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Die Llrsache
„Warum wollen die Vereinigten Staaten nicht an der Konferenz
von Genua teilnehmen?"
„Weil wir viel zu weichherzig sind und daher befurchten, unser
schönes Geld in Europa zu verlieren."
Lobelspäne
Es tanzen und tafeln die Drohnen,
Sie sind aus Rand und Band —'
Es hungern dreißig Millionen
Inzwischen im Russenland.
Wild jubeln beim Jazzband die Geige»,
Hoch schrillt der Tänzer Juchhei —
Sie bringen doch nicht zum Schweigen
Dort den Millionenschrei.
Man hat viel Geld für Kanonen
Im hochwohlweisen Verband —
Nur nicht für die dreißig Millionen
Im hungernden Russenland.
k
Die Rechenkünstler in den Varietös imponieren nicht mehr: von
jeder Hausfrau wird bei der Teuerung täglich viel schwierigere Reche»,
kunst verlangt. *
Es ist den meisten wohlbekannt
Und in alten Büchern zu lesen.
Daß Hermes einst in Griechenland
Der Gott der Räuber gewesen.
So hoch geht es jetzt nicht mehr her,
Die Zeit wird trist und trister:
Jetzt bringt es Hermes von ungefähr
Nur zum Finanzminister.
Hier soll er, gegen den Bankrott,
Einsammeln der Räuber Scheine;
Im Nebenamt ist er der Gott —
Der Saar- und Moselweine.
k
Kein Wunder, wenn in solcher faulen Zeit auch die Ostereier faul sind.
k
„Gibt es in diesem Jahre keinen Osterhasen?" fragte mein Jüngster.
„Nee," sagte ick, „der wartet so lange, bis er den Weltmarktpreis er-
reicht hat." Dein getreuer Säge, Schreiner.
Wenn-
Kapp will kommen, wenn man garantiert,
Daß der Posten vor ihm salutiert.
Wenn man, wo er ausgestiegen ist,
Line schwarzweißrote Flagge hißt.
Kapp will kommen, wenn auch seinem Freund
Iagow eine Gnadensonne scheint.
Wenn er ihn nach bittren: Trennungsschmerz
Drücken darf an sein Pntschistenherz.
Kapp will kommen, wenn Justitia nicht
Allzu strenge abhält ihr Gericht,
Wenn die gelle, die ihn einst umschließt,
Hübsch möbliert und ausgepolstert ist.
Kapp will kommen, wenn man ihn als Gast
Nur mit weichem Sammethandschuh faßt.
Wenn des Hochverrates Paragraph
Schläft womöglich sanften Todesschlaf.
Kapp will kommen, wenn in Döberitz
Eingerichtet der Regierungssitz,
Wenn Brigade Ehrhardt paradiert
Und vor ihm im Stechschritt hermarschiert.
Kapp will kommen, wenn vor seinem Mut
Jeder Deutsche zieht den Bürgerhut,
Wenn, am höchsten Galgen aufgehängt.
Der Gewerkschaftsführer Schar sich drängt.
Kapp will kommen, wenn di« Republik,
Die verdammte, selbst bricht ihr Genick,
Wenn man eingcführt die Monarchie
Oder doch 'ne stramme Amnestie.
Kapp hätt' längst schon (ach, wie lieb und nett)
Sich gekauft das Eisenbahnbillett,
Wenn — und das ist grade das Malheur —
Wenn, ja, wenn das Wörtchen „Wenn" nicht wär..,.
___ E.
Sonderbare Wechselwirkung! Je tiefer Deutschland
in die Kreide gerät, desto tiefer kommt Frankreich in
die Tinte I Ll.
Treffend
Herr Raffke, der mit Schieberei ein großes Vermögen
erworben hat, weilt bei seinem Neffen auf Besuch. Er
wird als Erbonkel behandelt. Raffke, dessen Haare schon
ganz weiß sind, erzählt gelegentlich dem Jüngsten seiner
Neffen, daß er früher schwarzes Haar gehabt habe.
„Ja, ich weiß," sagt der Kleine. „Papa sagte einmal, du
hättest eine dunkle Vergangenheit gehabt."
Lieber Jacob!
Vajniegte Ostern winsche ick un bet Du Dir
in de Feierdage an de billijen Eier nich dein
Magen verdirbst. Eenen Daler det Stick! (?) Det
is ja reeneweg wie jeschonken. Ick vastehe nich,
wie de Hiehner so bei de heitije Valuta zu den
Preis lejen kennen. Oder sollten se keene Kennt-
nisnahme von de oogenblicklichen Devisenver-
hällnisse nich haben? Wat um so merkwürdijer
wäre, weil Markkurs un Hiehnerleiter sonst in
een innijes wechselseitijes Verhältnis zuein-
ander zu stehen pflejen.
Jberhaupt sieht et so aus, als wie ivenn jetz
een unuffhaltsamer Preissturz ieber uns rein-
brechen wird. Zwar de Kohlen sin vorleifig
noch 'n bisken sehr ville teirer jeworden, aber
det scheniert keenen jroßen Jeist nich. Denn
wenn man sich in Winter an't Frieren jewehnt
hat, denn braucht man zu Friehjahr janz je-
wiß keen Heizmaterial nich. Schmeichelhafter
is et, det de wichtijeren Jenußmiltel endlich
anfangen, nachzujeben. Hermes kooft de Flasche
Wein von Trierschen Winzerverein for 'n Daler
und jetzt uns in diese Hinsicht mit jutes Bei-
spiel voran. Ick freie mir, det fein eekono-
misches Talent anerkennt un er in Würdijung
seiner wirtschaftlichen Leistungen zum Reichs-
finanzminister ernannt is. Nu kennen wir uns
mit ziemliche Sicherheet uff 'ne jlickliche Zu-
kunft jefaßt machen. Ick habe jleich nach Trier
jeschrieben un 'ne Probekiste von den Hermes-
Wein bestellt. Bis jetz is aber noch nischt in-
jetroffen, un ick firchte schon, det die Sorte
vajriffen is — vastehste.
Wahrscheinlich haben de Winzerbrieder ihre
Vorräte uff de Leipziger Messe jeschickt jehabt,
un da sollen ja, wie ick in de Zeitung lese,
sämtliche Lager jereimt sind. De Keifer sin
meerschtenteels Ausländer, wat ick in't patrio-
teschen Interesse for sehr erfreilich erachte. Denn
de Leite von jenseits der Jrenze wollen ooch
leben, un wir jennen et ihnen von Herzen. Be-
sonders wo sich drieben mancher edle deitsche
Vaterlandsfreind befindet, der eene starke Sehn-
sucht nach de heimatlichen Produkte un Jetränke
haben tut. Zum Beispiel Kapp, der sich an den
wabbelijen schwedischen Punsch schon so ver-
ekelt hat, det er jetz mit Jewalt retuhr will,
wo det Vollbier bei uns wieder jenießbar je-
worden is. Bloß freies Jeleit verlangt er zu
de Bocksäsong — nachher is ihm allens piepe
un wurscht. Aber de deutsche Rejierung lehnt
det aus mir unbejreisliche Motive ab, un nu
muß der Mann in det Land ohne Schwefel un
Fosfor weiter dulden, un et kann sind, det er
an Dnrscht zujrunde jetzt un de Nazjonalisten
eenen neien anjenehmen Märtjrer zu buchen
haben.
Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,
an'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.
Zur gefälligen Beachtung!
Redaktionelle Einsendungen können im Falle der
Richtannahmc nur zurückgesandl werden, wenn Rück.
Porto beigefugt tstl Die Redaktion
RedatttonSschluß 21. März 192-
Die Llrsache
„Warum wollen die Vereinigten Staaten nicht an der Konferenz
von Genua teilnehmen?"
„Weil wir viel zu weichherzig sind und daher befurchten, unser
schönes Geld in Europa zu verlieren."
Lobelspäne
Es tanzen und tafeln die Drohnen,
Sie sind aus Rand und Band —'
Es hungern dreißig Millionen
Inzwischen im Russenland.
Wild jubeln beim Jazzband die Geige»,
Hoch schrillt der Tänzer Juchhei —
Sie bringen doch nicht zum Schweigen
Dort den Millionenschrei.
Man hat viel Geld für Kanonen
Im hochwohlweisen Verband —
Nur nicht für die dreißig Millionen
Im hungernden Russenland.
k
Die Rechenkünstler in den Varietös imponieren nicht mehr: von
jeder Hausfrau wird bei der Teuerung täglich viel schwierigere Reche»,
kunst verlangt. *
Es ist den meisten wohlbekannt
Und in alten Büchern zu lesen.
Daß Hermes einst in Griechenland
Der Gott der Räuber gewesen.
So hoch geht es jetzt nicht mehr her,
Die Zeit wird trist und trister:
Jetzt bringt es Hermes von ungefähr
Nur zum Finanzminister.
Hier soll er, gegen den Bankrott,
Einsammeln der Räuber Scheine;
Im Nebenamt ist er der Gott —
Der Saar- und Moselweine.
k
Kein Wunder, wenn in solcher faulen Zeit auch die Ostereier faul sind.
k
„Gibt es in diesem Jahre keinen Osterhasen?" fragte mein Jüngster.
„Nee," sagte ick, „der wartet so lange, bis er den Weltmarktpreis er-
reicht hat." Dein getreuer Säge, Schreiner.
Wenn-
Kapp will kommen, wenn man garantiert,
Daß der Posten vor ihm salutiert.
Wenn man, wo er ausgestiegen ist,
Line schwarzweißrote Flagge hißt.
Kapp will kommen, wenn auch seinem Freund
Iagow eine Gnadensonne scheint.
Wenn er ihn nach bittren: Trennungsschmerz
Drücken darf an sein Pntschistenherz.
Kapp will kommen, wenn Justitia nicht
Allzu strenge abhält ihr Gericht,
Wenn die gelle, die ihn einst umschließt,
Hübsch möbliert und ausgepolstert ist.
Kapp will kommen, wenn man ihn als Gast
Nur mit weichem Sammethandschuh faßt.
Wenn des Hochverrates Paragraph
Schläft womöglich sanften Todesschlaf.
Kapp will kommen, wenn in Döberitz
Eingerichtet der Regierungssitz,
Wenn Brigade Ehrhardt paradiert
Und vor ihm im Stechschritt hermarschiert.
Kapp will kommen, wenn vor seinem Mut
Jeder Deutsche zieht den Bürgerhut,
Wenn, am höchsten Galgen aufgehängt.
Der Gewerkschaftsführer Schar sich drängt.
Kapp will kommen, wenn di« Republik,
Die verdammte, selbst bricht ihr Genick,
Wenn man eingcführt die Monarchie
Oder doch 'ne stramme Amnestie.
Kapp hätt' längst schon (ach, wie lieb und nett)
Sich gekauft das Eisenbahnbillett,
Wenn — und das ist grade das Malheur —
Wenn, ja, wenn das Wörtchen „Wenn" nicht wär..,.
___ E.
Sonderbare Wechselwirkung! Je tiefer Deutschland
in die Kreide gerät, desto tiefer kommt Frankreich in
die Tinte I Ll.
Treffend
Herr Raffke, der mit Schieberei ein großes Vermögen
erworben hat, weilt bei seinem Neffen auf Besuch. Er
wird als Erbonkel behandelt. Raffke, dessen Haare schon
ganz weiß sind, erzählt gelegentlich dem Jüngsten seiner
Neffen, daß er früher schwarzes Haar gehabt habe.
„Ja, ich weiß," sagt der Kleine. „Papa sagte einmal, du
hättest eine dunkle Vergangenheit gehabt."
Lieber Jacob!
Vajniegte Ostern winsche ick un bet Du Dir
in de Feierdage an de billijen Eier nich dein
Magen verdirbst. Eenen Daler det Stick! (?) Det
is ja reeneweg wie jeschonken. Ick vastehe nich,
wie de Hiehner so bei de heitije Valuta zu den
Preis lejen kennen. Oder sollten se keene Kennt-
nisnahme von de oogenblicklichen Devisenver-
hällnisse nich haben? Wat um so merkwürdijer
wäre, weil Markkurs un Hiehnerleiter sonst in
een innijes wechselseitijes Verhältnis zuein-
ander zu stehen pflejen.
Jberhaupt sieht et so aus, als wie ivenn jetz
een unuffhaltsamer Preissturz ieber uns rein-
brechen wird. Zwar de Kohlen sin vorleifig
noch 'n bisken sehr ville teirer jeworden, aber
det scheniert keenen jroßen Jeist nich. Denn
wenn man sich in Winter an't Frieren jewehnt
hat, denn braucht man zu Friehjahr janz je-
wiß keen Heizmaterial nich. Schmeichelhafter
is et, det de wichtijeren Jenußmiltel endlich
anfangen, nachzujeben. Hermes kooft de Flasche
Wein von Trierschen Winzerverein for 'n Daler
und jetzt uns in diese Hinsicht mit jutes Bei-
spiel voran. Ick freie mir, det fein eekono-
misches Talent anerkennt un er in Würdijung
seiner wirtschaftlichen Leistungen zum Reichs-
finanzminister ernannt is. Nu kennen wir uns
mit ziemliche Sicherheet uff 'ne jlickliche Zu-
kunft jefaßt machen. Ick habe jleich nach Trier
jeschrieben un 'ne Probekiste von den Hermes-
Wein bestellt. Bis jetz is aber noch nischt in-
jetroffen, un ick firchte schon, det die Sorte
vajriffen is — vastehste.
Wahrscheinlich haben de Winzerbrieder ihre
Vorräte uff de Leipziger Messe jeschickt jehabt,
un da sollen ja, wie ick in de Zeitung lese,
sämtliche Lager jereimt sind. De Keifer sin
meerschtenteels Ausländer, wat ick in't patrio-
teschen Interesse for sehr erfreilich erachte. Denn
de Leite von jenseits der Jrenze wollen ooch
leben, un wir jennen et ihnen von Herzen. Be-
sonders wo sich drieben mancher edle deitsche
Vaterlandsfreind befindet, der eene starke Sehn-
sucht nach de heimatlichen Produkte un Jetränke
haben tut. Zum Beispiel Kapp, der sich an den
wabbelijen schwedischen Punsch schon so ver-
ekelt hat, det er jetz mit Jewalt retuhr will,
wo det Vollbier bei uns wieder jenießbar je-
worden is. Bloß freies Jeleit verlangt er zu
de Bocksäsong — nachher is ihm allens piepe
un wurscht. Aber de deutsche Rejierung lehnt
det aus mir unbejreisliche Motive ab, un nu
muß der Mann in det Land ohne Schwefel un
Fosfor weiter dulden, un et kann sind, det er
an Dnrscht zujrunde jetzt un de Nazjonalisten
eenen neien anjenehmen Märtjrer zu buchen
haben.
Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,
an'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.
Zur gefälligen Beachtung!
Redaktionelle Einsendungen können im Falle der
Richtannahmc nur zurückgesandl werden, wenn Rück.
Porto beigefugt tstl Die Redaktion
RedatttonSschluß 21. März 192-