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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 38.1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.6706#0260
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10386 .

„wols," hat der Zager zum Hunde gesagt,

„Nun halt deine Zange bereit!

Wir machen uns, hussa, jetzt auf die Jagd,

Mir jagen die Zeit, die Zeit.

Sie kühne, die vorwürtseilende soll
Zurück in da; Dickicht, den Busch!"

Und er lud die Buchse mit giftigem Groll
Und blies einen schmetternden Tusch.

Der Zager grimmte au; keuchender Brust
„verschossen der letzte Schrot!"

Und sank in den Graben und ächzte: „Du muht
Zurück!" ... Und fiel um und war tot.

—■ . . .-.—|—.—.—...o —

Und weun da; Uläffen die Lüfte durchgelli
Und die Büchse zornig gekracht,

Lies ein fröhliche; Lachen über da; Zeld —
Die Zeit, die Zeit hat gelacht.

Und lachend stand sie am Meilenstein
Kus der langen grauen Thauffee:

„Mein lieber Zäger, du holst mich nicht ein.
Und tzundegebell tut nicht weh."

Und zu Zützen der lächelnden Lichtgestalt
Zuhr die Seele dem Hund au; dem Zell.

Und die Zeit, die neue, tritt au; dem Wald,

Grützen Hatz fie und Hundegebell. pan

»verfolgte Zeit ♦

„pack an! Dort entflieht sie dem heimlichen Wald/
Schon blitzte e; aus dem Gewehr.

Und kläffend hinter der Lichtgestalt
wild stürmte der Zägerhund her.

Das ging über Zurchen, das ging durch den Bach,
Kn Hütten vorbei und am Schloß.

Der Zäger stürzte der Zlüchtigen nach
Und lud immer wieder und schoh.

Das alte und das neue Zahr

Von Ernst Preczang

Das alte Jahr saß am Fuße jenes Berges,
wo die Jahrkreise der Zeit sich öffnen und
schließen. Es sah hinab in die bodenlose Schlucht
der Vergangenheit, die von lautlos wallenden
Nebeln erfüllt war, und es harrte der Sekunde,
die es Hinabrufen würde in die Tiefe der Ver-
gangenheit. Wenn es die Augen erhob, er-
blickte es das weite Land mit seinen Dörfern
und Städten, seinen Flüssen und Seen, sah
es die beschneiten Dächer und Wälder, die
weißen Felder und Kirchtürme. Sterne glom-
men in die Nacht, und Helle Fenster leuchteten
in das Dunkel der Straßen. Und von fernher
kam zuweilen ein Lachen wie das leise Ge-
zwitscher eines Vogels und ein zartes Klingen
wie von Gläsern, die sich liebkosend berühren.

Das alte Jahr fröstelte und hüllte sich fester
in den zerrissenen Wolkenmantel, der es um-
gab, und es sank tiefer in sich zusammen und
kehrte dem Abgrund sein müdes Auge zu.

„Worauf wartest du noch?" sprach eine Helle
Stimme. Das neue Jahr stand
neben ihm in funkelndem Kleide,
mit ungeduldig bebenden Flügeln
und Augen, die hell und fröhlich
wie kleine Sonnen brannten.

Das alte Jahr blickte auf: „Du
hast es eilig. Kleiner. Noch bist
t p nicht gerufen."

Das neue Jahr ließ sich auf
einem Felsblock nieder und sah
das alte neugierig an: „Trennen
sich nicht die Zeiten mit einem
Schlage? Mein Atem mischt sich
mit dem deinen. Und wenn du
deinen Kreis uniflogen hast, wirst
du dein letztes Wort deinem Nach-
folger geben, während die Uhren
der Menschen wirr durcheinander-
lönen. Mir singen die Sterne das
Lied von dem ewigen Pulse, der
die Welt durchrast und auch im
Menschenherzen hämmert. Von
der Kraft der Zeit, unserer Kraft,
die sie belebt und jede Stunde zu
größeren Taten nützt. Ich höre
ein Meer an die Felsen schlagen,
höre den Wind atmen und Bäume
rauschen — und sollte zweifeln am
großen Rhythmus der Welt?"

„Er ist da. Aber in dieser großen
harmonischen Melodie ist die die
Menschheit störende 'Dissonanz.

Im Räderwerk ihrer Gedanken
wird das Gewaltige klein und
das Kleine gewaltig. Jedes dieser

winzigen Geschöpfe glaubt die Zeit auf eigene
Art meistern zu können. Die einen heben die
Nase hoch in die Luft, gehen gespreizt wie
Pfauen und dünken sich Götter, die armen
Hanswurste. Und die anderen beugen die
Köpfe zur Erde und suchen Regenwürmer wie
die Hühner. . . . Habe ich nicht Minute um
Minute, Stunde um Stunde, Tag um Tag
über sie ausgebreitet: Da nehmt — bildet und
formt dieZeit, gebt ihr den festen, gleichmäßigen
Schritt großen Geschehens, rhythmischen Wer-
dens - und was haben sie daraus gemacht?
Die toten Stunden sind mir wie taube Nüsse
vor die Füße gerollt, oder sie waren gefüllt mit
Zank und blödem Geschwätz. Sie tobten wie
Wölfe gegeneinander, begeiferten sich — und
bogen die Köpfe wieder zur Erde und heulten."

„So drückt eine Last sie?"

„Ich sinne darüber nach seit Stunden, da
ich in diesen Abgrund blicke. Und, Knabe, mir
ist ein fürchterlicher Gedanke gekommen: Ruhen
sie wirklich da unten, die toten Jahre? Die
Nebel, die ich dort wallen sehe im Bodenlosen,
ist's die gestorbene Zeit? Oder versinkt nur

unser Schatten in der Tiefe — und wir selber
hocken unsichtbar auf dem Rücken der Mensch-
heit, und unsere Seele lebt ewig in ihrem
ahnungslosen Geist? Damit ringen'sie, daran
tragen sie, darum streiten sie und reden an-
einander vorbei. Werden sie jemals die ge-
storbenen Jahre los?"

„Du wirst alt." Das neue Jahr erhob sich,
sieghaft lächelnd. „Ich will frisches, feuriges
Blut in ihre Herzen tropfen. Hörst du den
jauchzenden Ruf der Türme im ganzen Lande?
Hörst du den Klang der Gläser, das millionen-
stimmige Vivat? Weit geöffnet sind alle Seelen
dem Neuen, dem Kommenden."

Und es breitete seine schimmerndeu Flügel
aus und schwebte über den beschneiten Feldern
und Wäldern, den läutenden Glocken und leuch-
tenden Straßen.

Der Platz am Fuße des Berges war leer.
Lautlos wallten die Nebel in der Schlucht der
Vergangenheit. ^_

Der Starke

Ein früh erer deutscher Minister,
der durch seinen Ausspruch, daß
die amerikanische Armee weder
fliegen noch schwimmen könne und
daher nie in Enropa erscheinen
werde, berühmt geworden ist, hat
seinen politischen Schlagern einen
neuen hinzugefügt. Er hat gesagt:
„Es muß zu Ende sein mit dem

Erfüllungsgestammel.Der

Starke ist am mächtigsten allein."
Die deutschnationale, Zuhörer-
schaft trampelte begeistert Bei-
fall, weil die Wahrheit des letzten
Satzes durch den Weltkrieg ebenso
klar bewiesen wurde wie der Aus-
spruch von der amerikanischen
Armee. Deutschland hat den Krieg
nur verloren, weil es noch nicht
allein genug war. Die Aufgabe
einerweitblickendenPolitikbesteht
deshalb darin,Deutschland immer
alleiner zu machen, und dazu ist
Herr Hergt der richtige Mann. Er
kann sich auf Schiller berufen, der
im „Tell" das Epigramm vom
Starken vorweggenommen hat,
und sogar auf den moderneren
Ibsen, der es im „Volksfeind"
ähnlich sagt. Immerhin kommt es
auch auf die Anwendung an, und
man kann dem Vorsitzenden der
Schwarzweißroten wünschen, ei
möge so stark werden, daß er gänz
lich allein bleibt. r>.

Stinnes am Krankenbett der Germania

„Na, Fräulein, wollen Sie sich mir anvertrauen?"

„Nee, Herr Doktor, bei Ihnen sind mir die Kurkosten zu hoch!"
 
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