Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
10484

Arbeit! Du großer Meister

Von Robert Seidel

Die Arbeit hat begründet
Die menschliche Gemein:

Die Arbeit hat gebildet
Der Sprache Wunderschrein:

Die Arbeit hat entzündet
Der Menschen Geisteslicht:

Die Arbeit hat gelehret

Der Menschheit Recht und Pflicht.

Arbeit, du bist der Vater
Von Kunst und Wissenschaft:
Arbeit, du bist die Freude
Der edlen Heldenschaft:

Arbeit, du bist der Tröster
In Trübsal und in Not:

Arbeit, du bist der Schöpfer
Von allem Lebensbrot.

Arbeit, du bist der Meister
Von Unterricht und Lehr':

Du kommst nicht mit der Rute
Und mit dem Buch einher.

Du gibst dem Kinde Werkzeug
Und Werkstoff in die Hand,

Damit es bildend schaffe
Sich Wissen und Verstand.

Damit es selbst entzünde
Im Tun ein Geisteslicht,

Und handelnd selber finde
Den Pfad von Recht und Pflicht;
Damit es selber pflanze
Sich Beeren, Frucht und Brot,

Und tätig fühl' und leide
Beim Werke Lust und Not.

Arbeit! Du großer Meister
Der Bildung, Zucht und Lehr':
Arbeit! Du aller Tugend
Erzvater, Schirm und Wehr:

O, bilde du die Zugend
Mit Kraft zu deinem Ruhm,
Damit sie freudig diene
Dem Volk und Menschentum.

Arbeitszeit und Dienftbereitschast

Geheimrat Hohnepipel saß in seinem Bureau
und beschnitt sich sorgfältig die Fingernägel
mit der Amtsschere. Dann holte er aus seinem
Mantel zwei belegte Brötchen, wickelte sie aus,
aß sie und las dabei die erste Seite der „Kreuz-
zeitung". Danach rollte er sich eine Zigarette
und las die zweite Seite. Er überflog die dritte
und vierte, faltete das Blatt korrekt zusammen
und wusch sich die Hände. Danach griff er zur
Feder. Er malte ein schönes ornamentales
Hakenkreuz in eine Ecke des Löschblattes. In
Vieser Beschäftigung wurde er durch den Re-
gierungsasseffor Feierlich gestört, der mit ihm
über den neuen Arbeitszeit-Gesetzentwurf spre-
chen wollte.

„Es handelt sich", sagte Feierlich, „haupt-
sächlich darum, Dienstbereitschaft und tatsäch-
lich geleistete Arbeit der Beamten begrifflich
zu trennen. Wir sagen wohl klar und scharf:
Als Arbeit gilt lediglich die mit wirklich nütz-

licher Arbeit ausgefüllte Zeit. Diese einzelnen
Zeitabschnitte sind zu summieren und —* —

Hier knallte GeheimratHohnepipel das Lineal
auf den Tisch: „Unmöglich, ganz unmöglich!"
Und mit bebenden Fingern wickelte er sich eine
neue Zigarette, zündete sie an und sagte milder:
„Wir werden uns doch nicht selber derartige
Fesseln anlegen, lieber Assessor."

„Wir — uns? Herr Geheimrat sind wohl
nicht ganz im Bilde. Die Vorschriften beziehen
sich im wesentlichen natürlich auf die unteren
Beamten. Denken Sie an Weichensteller,
Schrankenwärter und dergleichen — Leute, die
oft so wenig zu tun haben, daß —". . .

„Gut, gut." Geheimrat Hohnepipel winkte
beruhigt ab. „Dann liegt die Sache natürlich
anders. Im Vertrauen, liebertzerr Assessor, wir
kämen ja überhaupt nicht mehr nach Hause." p.

Lieber Wahrer Jacob!

Der Referent eines Vortrags über Hygiene
hat auch den Zusaminenhang zwischen Alko-
holismus und Tuberkulose, Geistes- und Ge-
schlechtskrankheiten kurz gestreift. Auf dem
Nachhausewege sagte eine alte Jungfer: „Daß
der Alkoholismus zu Schwindsucht und Geistes-
krankheit führen kann, leuchtet inir ein. Nicht
begreifen aber kann ich, wie man vom vielen
Trinken geschlechtskrank werden kann."
■k

„Heute habe ich aus dein Lager der Gegen-
partei den tausendsten Drohbrief er-

halten," sagte ein sozialdemokratischer Abge-
ordneter, „also kann ich mein Berufsjubiläum
feiern!" *

In einem Kränzchen von Honoratiorenfrauen
lenkte die Frau Staatsanwalt 3c das Gespräch
aufs Politische, indem sie ausführte, daß auch
die Sozialdemokratie entschieden ihre Ver-
dienste habe: Sie hat uns Frauen das Stimm-
recht erkämpft, so daß wir jetzt gegen den
Sozialismus stimmen können.



Oberleutnant a. D. Graf Z. liest in der Zei-
tung allerlei von den Vorgängen in der ehe-
maligen Kadettenanstalt Lichterfelde. Wie die
Primaner gegen ihre Hausdame Ausdrücke ge-
braucht haben wie: Sau, Hure, in-die-Fressr-
hauen usw. Da sagt Oberleutnant Graf Z. mit
schwerem Seufzer: „Wie schade! Was fürpräch-
tige Leutnants und Rekrutendriller sind
an diesen jungen Leuten verloren gegangen!"


Der Neffe eines Gutsbesitzers in Pommern
klagte seinem Onkel seufzend sein schweres
Schicksal: „Sieh mal, ich wollte Gardeleutnant
werden, und infolge des verlorenen Krieges muß
ich jetzt einen bürgerlichen Beruf ergreifen."

Der überarbeitete Lausbesitzer

„Sind das schwere Zeiten!" klagte dieser
Tage der vielfache Hausbesitzer Kunkel. „Ich
komme aus der Steigerung meiner
Mieter schon gar nicht mehr heraus!"

Wie Lerr Schlossermeister Kapphengst am I.Mai demonstriert

Leute, Alte, wollen wir die Sozi mal ärgern und auch den !.Mai feiern.
Die Lungerleider sollen vor Neid platzen.
 
Annotationen