10458
Papsikrönung
Das fromme, das reiche, das glänzende Dom
Ist festlich versammelt im Petersdom.
Es schiebt sich und drückt im dichten Gedränge
Und harret erwartend die gaffende Menge.
Der Weihrauch jchwadet. Oer Hymnus tönt.
Habemus Papam. Der Papst wird gekrönt.
RIs plötzlich die silbernen Tuben erschallen,
Lieht man den Zug des Papstes wallen,
Oie Menge fällt betend aufs Knie. (Das gleicht,
wie wenn der wind ein Kornfeld bestreicht.)
Den mitrageschmückten Herrn der Leele
Trägt man inmitten der Kardinale
Huf güldenem, schwellendem Tragethron.
(Lein Kreuz trug barfuß der Menschensohn!)
Und Ltraußenfächer befächeln sein Haupt,
Damit kein Stäubchen sein Antlitz bestaubt.
„Herr, hilf ihm!" singen die Sängerchöre,
„Uns daß der Satan sein Werk nicht störe!"
Oer bronzene Petrus schaut ernst und stumm
Ruf das schimmernde heilige Kollegium.
Der Kurienkardinal tritt zum päpstlichen Thron,
Zu krönen der Kirche fürnehmsten Sohn.
Als er die Tiara auf die Stirne ihm drückt,
' Ist mehr wie der Papst die Menge beglückt.
Tin rasend frenetischer Jubel erdröhnt.
Tvoiva il Papa! — Der Papst ist gekrönt!
© Heiliger Vater, du bist voll der Gnade
Inmitten der Macht- und Keichtumsparade,
Auf deiner Krone funkeln Juwelen,
Die nichts von der Lehre des Rrnffeins erzählen.
Du segnest die Welt - die Welt von heut,
Die Menschenblut opfert und nicht bereut,
Statt sie mit Blitzen und Donnerwettern
Zur blutgetränkten Erde zu schmettern.
© Heiliger Vater, was bist du so bleich?
Du hast den Schlüssel zum Himmelreich.
Trotzdem kannst du nicht selig machen
Die werkenden Massen, die Armen und Schwachen,
Venen die eigene schaffende Kraft
Oie heiß ersehnte Erlösung verschafft.
Den Felsen Petri umbrandet die pflügende Zeit,
Die auch die Schöpfer des Reichtums befreit.
Viktor ltalinowst.i
Störungen im Kosmos
Die letzte Mondfinsternis zeigte unerklärliche
Abweichungen von den Berechnungen
der Astronomen.
Guter Mond, du gehst so stille ...
Aber manchmal gehst du vor.
Der Gelehrten scharfe Brille
Äugt verdutzt zu dir empor.
Was sie in den Sternen fanden
Und todsicher kalkuliert.
Machst du, Vagabund, zuschanden,
find die Lerrn sind angeschmiert.
Einerseits ist dies nicht edel.
Anderseits ist es fatal:
Es bekümmert fleiß'ge Schädel
!lnd erschüttert die Moral.
Wenn die Menschheit schiebt und gaukelt.
Wenn der Erdball schwankt und kracht.
Lat, daß auch der Simmel schaukelt.
Man doch nicht entfernt gedacht.
Gehst du immer noch zu Biere,
Liederlicher alter Gauch?
Oder lockern die Scharniere
Sich des Universums auch!
Schweigend grinst dein gelber Schimmer
Auf den Kopf, der Rätsel klaubt:
Auch hier oben kommt's halt immer
Anders, als der Weise glaubt. p.
Vorwärts
Der große Mann
Dies zu begreifen, brauchk's nichk viel:
Nur wer marfchierk, erreicht sein Ziel!
Wir kraken an, — und das Schandgesetz
Ward Bismarcks und nicht unser Netz!
Wir lraken an zu Millionen:
Da fielen die Fürsten, da stürzten die Kronen!
Eine vergebliche Kletterei
Siegreich sitzt der Dollar aus der Stange,
Die Valutaschwachen mühn vergeblich sich
Doch dem goldnen Dollar ist nicht bange.
Denn das Rutschen kriegen alle sicherlich.
Eine deulschnallonale Zeitung hak eine Umfrage nach
dem „großen Mann" gehalten.
Za, Hallen wir einen großen Mann,
So einen — ihr wiht schon — der alles kann.
Einen Mann von Eisen, einen Mann von Stahl,
Don Belo» womöglich — und kolossal,
Einen Riesen mit einer Brust von Erz,
Und in der Brust ein eisernes Herz —
So einen Kanzler als Deutschlands Leiter:
Ei weih, ei weih, da wären wir weiter!
So einen Zyklopen, der niemals schmunzelt.
Der von morgens bis abends die Stirne runzelt,
Der, wenn nur sein Adlerauge blitzt,
Dem Gegner die Angst aus den Poren schwitzt,
And wenn der doch opponiert und klöhnt.
Ihn mit Donnerstimme zusammendröhnt —
Za, so ein Gigant mit langen Stiebeln,
Der befreite uns bald von allen Übeln.
Der würde euch was mit Reparationen!
Der schmisse mal wieder blaue Bohnen.
Der setzte seinen ehernen Fuß
Auf das ekelhafte Friedensgeschmus.
Der zöge das Schwert mit sehnigem Arm,
Der ginge dazwischen, dasz Gott erbarm!
Da hält'es gebrannt, da hält'es geraucht,
Ein Krieg —das ist es, was Deutschland braucht.
Za, hätten wir diesen großen Mann,
Wir wären wie Gott in Frankreich dran.
Wir hätlen Kleidung, wir hätten Futter,
Kartoffeln und Braten, Eier und Butter.
Wir labten uns an Schinken und Würsten,
An einem Kaiser und dreißig Fürsten.
Mo aber bleibt unser stolzes Idol? ...
Er kann nicht konimen. Ihm ist nicht wohl.
Pan
Wir werden bester
Es ist nicht wahr, daß es mit der Sittlich-
keit in deutschen Landen bergab geht. Es geht
bergauf! Der „Verband keuscher Post- und
Telegraphenbeamtinnen" — so heißt er jetzt —,
der schon früher den „gefallenen Mädchen"
gern noch einen Stoß gab, damit sie die Kraft
einer energischen Ethik spürten, nimmt sich
nunmehr auch der Witwen an. Witwen sind
in der Regel verheiratet gewesen und schon
darum verdächtig. Aber solange die unsittliche
Institution der Ehe von Rechts wegen an-
ertamit wird, muß eine gefestigtere Moral sich
damit begnügen, in das Vorleben zu schnüffeln
und die Geburtstage der Sprößlinge mit dem
Heiratsdatum vergleichen. Stellt sich heraus,
daß die chronologische Folge nicht klappt, dann
ist auch eine Kriegerwitwe tief unter jener
moralischen Reife, die zum Telephonieren und
Markenverkauf dringend erfordert wird. Sie
kann niemals in die keusche Gemeinschaft der
Beamtinnen ausgenommen werden. Der re-
publikanische Postminister hat seine zweitgrößte
Freude an dieser Engelschar — seine größte
ist die Erhöhung der Portotarise —, und er
träumt davon, mit den Reichsbetrieben nicht
nur das finanzielle Defizit, sondern auch das
Manko in der deutschen Sittlichkeit auszu-
gleichen.
Zunächst soll vor dem Berliner Postministe-
rium ein Pranger sür „gestrauchelte Mädchen
und Witwen" errichtet werden, während für
den keuschen Beamtinnenvorstand ein Platz im
Postinuseum reserviert wird. Spätere Jahr-
hunderte wollen so was doch auch sehen! Ob
inan die Damen in Spiritus oder als Mumien
ausbewahren wird, steht noch dahin. In je-
dem Falle werden sie wollene Unterhosen an-
kriegen. tp.
Papsikrönung
Das fromme, das reiche, das glänzende Dom
Ist festlich versammelt im Petersdom.
Es schiebt sich und drückt im dichten Gedränge
Und harret erwartend die gaffende Menge.
Der Weihrauch jchwadet. Oer Hymnus tönt.
Habemus Papam. Der Papst wird gekrönt.
RIs plötzlich die silbernen Tuben erschallen,
Lieht man den Zug des Papstes wallen,
Oie Menge fällt betend aufs Knie. (Das gleicht,
wie wenn der wind ein Kornfeld bestreicht.)
Den mitrageschmückten Herrn der Leele
Trägt man inmitten der Kardinale
Huf güldenem, schwellendem Tragethron.
(Lein Kreuz trug barfuß der Menschensohn!)
Und Ltraußenfächer befächeln sein Haupt,
Damit kein Stäubchen sein Antlitz bestaubt.
„Herr, hilf ihm!" singen die Sängerchöre,
„Uns daß der Satan sein Werk nicht störe!"
Oer bronzene Petrus schaut ernst und stumm
Ruf das schimmernde heilige Kollegium.
Der Kurienkardinal tritt zum päpstlichen Thron,
Zu krönen der Kirche fürnehmsten Sohn.
Als er die Tiara auf die Stirne ihm drückt,
' Ist mehr wie der Papst die Menge beglückt.
Tin rasend frenetischer Jubel erdröhnt.
Tvoiva il Papa! — Der Papst ist gekrönt!
© Heiliger Vater, du bist voll der Gnade
Inmitten der Macht- und Keichtumsparade,
Auf deiner Krone funkeln Juwelen,
Die nichts von der Lehre des Rrnffeins erzählen.
Du segnest die Welt - die Welt von heut,
Die Menschenblut opfert und nicht bereut,
Statt sie mit Blitzen und Donnerwettern
Zur blutgetränkten Erde zu schmettern.
© Heiliger Vater, was bist du so bleich?
Du hast den Schlüssel zum Himmelreich.
Trotzdem kannst du nicht selig machen
Die werkenden Massen, die Armen und Schwachen,
Venen die eigene schaffende Kraft
Oie heiß ersehnte Erlösung verschafft.
Den Felsen Petri umbrandet die pflügende Zeit,
Die auch die Schöpfer des Reichtums befreit.
Viktor ltalinowst.i
Störungen im Kosmos
Die letzte Mondfinsternis zeigte unerklärliche
Abweichungen von den Berechnungen
der Astronomen.
Guter Mond, du gehst so stille ...
Aber manchmal gehst du vor.
Der Gelehrten scharfe Brille
Äugt verdutzt zu dir empor.
Was sie in den Sternen fanden
Und todsicher kalkuliert.
Machst du, Vagabund, zuschanden,
find die Lerrn sind angeschmiert.
Einerseits ist dies nicht edel.
Anderseits ist es fatal:
Es bekümmert fleiß'ge Schädel
!lnd erschüttert die Moral.
Wenn die Menschheit schiebt und gaukelt.
Wenn der Erdball schwankt und kracht.
Lat, daß auch der Simmel schaukelt.
Man doch nicht entfernt gedacht.
Gehst du immer noch zu Biere,
Liederlicher alter Gauch?
Oder lockern die Scharniere
Sich des Universums auch!
Schweigend grinst dein gelber Schimmer
Auf den Kopf, der Rätsel klaubt:
Auch hier oben kommt's halt immer
Anders, als der Weise glaubt. p.
Vorwärts
Der große Mann
Dies zu begreifen, brauchk's nichk viel:
Nur wer marfchierk, erreicht sein Ziel!
Wir kraken an, — und das Schandgesetz
Ward Bismarcks und nicht unser Netz!
Wir lraken an zu Millionen:
Da fielen die Fürsten, da stürzten die Kronen!
Eine vergebliche Kletterei
Siegreich sitzt der Dollar aus der Stange,
Die Valutaschwachen mühn vergeblich sich
Doch dem goldnen Dollar ist nicht bange.
Denn das Rutschen kriegen alle sicherlich.
Eine deulschnallonale Zeitung hak eine Umfrage nach
dem „großen Mann" gehalten.
Za, Hallen wir einen großen Mann,
So einen — ihr wiht schon — der alles kann.
Einen Mann von Eisen, einen Mann von Stahl,
Don Belo» womöglich — und kolossal,
Einen Riesen mit einer Brust von Erz,
Und in der Brust ein eisernes Herz —
So einen Kanzler als Deutschlands Leiter:
Ei weih, ei weih, da wären wir weiter!
So einen Zyklopen, der niemals schmunzelt.
Der von morgens bis abends die Stirne runzelt,
Der, wenn nur sein Adlerauge blitzt,
Dem Gegner die Angst aus den Poren schwitzt,
And wenn der doch opponiert und klöhnt.
Ihn mit Donnerstimme zusammendröhnt —
Za, so ein Gigant mit langen Stiebeln,
Der befreite uns bald von allen Übeln.
Der würde euch was mit Reparationen!
Der schmisse mal wieder blaue Bohnen.
Der setzte seinen ehernen Fuß
Auf das ekelhafte Friedensgeschmus.
Der zöge das Schwert mit sehnigem Arm,
Der ginge dazwischen, dasz Gott erbarm!
Da hält'es gebrannt, da hält'es geraucht,
Ein Krieg —das ist es, was Deutschland braucht.
Za, hätten wir diesen großen Mann,
Wir wären wie Gott in Frankreich dran.
Wir hätlen Kleidung, wir hätten Futter,
Kartoffeln und Braten, Eier und Butter.
Wir labten uns an Schinken und Würsten,
An einem Kaiser und dreißig Fürsten.
Mo aber bleibt unser stolzes Idol? ...
Er kann nicht konimen. Ihm ist nicht wohl.
Pan
Wir werden bester
Es ist nicht wahr, daß es mit der Sittlich-
keit in deutschen Landen bergab geht. Es geht
bergauf! Der „Verband keuscher Post- und
Telegraphenbeamtinnen" — so heißt er jetzt —,
der schon früher den „gefallenen Mädchen"
gern noch einen Stoß gab, damit sie die Kraft
einer energischen Ethik spürten, nimmt sich
nunmehr auch der Witwen an. Witwen sind
in der Regel verheiratet gewesen und schon
darum verdächtig. Aber solange die unsittliche
Institution der Ehe von Rechts wegen an-
ertamit wird, muß eine gefestigtere Moral sich
damit begnügen, in das Vorleben zu schnüffeln
und die Geburtstage der Sprößlinge mit dem
Heiratsdatum vergleichen. Stellt sich heraus,
daß die chronologische Folge nicht klappt, dann
ist auch eine Kriegerwitwe tief unter jener
moralischen Reife, die zum Telephonieren und
Markenverkauf dringend erfordert wird. Sie
kann niemals in die keusche Gemeinschaft der
Beamtinnen ausgenommen werden. Der re-
publikanische Postminister hat seine zweitgrößte
Freude an dieser Engelschar — seine größte
ist die Erhöhung der Portotarise —, und er
träumt davon, mit den Reichsbetrieben nicht
nur das finanzielle Defizit, sondern auch das
Manko in der deutschen Sittlichkeit auszu-
gleichen.
Zunächst soll vor dem Berliner Postministe-
rium ein Pranger sür „gestrauchelte Mädchen
und Witwen" errichtet werden, während für
den keuschen Beamtinnenvorstand ein Platz im
Postinuseum reserviert wird. Spätere Jahr-
hunderte wollen so was doch auch sehen! Ob
inan die Damen in Spiritus oder als Mumien
ausbewahren wird, steht noch dahin. In je-
dem Falle werden sie wollene Unterhosen an-
kriegen. tp.