10455 -■
Empfang auf der Garrotte
Zur Ausweisung der spanischen Syndikalisten
aus der deutschen Republik
Dem ermordeten spanischen Ministerpräsidenten Dato werden
zwei seiner angeblichen Mörder ins Jenseits nachspediert,
damit er sich dort mit ihnen auseinandersetzen kann.
Lobelspäne
Die Sowjetleute möchten gern
Streng kommunistisch sterben.
Doch möchten auch dieselben Herrn
Sich Frankreichs Gunst erwerben.
Sie haben zu Deulschland großen Hang
Und nähren hier jeden Trubel —
Doch funkelt der kapitalistische Frank
Heller als Mark und Rubel.
Drum knutscht Marianne heimlich ab
Wie einst der Moskowiter.
Es gräbt mit ihr am deutschen Grab
Der russische Jesuiter.
★
Die Sechstagerennen können einem gar nicht imponieren, wenn man
an das Dreijahrerennen des Friedens denkt, der noch längst nicht am
Ziel ist. *
Man boxt ringsum im ganzen Lande.
Und jeder zahlt's und jeder sieht's —
Der Freischütz von dem Schwielowstrande,
Von Kaehne boxt gar die Justiz.
Poincarö, den Mund voll Geifer,
Boxt mit Lloyd George und trifft ihn auch.
Und Stresemännchen boxt vor Eifer
Sich selber in den eignen Bauch.
Man boxt sich, und es regnet Keile
Ins Nasenbein und ins Genick —
Sehr teuer kommt uns alleweile
Ein Boxkampf in der Politik. . ..
*
Mein Jüngster büffelte Religion. „Wo kommt das vor," fragte er,
„wer sich selbst erniedrigt, der soll erhöhet werden?" Ick sagte: „Wahr-
scheinlich uff einem Mahnzettel des Steueramts."
Dein getreuer Säge, Schreiner.
Gereimtes und Angereimtes
Schnelle Präsidentenwahlen
Heischt der Nationalen Schar
Und empfiehlt als Kandidaten
Bayerns Bismarck, Herrn v. Kahr.
Ungeduldig tobt und faucht man
In der Presse früh und spät — —
Und im stillen sind sie heilfroh,
Daß es nicht ans Wählen geht.
k
Warum ließ man den Kronprinz von Wieringen
eigentlich nicht nach Deutschland? Er hätte mit Castans
Panoptikum in der Abteilung „Lachkabinett" versteigert
werden können. , ^
Albanien ist fein heraus:
Es hat kein Geld und keine Währung
Und kennt nicht der Valuta Graus.
Schickt in das kluge Land hinaus
Europas Lenker — zur Belehrung!
*
In Deutschland wurden Wölfe jetzt gesschtet.
Kein Zweifel, daß dies Raubzeug man vernichtet—
Wer aber bringt die Wucherer in Trab
Und schießt dies zweibeinige Raubzeug ab??
k
Eine Prinzessin von Braganza hat für ihren Gemahl
einen Sarg für 5 Millionen Franken, also 80 Millionen
Mack, gekauft. Darüber soll man sich nicht ärgern. Die
europäischen Völker würden gern einen noch viel teu-
reren Sarg kaufen, wenn sie ihre Schicksalslenker darin
begraben lassen könnten. ^
Die K.P.D. kann jetzt zur Frist
Die Anhänger nicht halten:
Bald wird sich der letzte Kommunist
In zwei Parteien zerspalten.
k
Die Horthy-Regierung wies die Detektivs aus, die
den Erzberger-Mördern auf der Spur waren. Das war
ganz konsequent gehandelt. Man sagte sich eben: „Rtang
uns mang sind Leute mang, die nicht mang uns mang
gehören...." Aha.
Arithmetische Aufgaben
Wenn ein Laib Brot 14 Mark und ein Zent-
ner Kartoffeln 320 Mark kostet, wieviel Meter
lang ist dann der Geduldsfaden des deutschen
Volkes?
Wenn unter einem Dutzend gerichtlicher Er-
kenntnisse zwölf Fehlurteile sich befinden, wel-
chen Wert hat dann die deutsche Justiz?
Wenn im Reichstag die Deutschnationale
Volkspartei 46 Mandate und die Deutsche Volks-
partei 53 Mandate innehat, wieviel Ochsen gibt
es dann in Deutschland? w.
Lieber Jacob!
Ick verstehe nich, wat de Leite uff eenmal von
die hochjeehrte Familje v. Kaehne in Petzow
wollen. Det sind cenfach Edelste un Beste, die
een beklagenswertes Opfer der unuffhaltsam
um sich jreifenden Kulturentwicklung jemorden
sind. Ihr Adel is zwar man bloß Papieradel,
aber sie selber sind nich von Pappe. Un wenn
aus'n Bauer 'n Junker jeworden is, denn niuß
er ebent de Foljen tragen, un wenn sich eener
’n Schloß jekooft hat, wo frieher Raubritter
drin wohnten, denn muß er sich ooch dem-
entsprechend benehmen. Un wenn er sich sagt,
det in jenen jlicklichen Kreuzzeitungszeiten der
Adel de hohe Jagd uff Hirsche, Wildschweine
un Elche alleeite betreiben durfte, während det
jemeene Landvolk sich uff Ratzen, Läuse un
Wanzen beschränken mußte, denn wird er dem
heitijen Tatbestand beklagenswert finden un
sich bemiehen, wie er Abhilfe schaffen kann.
Un wenn et uff Schloß Petzow keene Wild-
säue, Elche un Zwanzigender nich mehr jeden
tut, denn bejniegt er sich ebent mit de niedere
Jagd un schießt uff dem Peebel, der sich in
sein Revier zeigt, wo er noch dem Vorteil extra
hat, det et for Kahnfahrer, Spazierjänger,
Holz- un Pilzsucher im Potsdamer Jerichts-
bezirk keene jesetzliche Schonzeit nich jibt, son-
dern zu alle Jahreszeiten abjeknallt werden
kennen. Um aber daneben ooch noch dem irre-
jeleiteten Zeitjeist Rechnung zu tragen, haben
de Herren v. Kaehne det besondere Pree, det se
sich von Jeburt an in eenen fortdauernden Zu-
stand der Notwehr befinden, so daß se bei ihre
Volltreffer keene strafjesetzlichen Unbequemlich-
keiten niemals nich zu befirchten haben.
Nu soll det uff eenmal anders werden, un
de effentliche Meinung verlangt von diese Edel-
leite, det se sich so wie ihr selijer Jroßvater,
der Herr Mistbauer, benehmen sollen. Det wäre
natierlich een Rückschritt in de Entwicklung, un
een uffjeklärter Jeist kann det nich befierwor-
ten. Dadrum nimmt ooch de rechtsradikale
Presse de Interessen der Herren v. Kaehne
enerjisch wahr un verfechtet de bedrohten Men-
schenrechte der anjeborenen Notwehr un Schieß-
freiheit. Un det de Potsdamer Rechtssleje se
dabei unterstitzt, versteht sich am Rande —
wie schon der Name Potsdamer for jeden Sach-
kenner der Verhältnisse besagt. Ick verstehe also
nochmals nich, inwiefern sich det Volk uffzuregen
un durch unmaßjebliche Demenstruationsver-
sammlungen jejen de Petzower Schitzenseste zu
protestieren hat.
Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,
an'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.
Zur gefälligen Beachtung!
Redaktionelle Einsendungen können im Falle der
Ntchkannahme nur zurückgesandt werden, wenn Riilk-
porto bcigefUgk ist! Die Redaktion
Redaktionsschluss 7. März 1922.
Empfang auf der Garrotte
Zur Ausweisung der spanischen Syndikalisten
aus der deutschen Republik
Dem ermordeten spanischen Ministerpräsidenten Dato werden
zwei seiner angeblichen Mörder ins Jenseits nachspediert,
damit er sich dort mit ihnen auseinandersetzen kann.
Lobelspäne
Die Sowjetleute möchten gern
Streng kommunistisch sterben.
Doch möchten auch dieselben Herrn
Sich Frankreichs Gunst erwerben.
Sie haben zu Deulschland großen Hang
Und nähren hier jeden Trubel —
Doch funkelt der kapitalistische Frank
Heller als Mark und Rubel.
Drum knutscht Marianne heimlich ab
Wie einst der Moskowiter.
Es gräbt mit ihr am deutschen Grab
Der russische Jesuiter.
★
Die Sechstagerennen können einem gar nicht imponieren, wenn man
an das Dreijahrerennen des Friedens denkt, der noch längst nicht am
Ziel ist. *
Man boxt ringsum im ganzen Lande.
Und jeder zahlt's und jeder sieht's —
Der Freischütz von dem Schwielowstrande,
Von Kaehne boxt gar die Justiz.
Poincarö, den Mund voll Geifer,
Boxt mit Lloyd George und trifft ihn auch.
Und Stresemännchen boxt vor Eifer
Sich selber in den eignen Bauch.
Man boxt sich, und es regnet Keile
Ins Nasenbein und ins Genick —
Sehr teuer kommt uns alleweile
Ein Boxkampf in der Politik. . ..
*
Mein Jüngster büffelte Religion. „Wo kommt das vor," fragte er,
„wer sich selbst erniedrigt, der soll erhöhet werden?" Ick sagte: „Wahr-
scheinlich uff einem Mahnzettel des Steueramts."
Dein getreuer Säge, Schreiner.
Gereimtes und Angereimtes
Schnelle Präsidentenwahlen
Heischt der Nationalen Schar
Und empfiehlt als Kandidaten
Bayerns Bismarck, Herrn v. Kahr.
Ungeduldig tobt und faucht man
In der Presse früh und spät — —
Und im stillen sind sie heilfroh,
Daß es nicht ans Wählen geht.
k
Warum ließ man den Kronprinz von Wieringen
eigentlich nicht nach Deutschland? Er hätte mit Castans
Panoptikum in der Abteilung „Lachkabinett" versteigert
werden können. , ^
Albanien ist fein heraus:
Es hat kein Geld und keine Währung
Und kennt nicht der Valuta Graus.
Schickt in das kluge Land hinaus
Europas Lenker — zur Belehrung!
*
In Deutschland wurden Wölfe jetzt gesschtet.
Kein Zweifel, daß dies Raubzeug man vernichtet—
Wer aber bringt die Wucherer in Trab
Und schießt dies zweibeinige Raubzeug ab??
k
Eine Prinzessin von Braganza hat für ihren Gemahl
einen Sarg für 5 Millionen Franken, also 80 Millionen
Mack, gekauft. Darüber soll man sich nicht ärgern. Die
europäischen Völker würden gern einen noch viel teu-
reren Sarg kaufen, wenn sie ihre Schicksalslenker darin
begraben lassen könnten. ^
Die K.P.D. kann jetzt zur Frist
Die Anhänger nicht halten:
Bald wird sich der letzte Kommunist
In zwei Parteien zerspalten.
k
Die Horthy-Regierung wies die Detektivs aus, die
den Erzberger-Mördern auf der Spur waren. Das war
ganz konsequent gehandelt. Man sagte sich eben: „Rtang
uns mang sind Leute mang, die nicht mang uns mang
gehören...." Aha.
Arithmetische Aufgaben
Wenn ein Laib Brot 14 Mark und ein Zent-
ner Kartoffeln 320 Mark kostet, wieviel Meter
lang ist dann der Geduldsfaden des deutschen
Volkes?
Wenn unter einem Dutzend gerichtlicher Er-
kenntnisse zwölf Fehlurteile sich befinden, wel-
chen Wert hat dann die deutsche Justiz?
Wenn im Reichstag die Deutschnationale
Volkspartei 46 Mandate und die Deutsche Volks-
partei 53 Mandate innehat, wieviel Ochsen gibt
es dann in Deutschland? w.
Lieber Jacob!
Ick verstehe nich, wat de Leite uff eenmal von
die hochjeehrte Familje v. Kaehne in Petzow
wollen. Det sind cenfach Edelste un Beste, die
een beklagenswertes Opfer der unuffhaltsam
um sich jreifenden Kulturentwicklung jemorden
sind. Ihr Adel is zwar man bloß Papieradel,
aber sie selber sind nich von Pappe. Un wenn
aus'n Bauer 'n Junker jeworden is, denn niuß
er ebent de Foljen tragen, un wenn sich eener
’n Schloß jekooft hat, wo frieher Raubritter
drin wohnten, denn muß er sich ooch dem-
entsprechend benehmen. Un wenn er sich sagt,
det in jenen jlicklichen Kreuzzeitungszeiten der
Adel de hohe Jagd uff Hirsche, Wildschweine
un Elche alleeite betreiben durfte, während det
jemeene Landvolk sich uff Ratzen, Läuse un
Wanzen beschränken mußte, denn wird er dem
heitijen Tatbestand beklagenswert finden un
sich bemiehen, wie er Abhilfe schaffen kann.
Un wenn et uff Schloß Petzow keene Wild-
säue, Elche un Zwanzigender nich mehr jeden
tut, denn bejniegt er sich ebent mit de niedere
Jagd un schießt uff dem Peebel, der sich in
sein Revier zeigt, wo er noch dem Vorteil extra
hat, det et for Kahnfahrer, Spazierjänger,
Holz- un Pilzsucher im Potsdamer Jerichts-
bezirk keene jesetzliche Schonzeit nich jibt, son-
dern zu alle Jahreszeiten abjeknallt werden
kennen. Um aber daneben ooch noch dem irre-
jeleiteten Zeitjeist Rechnung zu tragen, haben
de Herren v. Kaehne det besondere Pree, det se
sich von Jeburt an in eenen fortdauernden Zu-
stand der Notwehr befinden, so daß se bei ihre
Volltreffer keene strafjesetzlichen Unbequemlich-
keiten niemals nich zu befirchten haben.
Nu soll det uff eenmal anders werden, un
de effentliche Meinung verlangt von diese Edel-
leite, det se sich so wie ihr selijer Jroßvater,
der Herr Mistbauer, benehmen sollen. Det wäre
natierlich een Rückschritt in de Entwicklung, un
een uffjeklärter Jeist kann det nich befierwor-
ten. Dadrum nimmt ooch de rechtsradikale
Presse de Interessen der Herren v. Kaehne
enerjisch wahr un verfechtet de bedrohten Men-
schenrechte der anjeborenen Notwehr un Schieß-
freiheit. Un det de Potsdamer Rechtssleje se
dabei unterstitzt, versteht sich am Rande —
wie schon der Name Potsdamer for jeden Sach-
kenner der Verhältnisse besagt. Ick verstehe also
nochmals nich, inwiefern sich det Volk uffzuregen
un durch unmaßjebliche Demenstruationsver-
sammlungen jejen de Petzower Schitzenseste zu
protestieren hat.
Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,
an'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.
Zur gefälligen Beachtung!
Redaktionelle Einsendungen können im Falle der
Ntchkannahme nur zurückgesandt werden, wenn Riilk-
porto bcigefUgk ist! Die Redaktion
Redaktionsschluss 7. März 1922.