10412
Der Arbeiterkapitalist
Bei Krupp sind Arbeiteraktien ausgegeben worden
Na, Mutter, nu hat es keine Not,
Jetzt schmeckt mir am Abend und Morgen
Noch mal so gut das trockene Brot,
Jetzt sind wir geschützt und geborgen!
Es ist doch gleich ein ganz anderes Gefühl,
Die Aktie im Schranke zu wissen!
Da wird mir die Äolzbank zum weichen Pfühl,
Der Strohsack zum Daunenkissen!
Was rechnest dn nach, ob am nächsten Tag
Wir kommen noch zu Rande,
Berechne mir lieber den Zinsenertrag
Nebst Agio nach heutigem Stande!
Im Kurs der Kurse der Industrie
Und gegen feste Kasse
Vollzieht sich zur Freude der Bourgeoisie
Der Ausstieg der Arbeiterklasse. —
Dies hat sich begeben vergangenes Jahr
Im Weihnachtsmonat Dezember.
Die Freude unbeschreiblich war.
Und es war mal ein 9. November... w.
Der Achtstundentag
Eine Studie aus dem Gebiet der höheren Mathematik
moderner Nationalökonomie.
Im dritten Jahre der Republik ist man da-
hinter gekommen, daß der Begriff Achtstunden-
lag vollkommen rätselhaft ist. Es gibt Leute,
die der kindlichen Ansicht sind, der Achtstunden-
tag bedeute, daß man acht Stunden lang am
Tage seine Arbeitskraft einem Betrieb zur Ver-
fügung stellt. Tüchtige Geheimräte haben dem-
gegenüber das neue ökonomische Gesetz entdeckt,
daß unter Achtstundentag nur jene summierte
Leistung verstanden werden kann, die sich aus
der Aneinanderreihung der für irgendeinen
Wirtschaftszweck zu verrichtenden unmittel-
baren Handgriffe ergibt. Obwohl das so ein-
fach wie nur möglich ist, ergibt sich doch die
Notwendigkeit, es durch praktische Beispiele zu
erläutern. Zum Beispiel:
Der Lokomotivheizer
• Er hat durchschnittlich alle 20 Minuten Koh-
len aufzuiverfen und den Rost zu versorgen.
a) Zeitdauer einmaligen Schau-
felns.1 Minute,
Zeitdauer einmaliger Rost-
säuberung .3 Minuten,
b) Unmittelbare Nutzleistung . . 4 Minuten.
c) Ein Achtstundentag . . = 480
Der Mann müßte also bei richtig verstande-
nem Achtstundentag seine Arbeitsverrichtungen
vom Charakter unmittelbarer Nutzleistung so
oft vornehmen, wie sich aus der Division
Achtstundentag : Nutzleistung oder
480 : 4 = 120 mal
ergibt. Tatsächlich aber nimmt er heute diese
Arbeitsverrichtungen in achtstündigem Dienst
nur 24 mal vor (was sich aus der Praxis er-
gibt, die uns natürlich nicht zu beschäftigen hat),
das entspricht also einer unmittelbaren Nutz-
leistung von 24 x 4 Minuten — 96 Minuten.
Während der Dauer verbleibenden Zeitrestes
(480 Minuten
— 96_*__
384 Minuten)
betrachtet er das Landschaftsbild zu beiden
Seiten der Strecke oder liest die „Deutsche All-
gemeine Zeitung", kommt also für unmittel-
bare Nutzleistung im Interesse der Gesellschaft
nicht in Frage. w.
Neues aus Niederschönenfeld
Die Denkschrift der bayerischen Regierung
über den Strafvollzug auf der Festung Nieder-
schönenfeld versucht unter anderem glauben zu
machen, daß die Gefangenen im Sommer 1920
einen militärisch organisierten Aufstand haben
inszenieren wollen, bei dem die Festungs-
artillerie gegen die anrückende Reichswehr in
Stellung gebracht werden sollte.
Nach unseren Informationen haben die zwei
Dutzend Gefangenen auf Niederschönenfeld noch
ganz andere Schandtaten gegen die Sicherheit
des bayerischen Staates ausgeheckt.
So beschlossen sie einmal unter anderem, beim
bayerischen Ministerpräsidenten einzubrechen
und diesem den Verstand zu stehlen. Der Plan
kam tatsächlich zur Ausführung, und nur die
Tatsache, daß die Niederschönenfelder vom Ge-
suchten auch nicht die geringste Spur vorfanden,
verhütete weiteres Unheil.
Eines Tages zertrümmerte der individuelle
Anarchismus Mübsams dem Festungskomman-
danten seinen frischgefüllten Maßkrug. Die
Folge davon war furchtbar. Der unglückliche
Offizier war vierundzwanzig Stunden lang
ohne Bier.
Das niederträchtigste Stück aber ist doch von
Ernst Toller, der bekanntlich auf Niederschönen
seid durch pazifistische Dichtungen die Gesell-
schaftsordnung untergräbt, verübt worden.
Seine Manuskripte unterliegen wie alle schrift
lichen Äußerungen der Gefangenen der Zensur
durch den Festungskommandanten.
Und Toller entfaltet eine umfangreiche lite-
rarische Produktion, und alles muß von den:
Herrn Festungskommandanten gelesen werden.
Man wird dem unglücklichen Zensor, der im
Schweiße seines Angesichts seiner Riesenaus
gäbe gerecht zu werden sucht, tiefstes Mit-
gefühl nicht versagen dürfen. W.
Gulasch
Der ungarische Reichsver-
weser Horthy will sich än-
dern. Er hatte zuviel Pa-
prika in sein politisches
Gulasch gestreut, und eine
beträchliche Anzahl der Ge-
nießer hat Magenbeschwer-
den davongetragen. Magen-
leidende aber sind grillig
und können sehr ungemüt-
lich werden. Deshalb kün-
digt Horthy eine milder ge-
pfefferte Ara an. Es ist zum
Beispiel den Gendarmen
nicht mehr gestattet, fried-
lichen Passanten die Backen-
zähne auszuschlagen und die
Regierungsgegner öffentlich
zu stäupen. Dies hat viel-
mehr, wie ein vertraulicher
Erlaß sagt, unter vier Au-
gen zu geschehen. Man soll
seine humanen Werke nicht
an die große Glocke hängen.
Und man soll, wie ebenfalls
betont wird, den Ärzten keine
Gelegenheit geben, Atteste
auszunehmen, die diese Hu-
manität schriftlich dokumen-
lieren. „Man hat sich roher
Tätlichkeiten zu enthalten,
obschon eine,zweiOhrfeigen
verabreicht werden können,
weil nur so das Ansehen der
Gendarmen gerettet werden
Meinungsverschiedenheit
' "fr "*—
„Aber Kommunismus heißt doch Aufbau?"
„Bewahre! Zersetzung!"
kann." Für das Publikum
liegt der Fortschritt auf der
Hand, aber der Gendarm
mit einer guten Handschuh-
nummer wird Mühe haben,
die richtige Vehemenz abzu
wägen. Halbheiten taugen
eben nichts. Das Ansehen
Horlhys kann nur gerettet
werden, wenn er die Vor
der- und Hinterbacken seiner
Untertanen auch weiterhin
ohne Rücksicht auf ärztliche
Atteste zu Gulasch verarbei-
ten läßt. tg.
Ein Vorschlag
Wenn der französische
Militarismus sich wirklich
vorDeutschland sichern will,
kann er sich mit einem Hin-
blick auf die nächste Gene-
ration nicht begnügen. Es
wäre immerhin denkbar, daß
unsere Enkel, Urenkel, Urur-
enkel usw. wieder etwas fa-
brizieren, was den Enkeln,
Urenkeln usw. des Generals
Rollet nicht paßt. Daruni
sind radikalere Maßnahmen
notwendig. Zum Beispiel
Frankreich muß das Kinder
kriegen in ganz Deutschland
verbieten, denn Kinder, die
nicht geboren werden,können
auch keine Gewehre machen.
Der Arbeiterkapitalist
Bei Krupp sind Arbeiteraktien ausgegeben worden
Na, Mutter, nu hat es keine Not,
Jetzt schmeckt mir am Abend und Morgen
Noch mal so gut das trockene Brot,
Jetzt sind wir geschützt und geborgen!
Es ist doch gleich ein ganz anderes Gefühl,
Die Aktie im Schranke zu wissen!
Da wird mir die Äolzbank zum weichen Pfühl,
Der Strohsack zum Daunenkissen!
Was rechnest dn nach, ob am nächsten Tag
Wir kommen noch zu Rande,
Berechne mir lieber den Zinsenertrag
Nebst Agio nach heutigem Stande!
Im Kurs der Kurse der Industrie
Und gegen feste Kasse
Vollzieht sich zur Freude der Bourgeoisie
Der Ausstieg der Arbeiterklasse. —
Dies hat sich begeben vergangenes Jahr
Im Weihnachtsmonat Dezember.
Die Freude unbeschreiblich war.
Und es war mal ein 9. November... w.
Der Achtstundentag
Eine Studie aus dem Gebiet der höheren Mathematik
moderner Nationalökonomie.
Im dritten Jahre der Republik ist man da-
hinter gekommen, daß der Begriff Achtstunden-
lag vollkommen rätselhaft ist. Es gibt Leute,
die der kindlichen Ansicht sind, der Achtstunden-
tag bedeute, daß man acht Stunden lang am
Tage seine Arbeitskraft einem Betrieb zur Ver-
fügung stellt. Tüchtige Geheimräte haben dem-
gegenüber das neue ökonomische Gesetz entdeckt,
daß unter Achtstundentag nur jene summierte
Leistung verstanden werden kann, die sich aus
der Aneinanderreihung der für irgendeinen
Wirtschaftszweck zu verrichtenden unmittel-
baren Handgriffe ergibt. Obwohl das so ein-
fach wie nur möglich ist, ergibt sich doch die
Notwendigkeit, es durch praktische Beispiele zu
erläutern. Zum Beispiel:
Der Lokomotivheizer
• Er hat durchschnittlich alle 20 Minuten Koh-
len aufzuiverfen und den Rost zu versorgen.
a) Zeitdauer einmaligen Schau-
felns.1 Minute,
Zeitdauer einmaliger Rost-
säuberung .3 Minuten,
b) Unmittelbare Nutzleistung . . 4 Minuten.
c) Ein Achtstundentag . . = 480
Der Mann müßte also bei richtig verstande-
nem Achtstundentag seine Arbeitsverrichtungen
vom Charakter unmittelbarer Nutzleistung so
oft vornehmen, wie sich aus der Division
Achtstundentag : Nutzleistung oder
480 : 4 = 120 mal
ergibt. Tatsächlich aber nimmt er heute diese
Arbeitsverrichtungen in achtstündigem Dienst
nur 24 mal vor (was sich aus der Praxis er-
gibt, die uns natürlich nicht zu beschäftigen hat),
das entspricht also einer unmittelbaren Nutz-
leistung von 24 x 4 Minuten — 96 Minuten.
Während der Dauer verbleibenden Zeitrestes
(480 Minuten
— 96_*__
384 Minuten)
betrachtet er das Landschaftsbild zu beiden
Seiten der Strecke oder liest die „Deutsche All-
gemeine Zeitung", kommt also für unmittel-
bare Nutzleistung im Interesse der Gesellschaft
nicht in Frage. w.
Neues aus Niederschönenfeld
Die Denkschrift der bayerischen Regierung
über den Strafvollzug auf der Festung Nieder-
schönenfeld versucht unter anderem glauben zu
machen, daß die Gefangenen im Sommer 1920
einen militärisch organisierten Aufstand haben
inszenieren wollen, bei dem die Festungs-
artillerie gegen die anrückende Reichswehr in
Stellung gebracht werden sollte.
Nach unseren Informationen haben die zwei
Dutzend Gefangenen auf Niederschönenfeld noch
ganz andere Schandtaten gegen die Sicherheit
des bayerischen Staates ausgeheckt.
So beschlossen sie einmal unter anderem, beim
bayerischen Ministerpräsidenten einzubrechen
und diesem den Verstand zu stehlen. Der Plan
kam tatsächlich zur Ausführung, und nur die
Tatsache, daß die Niederschönenfelder vom Ge-
suchten auch nicht die geringste Spur vorfanden,
verhütete weiteres Unheil.
Eines Tages zertrümmerte der individuelle
Anarchismus Mübsams dem Festungskomman-
danten seinen frischgefüllten Maßkrug. Die
Folge davon war furchtbar. Der unglückliche
Offizier war vierundzwanzig Stunden lang
ohne Bier.
Das niederträchtigste Stück aber ist doch von
Ernst Toller, der bekanntlich auf Niederschönen
seid durch pazifistische Dichtungen die Gesell-
schaftsordnung untergräbt, verübt worden.
Seine Manuskripte unterliegen wie alle schrift
lichen Äußerungen der Gefangenen der Zensur
durch den Festungskommandanten.
Und Toller entfaltet eine umfangreiche lite-
rarische Produktion, und alles muß von den:
Herrn Festungskommandanten gelesen werden.
Man wird dem unglücklichen Zensor, der im
Schweiße seines Angesichts seiner Riesenaus
gäbe gerecht zu werden sucht, tiefstes Mit-
gefühl nicht versagen dürfen. W.
Gulasch
Der ungarische Reichsver-
weser Horthy will sich än-
dern. Er hatte zuviel Pa-
prika in sein politisches
Gulasch gestreut, und eine
beträchliche Anzahl der Ge-
nießer hat Magenbeschwer-
den davongetragen. Magen-
leidende aber sind grillig
und können sehr ungemüt-
lich werden. Deshalb kün-
digt Horthy eine milder ge-
pfefferte Ara an. Es ist zum
Beispiel den Gendarmen
nicht mehr gestattet, fried-
lichen Passanten die Backen-
zähne auszuschlagen und die
Regierungsgegner öffentlich
zu stäupen. Dies hat viel-
mehr, wie ein vertraulicher
Erlaß sagt, unter vier Au-
gen zu geschehen. Man soll
seine humanen Werke nicht
an die große Glocke hängen.
Und man soll, wie ebenfalls
betont wird, den Ärzten keine
Gelegenheit geben, Atteste
auszunehmen, die diese Hu-
manität schriftlich dokumen-
lieren. „Man hat sich roher
Tätlichkeiten zu enthalten,
obschon eine,zweiOhrfeigen
verabreicht werden können,
weil nur so das Ansehen der
Gendarmen gerettet werden
Meinungsverschiedenheit
' "fr "*—
„Aber Kommunismus heißt doch Aufbau?"
„Bewahre! Zersetzung!"
kann." Für das Publikum
liegt der Fortschritt auf der
Hand, aber der Gendarm
mit einer guten Handschuh-
nummer wird Mühe haben,
die richtige Vehemenz abzu
wägen. Halbheiten taugen
eben nichts. Das Ansehen
Horlhys kann nur gerettet
werden, wenn er die Vor
der- und Hinterbacken seiner
Untertanen auch weiterhin
ohne Rücksicht auf ärztliche
Atteste zu Gulasch verarbei-
ten läßt. tg.
Ein Vorschlag
Wenn der französische
Militarismus sich wirklich
vorDeutschland sichern will,
kann er sich mit einem Hin-
blick auf die nächste Gene-
ration nicht begnügen. Es
wäre immerhin denkbar, daß
unsere Enkel, Urenkel, Urur-
enkel usw. wieder etwas fa-
brizieren, was den Enkeln,
Urenkeln usw. des Generals
Rollet nicht paßt. Daruni
sind radikalere Maßnahmen
notwendig. Zum Beispiel
Frankreich muß das Kinder
kriegen in ganz Deutschland
verbieten, denn Kinder, die
nicht geboren werden,können
auch keine Gewehre machen.