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♦ Ostern 1922 ❖

Frohlocket und verzaget nicht! Frohlocket und verzaget nicht!

Wir auferstehn und gehn im Licht, Die Zwangsanleihe beißt uns nicht!

And triumphieren wieder mal Die Staffel ist nicht allzu hoch.

Als stets geschontes Kapital! And gute Zinsen gibt es ooch:

Frohlocket und verzaget nicht.

Dieweil uns niemals nichts geschiecht.
Dieweil uns nie ein Leid geschah
Vom deutschen Lamm! Lalleluja!

Hunger hast öu?

Hunger hast du? Und es macht dir keinen Spaß?
Ei, so iß dich doch satt, mein Zreunö, so legt stch das l
Der Herr Reichsminister für die Magenleere,
Hermes heißt er, gibt dir diese Lehre!

Daß du Mangel leidest, läßt dir keine Ruh?

Gib mehr Geld aus, Menschenskind, dann langt

es zu!

Jedenfalls ist dieses der Extrakt von allen
Reden, die im Reichstag dir so Wohlgefallen l

Du lebst schlecht und schlechter, sagst du mit Ver-
druß?

Lebe besser - und das Dasein wird dir Hochgenuß!
Diese sowie ähnliche Maximen dienen,

Sagen kluge Leute, dir sowohl wie ihnen!

Willst du kürzer noch geprägt das Zormelwort,
Vas da angebracht, wenn dir der Magen knorrt -:
Will gewisses pack die Republik verschandeln,
Laßt uns quatschen, quatschen, aber ja nicht

handeln! w.

Lieber Wahrer Jacob!

Ein geistiger Arbeiter traf eineil Bekannten,
der ihn früher öfters angepumpt hatte und
der jetzt in dickem Pelz eben in sein Auto
stieg. „Machen Sie's wie ich," riet der neue
Reiche freundlich, „schieben Sie Spirituosen.
Spiritus ist der einzige ,Geist', an dem man
was verdient!" m.

Emilchen hat das moderne Schlagwort „Be-
gabungsprüfung" aufgeschnappt. „Mutti,"
sagt er, „nach einer solchen Prüfung wird
einem also gesagt, ob man für den Beruf eines
Gelehrten oder Soldaten oder Beamten oder
Schiebers oder Spitzbuben begabt ist?"
*

Ein Lehrer versucht seinen Schülern die
Eiszeiten zu erklären, die einst über Europa
hereingebrochen. „Herr Lehrer," fragt der Sohn
eines Steigers, „haben denn damals die Berg-
leute so andauernd gestreikt?" m.

Äerrscherklubs

Die Wettiner — verflossene sächsische Kronen-
trägerfamilie — haben einen gerichtlich einge-
tragenen Verein gegründet, um so die Durch-
führung gewisser „Hausgesetze" zu sichern. Mit
den Monarchen sind bei der Revolution na-
türlich auch ihre speziellen Gesetze unter den
Schlitten gekommen, und darum macht man
jetzt Statuten daraus. Wenn die Hohenzollern,
Wittelsbacher usw. dem Beispiel folgen — und
warum sollten sie nicht? —, wird das deutsche
Vereinsleben um eine zahlreiche Spezies be-
reichert, die kein anderes Land'aufzuweisen hat.
Jeder Kegelklub muß vor Neid erblassen, wenn
solch ein Fürstenverein zum Beispiel eine Land-
partie macht und alle Teilnehmer statt der sonst
üblichen Papiermützen oder Zylinderhüte mit
Kronen antreten. Es kann aber auch sein, daß

sich die Monarchenklubs zusammenschließen und
ein Kartellverhältnis mit Krieger-, Kegel-, Skat-
«nd Lotterievereinen eingehen. Am passendsten
wäre allerdings der Anschluß an einen natio-
nalen Verband geselliger Theatervereine, denn
Komödie können sie alle spielen. Und Wilhelm
als Heldenvater wäre keine schlechte Attraktion.

-s■

Geliebtes deutsches Volk!

Mit tiefem Schmerz nehmen wir Kenntnis von der
gewissenlosen Hetze gegen unseren Hermes!

Sollten wir ihn denn wirklich fliegen sehen, ihn, den
Monn der geflügelten Preisfüße? Sollte wahr werden,
wie es heißt:

„Ein gutes Gläschen Wein
Hilft dem Alten auf die Bei»'!?"

Tiefbekümmert blicken wir auf die Folgen der Preis-
politik des Trierer Winzervcreins und erinnern uns des
Sprüchleins des guten Robert Neinick, das da lautet:

„'s ist doch närrisch, wenn wir eben
Nur vom Wein einmal genippt.

Daß das Portefeuille, wie schade.

Gleich nach einer Seite kippt!

Unser Hermes litt unter der Not des Volkes. Da hielt
er sich an den Sorgenbrecher Wein. Man hätte sich freuen
sollen, daß unser beliebtester Minister den billigsten
Weinen den Vorzug gibt!

Geliebtes deutsches Volk! Unter ihm hatten wir
Lebensmittelfchicber gute Tage!

Sollen wir ihn verlieren? Es darf nicht fein! Unser
Hermes muß bleiben, „io lang am Rhein (und auch an
der Mosel) die Rebe glüht..." Naffhals
 
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