung passieren.
Wirth habe wieder keine Abwehrmaßnahmen
getroffen; nur eine monarchistische Regierung
'sei imstande, den dauernden Verlust des Mond-
lichtes zu verhindern. Sie telegraphierten an
Luderrdorff, der sich bereit erklärte, die strate-
gischen Pläne gegen den Mann im Monde
auszuarbeiten, sobald er Oberschlesien zurück-
erobert habe. p-
 
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