Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 38.1921

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6706#0248
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
10374

Wenn Maria und Joseph heute Obdach suchen müßten!


„Vordrängeln jibt's nich! Immer hinten anstellen, — den andern pressiert's ooch!"

Stimme der Weihnacht

von Ernst preczang

Großer Saum und kleiner Baum,

Siebzig oder sieden Nerzen,

Goldner oder Silberschaum —

klch, was schiert es unsern Hellen Traum

Tief im Herzen.

Unser Traum greift nach den Sternen,

Oie im freien Äther schwingen,

Oie in uns wie Glocken klingen
Und aus erdenweilen Himmelsfernen
Lieder singen.

Und ihr Funke kreist im Slut:

Stehe auf aus deiner Plage,

Nus der grauen Stundenflut
wirke neue Welten in der Glut
Seiner Tage.

Seine Brust trägt ewiges Leben
wenn sich mit dem Licht der Sphären
Sie gebundenen Geister nähren.

Selber mutzt du wieder dich gebären

Und erheben.

alles was hier ist bist du

Uind und Same, Ueim und Blüte.

auch aus dem zerrissnen Schuh

wächst du schöneren Sternen zu

wenn dein Geist sich mühte.

Kettenbriefe

„Fürs Glück! Schreibe dies ab und sende es
«n neun Personen. . . . Der Kreis geht 99mal
durch die Welt. . . . Zähle 9 Tage, und Du
wirst eine große Freude haben!"

Mit solchen Briefen versuchen kluge Leute
es jetzt, die Not und das Unbehagen am Leben
aus der Welt zu schaffen. Und wenn jeder den
Rat befolgte, hätte wirklich einer eine große
Freude: der Postminister. Für die anderen
empfiehlt sich ein anderer Kettenbrief. Etwa so:

„Für die Republik! Wir sind ins Elend ge-
raten, weil wir Monarchisten, Esel und Kapi-
talsknechte waren. Wir leiden Not, weil wir
Schieber und Wucherer füttern. Wir kommen
nicht weiter, weil wir jeden Fehler 99mal
machen. Schreibe Dir das in den Brägen und
erzähle es weiter. Und wenn es 99 von 100
begriffen haben, wirst Du eine große Freude
erleben!" ,, p-

Aus Washington

Deutschland hat etwas versäumt.

Es hätte nach Washington folgendes Tele-
gramm schicken können:

„Von der Teilnahme an der Washingtoner
Konferenz zwar ausgeschlossen, wünscht Deutsch-
land nichtsdestoweniger allen Beteiligten die
schnelle Verwirklichung einer so gründlichen
Abrüstung, wie sie in Deutschland bereits zur
Tatsache geworden ist." w.

Reparationen

Deutschland muß vor Freude strahlen
Zu Schikanen und Kabalen,

Und mutz zahlen, zahlen, zahlen.

Deutschland mutz niemals erschlaffen.
Deutschland mutz aus Nichts was schaffen
Für die Sieger und Schlaraffen.

Deutschland muß sich selbst zerreißen.
Deutschland mutz Granite beitzen.
Deutschland mutz Milliarden sch--

Deutschland muh sich still bescheiden,

Mutz mit leeren Eingeweiden
Selber sich den Hals abschneiden.

Deutschland muß sich demolieren.

Sich und andre ruinieren-

All das nennt man »reparieren«!!

Vernunftehen

„Lieber Max," sagte die junge Frau am
Tage nach der Hochzeit, „wir haben eine Ver-
nunflehe geschlossen. Darum werde ich die Ver-
waltung des Portemonnaies übernehmen. Alles
andere überlasse ich dir, auch die Beschaffung
der Einnahmen. Von Liebe ist zwischen uns
ja nicht die Rede. Immerhin: wen^l sich Kin-
der einstellen sollten, werden sie natürlich in
meinem Geiste erzogen."

„Lieber Otto," sagte die Deutsche Volks-
partei zum preußischen Ministerpräsidenten,
„wir gehen eine Vernunstheirat ein. Republik
— warum nicht? Verfassung — warum nicht?
Schivarzrotgold — warum nicht? Bis auf wei-
teres. Aber damit es nicht zu teuer wird, wer-
den wir die Finanzen verwalten, weil mir in
.der Brieftasche sehr kitzlig sind. Das übrige
könnt ihr euch teilen. Bis auf weiteres. Wir
haben ja eine Vernunftehe geschlossen. Und die
Kinder, nicht wahr, die Jugend — das ist
auch unsere Sache. Wir sorgen schon dafür,
daß die alte, treue, bewährte preußische Ver-
nunft und die Potsdamer Kultur nicht unter-
geht. Komm, Otto, sei lieb." p.

Dom politischen Chamäleon

Auf dem demokratischen Parteitag zu Bremen war der Ta.
gungssaat mit schwarzrotgoid neu und schwarzweihroten
Lahnen geschmückt.

In Schwarzweißrot und Schwarzrotgold,

So machte die Bude sich lecker.

Senn was eine tüchi'ge Seschäftsleitung ist,
Nimmt Rücksicht auf alle Geschmäcker.

Sie färbt sich mal so und sie särbt sich mal so
Unter harmlos hinplätscherndem Schmusen.

Zwei Farben, zwei Seelen sind friedlich vereint
Im deutsch-demokratischen Busen!

Sie wickelt in schwarzweitzrotes Papier
Sen schwarzrotgoldenen Urtikel,

Kuch umgekehrt macht sie's. Nuf jeden Fall:

Ihr Wähler wird eingewickelt! w.
 
Annotationen