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10443 —

Wirth als Drachentvter

. . . dm Drachen, der dicS Land

Verheert, schlugst du mit tapfrer Hand! (Schiller.)

Äobelspäne

England und Frankreich kämpfen heiß
Als grimme Duellanten.

Wir Deutsche schauen dem Duell
Nur zu als Sekundanten.

Wir haben kein Vergnügen dran,
Wenn dort die Streiche fliegen,

Weil wir von jeder Seite dort
Doch unser Teil davon kriegen.

Es ist das sonderbarste Duell,

Das jemals war aus Erden,

Wenn nur die Sekundanten dabei
Zn Tod verwundet werden. . .

*

Der Genuese Kolumbus entdeckte die Neue Welt. Für die Konferenz in
Genua sucht man nach einem neuen Kolumbus, der die Alle Welt rettet.

*

Kronprinz „Feste druff" läßt melden,

Wieringen sei ihm zu weit,

Und er hält' sich abgesunden
Mit der Zeit.

Und er will den Arm nicht recken
Nach dem Krönungsdiadem,

Und er macht in Biedertönen
Trau, schau, wem?

Siud die Trauben ihni zu sauer?

Ist sein Ehrgeiz wirklich futsch?

Oder träumt er von dem nächsten
Jagow-Putsch?? ^

Giesberts wird nächstens ein Gesetz einbringen, wonach jeder Deutsche
jeden Tag mindestens einen Brief schreiben muß, um die Geheimrats-
gehälter erhöhen zu können. .

Meine Aujuste jammerte über die teuren Zeitungspreise. Ick tröstete:
„Das hört sofort auf, wenn die Presse nicht mehr von den Papierliefe-
ranten gepreßt wird." Dein getreuer Säge, Schreiner.

unglückliche Opfer wird plötzlich von einer un-
geheuren Heiterkeit befallen, Lachkrämpfe von
ungewöhnlicherHeftigkeit führen zu Erstickungs-
anfällen, in 30 Minuten erliegt das Opfer der
Seuche, es hat sich totgelacht.

Lange Zeit war man über den Krankheits-
erreger im unklaren.

Schließlich wurde er in der Person des preußi-
schen Justizministers entdeckt, der derAngabe je-
nes Gerichtschreibers Glauben geschenkt hatte,
der berühmte Passus „Im Rainen des Pöbels"
sei von einem unbekannten Drillen schalkhafter-
weise in die Maschine getippt worden, ohne
daß irgend jemand etwas gemerkt hätte.

Deshalb lachen sich alle Tippfräulein tot.

3um Steuerproblem

In Berlin ist ein Geisteskranker verhaftet
worden, dem es gelungen war, als „Reichskom-
missar Sprenger" bei reichen Leuten Schmuck-
sachen und Bargelder im Betrage von vielen
Millionen zu beschlagnahmen.

Und der Mann soll geisteskrank sein?

Eine solch tüchtige Kraft soll hinter schwe-
dischen Gardinen verkümmern? w.

Der Berliner Geniestreich

Die streikenden Berliner Gemeindearbeirer hatten die
Wasserversorgung der Krankenhäuser verweigert, da-
gegen die Versorgung des Berliner Aquariums sicher-
gestellt.

Junge! Wcnnstc, wcctztc, biste
Een Berliner Soziaiifte,

Denkste nilh, wie andre denken.

Die Vernunft und Schläue lenke».

Denkste vielmehr, wennste iber-
haupt Jedankcn hast, mein Lieber,

So verdicht wie irjend mecglich.

Die Vernunft is nebensächlich.

Denkste »ich an't letzte Ziel,

Denkste bloß an't Krokodil!

So beschaffen, siehste, biste.

Erst der richt'ge Sozialifte!

Und du kriegst 'n richt'gen Blick
For det Heil der Republik!

Mich in nffjcklärte Brägen
Sollste ihre Zukunft lcje».

Leg se vielmehr in't Gewässer
Von't Aquarium, det is bester!

Rin, Jenoffen, in den Snmpf!

Und det Krokodil sei Trumpf! W.

Lieber Jacob!

Ob sich det deitsche Volk schon zu de polli-
tesche Hetze des richtigjehenden Republikaner-
tums ruffentwickelt hat, det kann eener villeicht
in Abrede stellen oder soj ar dementieren. Dahin-
jejcn unterliegt et keenen Zweifel »ich, det wir
uns in bezug uff de soziale Jesinnung bereits
in eenen knollijen Blietezustand befinden. Wer't
bisher nich jloben ivollte, der wurde durch de
Erfahrungen der ebent verflossenen Streik-
wochen eines Besseren belehrt un beschämt.
Um een paar Dausend Eisenbahnanjestellten
un städteschen Jas-, Wasser- un Elektrizitäts-
arbeeter 'ne dienstfreie Woche zu verschaffen,
haben Millionen deitsche Proletarier jefroren,
jehungert un zu Fuß im Schnee stundenlange
Weje zu ihre Arbeet zurickjelegt. Mit innije
Sejenswünsche for de kommunistische Staats-
weisheit, die de betreffenden Streikarrange-
ments jetroffen hatte, wurden diese schiveren
Opfer jebracht. Unsere städteschen Arbeeter
kennen selber nischt dafor, det se jetz zu de be-
liebteste Bevelkerungsklasse jeheren — se ver-
danken diese Auszeichnung alleene de linksradi-
kalen Drahtzieher von de unjenannte Streik-
leitung, die ins Dunkle ihres Amtes waltet un
janz Berlin eene Woche lang ins Dunkle ließ.
Zu welchen Zweck eejentlich det Janze statt-
sand, det weeß bis heite keene Menschenseele

nich. Aber det is ooch janz eejal. Der Kommu-
nismus is der rechtmäßije Leibeserbe der aus-
jekniffenen wilhelminischen Ära. Er hat de Uff-
jabe, det zu vollenden, wat jene nich mehr janz
beiverkstelligt hat. Un et jeniegt ihn deshalb
nich, bloß de jroße Schnauze iebernommen zu
haben, sondern er will ooch impulsive Taten
ausieben, die weiter keenen Zweck nich haben.
Un wie et frieher Paraden uff't Tempelhofer
Feld un Kaisermanneever jab, so jibt et jetz
kommunistesche Streiks, die ebenlfalls uff Kosten
des Volkes veranstaltet werden un zwar keenen
prakteschen Nutzen nich bringen, aber immer-
hin een jlanzvolles Schauspiel sind un uff dem
jroßen Ernstfall vorbereiten sollen, der uns
denn erst de richtijen jroßen un herrlichen
Zeiten bringen wird. Wir haben det allens
schon eenmal mit Wilhelm'n erlebt un siud im
Bilde. Bloß eens erscheint mir unjewiß. In de
russesche Sowjetrepublik wird jeder Streikende
erschossen. Man darf sich also schmeicheln, det
unsere deitschen Moskowiter, sowie se ihr Ziel
erreicht un dem bolschewisteschen Musterstaat
injericht't haben, ebentso verfahren werden.
Wat nitzen also nu — frage ick — unsere Ar-
beeterschaft de jlanzvollsten Streikiebungspara-
den, wenn se doch später, sobald det se ihre
kommunisteschen Exerzierkinste in de Praxis
anwenden wollen, von ihre Drillmeester een-
fach an de Wand jestellt werden?

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthils Rauke,

an'n Jörlitzer Bahnhof jleich links

Zur gefälligen Beachtung!

Redaktionelle Einsendungen können im Falle der
Richtannahmc nur zurückgesandl werden, wen» Rück-
porto bcigefiigt ist! Die Redaktion

Redaktionsschluß 21. Februar 1922.
 
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