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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 38.1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.6706#0245
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10371

Äobelspäne

Eiapopeia, die Glocke tönt
Empor zum Weihnachtshimmel,

Doch die Klage der Menschheit stöhnt
Durch das fromme Gebimmel,

Eiapopeia, es stört den Christ
Nicht beiin Profit das Gewissen.

Die aufgehetzte Menschheit ist
Wild ineinandergebissen.

Eiapopeia, sie steht verzerrt
Mit Verzweiflungsgebärden —.

Eiapopeia, das Pfäfflein plärrt:

„Friede, Friede auf Erden • .



Das Reichsfinanzministerium hat angeordnet, daß am Weihnachts-
abend unterm Reichstannenbaum das schöne Lied: „O du lieber Augustin,
alles ist weg", gesungen werden soll,

i<

Es ist eine schlimme, drückende Zeit,

Nirgends ist rechter Mut da.

Das Essen schmeckt nicht, der Schlaf ist gefloh»,

Bon wegen unsrer Valuta,

Die klügsten Köpfe mühen sich.

Um einen Ausweg zu finden.

Sie grübeln heftig. Indessen bleibt
Die Mark noch weiter im Schwinden,

Und wenn sie erst gestorben ist,

Helfen beim besten Willen
Alle klugen Arzte nicht mehr
Und nicht Mixturen und Pillen,

*

Großbauer Bachmann hört, daß manche schon die Todesstrafe für
Wucher verlangen, „Ach was," sagt der Agrarier, „daraus wird nichts,
sie können doch nicht den ganzen Bauernstand ausrotten!"

Dein getreuer Säge, Schreiner,

Der organisierte Bandendiebstahl

Was in Berlin vor kurzem ist paffiert,

Vas auszumalen fehlen mir die Worte!
Geplündert hat man! Bandenmäßig! Ungeniert! -
Wo war die-grüns Polizeikohorte?

Nreuzkuckuckhimmelbombenelement!

Vas wird bei uns fürwahr ja immer netter!
Wohin, ich frage, treiben wir am Lnd'

Durch so ein Beispiel?! himmeldonnerwetter!

Wohin?! wenn das, was ich und du und der
Und alle braven arbeitsamen Leute
Sich angeschafft in treuer Arbeit schwer,
Drganisiertem Uaube fällt zur Beute!

Vas ist denn doch — Areuzhimmeldonnerschlag!,,,
Fa, wie ,,, ? Ihr meint, ich mein' die Arbeitslosen ?
Ach nein, ach nein! Ich sprech' vom Fobberpack,
Den Börsengaunern, die mich so erbosen! w.

Neue Bayern-Lymne

Es braust ein Ruf wie Donnerhalh
Wie Maßgeklirr beim Faschingeball,
Stramm steht die hohe Polizei.

Loch, König Ruprecht! Eins, zwei, drei.
Gsuffa!

Ja, Ruprecht, das ist unser Mann,

Der alles und noch einiges kann.

Bald krönt man ihn im Lofbräuhaus.
Lerr Nachbar, trinken Sie mal aus!
Gsuffa!

Blau weiß naht dann der Völkerlenz
Und Miesbach wird dann Residenz.

Der Radi sinkt sofort im Preis.

Er stiftet Starkbier strömeweis
Gsuffa!

Die Teuerung hat dann ein End',

Ein Ende auch das Parlament,
Saupreußen auch in jedem Falle.

Nur wir, wir werden niemals alle, , ,
Gsuffa!

Komm, Zenzi, füll die Maß noch mal:
Der Ruprecht wird Prinz Karneval.

Die Stahlhelmleute ziehn herbei
Mit Lakenkreuzen eins, zwei, drei,
Gsuffa! e.

Lieber Jacob!

Et hat allens nischt jeholfen, se haben Schnitz-
lern seinen „Reijen" jerichtlich freijesprochen,
un der Professor Brunner von't Pollezeiprä-
sidium kann jeden Abend in't Theater jehen
un seine zarte Seele mit sittliche Entristung
stärken, Ooch wird in christlich-jottesfirchter-
liche Kreise nu wieder een jreeßerer Umsatz in
Stinkbomben stattfinden. For uns'andere, wat
man det Volk nennt, is der janze Prozeß sehr
bildend jewesen, un wer jut uffjepaßt hat un
de staatsanwaltlichen Sachverständijen richtig
verstand, der wird jetz nich umhin kennen, eene
starke Zunahme seiner Keischheit feststellen zu
missen.

Icke selber habe mir dabei ertappt, det ick
ooch schon sachteken anfing, an'n Storch zu
jlooben, un et war bloß de Schuld meiner
Ollen, det se mir wieder uff eenen anderwei
tijen Standpunkt verleitet hat. Besonders zu
Herzen war mich der Ausspruch der Zentrums-
abjeorntin Tausch jejangen, die det sachver
ständije Urteil abjab, der Jeschlechtsverkehr
derfe nich aus sinnliche Motive ausjeiebt wer
den. Jck weeß nich, wat sor sachverständije Er-
fahrungen det Mächen uff dieset Jebiet jesam
melt hat, aber ick wäre ihr sehr dankbar, wenn

se mir det nach ihre Methode mal vormachen
mechte. Denn ooch een Mann in vorjerickte
Jahre soll keene Jelejenheet nich verseimen,
um war zuzulernen. Da ick vermutete, det man
ieber diesen springenden Punkt vielleicht in't
Pollezeipräsidium Uffklärung erhalten kenne,
habe ick mir neulich uff'n Alexanderplatz be
jeben un nach det Büro for Unsittlichkeetsfleje
jefragt.

Der Beancke, dem ick uff dem Jang traf,
begriff nich, wat ick meente, aber als ick
ihm sagte, ick will zu de amtliche Stelle, wo
de Schweinereien verwaltet werden, entjejente
er: „Aha, Se wollen zu Brunnern? Der is
jetz nich zu sprechen, er hält oogenblicklich eenen
ufsklärenden Vortrag ieber de unbefleckten Emp
sängnisse mit Lichtbilder, Aber wenn Se Bil
lette haben wollen" — un dabei kniff er een
Ooge zu un feixte mir vielversprechend an —
„wir haben zu heite abend noch 'n scheenen
Eckplatz for eenen Nackttanz in't Bayrische
Viertel, vorderste Reihe, allens zu sehen, tip
top!" „Wat kost'n det?" fragte ick. „Janischt,"
gab der Beamte zur Antwort, „is Dienstkarte
for't Pollezeipräsidium, Se inissen hier bloß
dieset Formular unterschreiben, det Se den
vorjeschriebenen sittlichen Anstoß zu nehmen
fest entschlossen sind."

Det konnte ick nu nich, denn erstens unter-
schreibe ick prinzipiell keene pollezeilichen Pa-
piere nich, weil eener nie weeß, wat draus
for Foljen enstehen kennen, un zweetens bin
ick sor so wat überhaupt ville zu alt, un
drittens hatte ick an dem Tage Nachtschicht,
un viertens paßt mir meine Olle zu sehr uff.
Also mußte ick unverrichteter Sache Leine
ziehen un warte noch heite verjeblich uff meine
hehere sexuelle Uffklärung.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Nauke,

an'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.

Redattioiisschluß 29, November 1921.
 
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