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❖ Reparationslied ❖

(Nach bekannter Melodie)

Immer langsam voran, immer langsam voran,
Daß Poincare auch Nachkommen kann!

Er hat noch manche Rede im Schrank
Voll Patriotismus, Gott sei Dank.

Was tat er mit solchem Manuskript,

Wenn's nichts mehr zu reparieren gibt,

Wenn Deutschland zu Rordfrankreichs Heil
Schassen dürft' in verdächtiger Eil'?

Immer langsam voran, immer langsam voran,
Daß die Kommission auch Nachkommen kann!
Wenn alle Häuser auferbaut,

Die man jetzt als Ruinen schaut,

Wer glaubte dann noch in der Welt,

Daß Deutschland jetzt sein Wort nicht hält?
Man brauchte am Ende, welch Malheur,

Die ganze Kommission nicht mehr.


Immer langsam voran, immer langsam voran,
Daß jeder Gewinnstler Nachkommen kann!

Es bracht's die Industrie dahin,

Daß nicht das Kriegen nur schafft Gewinn,

Es trägt auch Dividendenlohn
Hüben und drüben die Reparation ...

Man ist sich in diesem Punkte eins
Auf beiden Äsern des grünen Rheins.

Immer langsam voran, immer langsam voran,
Daß der Militarismus Nachkommen kann!
Man schließe die Munde nicht zu schnell:

Der Friede wär' sonst bald zur Stell'.

And frißt die Besetzung Deutschlands Geld,
Was lut's, wenn's so Herrn Foch gefällt?
Rein, eh' nicht Deutschland ganz ruiniert,
Wird keine Bohne repariert!! Der Wahre Jacob

X

IN

Theodor Schwartz f

Geb. 14. April 1841, gest. 9. April 1922

So geht einer nach dem andern dahin von den alten
Parteigenossen. Lange genug hat sich „Thedje" gewehrt, um
endlich doch dem unheimlichen Knochenmann mit Stunden-
glas und Sense zu erliegen — unser aNer Schicksal.

Theodor Schwartz stammt aus ärmlichen Verhältnissen,
aber durch seinen §leitz hat er sich im Laufe der Zeit doch
derart emporgearbeitet, daß er es neben seiner parlamen-
tarischen Tätigkeit im Neichstag und in der Lübecker Bürger-
fchaft auch zum vaterstädtischen Chronikenschreiber brachte,
dessen Werke von gründlichem wissen Zeugnis ablegen.

vie Partei verliert in Theodor Schwartz einen ausge-
zeichneten Genossen, der auf jedem Platz, an dem er wirkte,
seine volle Schuldigbeit tat. Sein Andenken wird in dex
Partei fortleben, deren Aufblühen er sich fast ein halbes
Jahrhundert gewidmet hatte.

Die Berliner Konferenz

i.

Liebster, bester Bandervelde,

Wenn ein Mensch wie Radek Ihnen
Gegenübersiht am Tische,

Scharf belauernd Ihre Mienen,

Schießt man doch — wir sprechen offen
Als Genossen zu Genossen —

Nicht so Kapitale Böcke,

Wie Sie deren einen schossen!

Sie sind gegen des Bersailler
Paktes endliche Beendung?

Selbst als Ihr Privatgedanke
Blieb das eine falsche Wendung.

Trifft der Irrsinn, wie erwiesen,

Jenes Machwerk nicht uns alle?

Schuf er nicht die allgemeine
Elends-Internationale?

Daß die Stinnes und Konsorten
Aller Lasten, aller Bürden
Pflichtgemäßer Aufbauarbeit
Kurzerhand enthoben würden,

Das wird kein Bernünft'ger fordern.
Doch wir fordern auch dagegen.

Daß das deutsche Volk der Arbeit
Fesselfrei sich kann bewegen!

Liebster, bester Bandervelde,

Unser eignes Pack im Lande
In Räson und Schach zu halten,

Sind alleine wir imstande!

Unter Eures Pöbels Machwerk
Fester Hand den Strich zu ziehen.

Müßt ihr endlich — nichts für ungut! --
Euch energischer bemühen!

II.

Bom Schnapse leider noch benommen.
Den er beim Staatsdiner bekomnien.
Erhob der große Radek sich!

Die doppelzüngig stets gewandte
Nevolverschnauze, die bekannte.

Ließ ihn auch diesmal nicht im Stich!

Dem Bau der Einigkeit zu dienen,

Wie legte flink er seine Minen!

Wie warf er seine Bomben da!

Zur Freude der Pariser Banken
Krepierten selbige und stanken
Bis weit hinein nach Genua!

Wenn's nach den Russen war' gegangen,
Troß aller Reden, die sie schwangen,
Dann Einigkeit ade, ade!

Bon allem wären ganz entschieden
Erbaut gewesen und zufrieden
Rur Stinnes und Poincare!

III.

Doch alles in allem: laßt wehen die Fahne»',
Die Nacht ist vergangen, ein Frührot scheid
Wir wollen nicht säumen, zu werben, zu mahnet
Bis wieder ein gleiches Beginnen uns einf•

Sie setzte uns höhnend den Fuß in den Rackc^!
Sie wähnte sich sieghaft, die Bourgeoisie!

Wir wollen mit eisernen Fäusten sie packen, j
Mit eisernen Fäusten erledigen sie!



Fabeln

Der Würger

Ein rotrückiger Würgervogel wachte ’
scharfem Blick über seiner Beute; sie bestall
aus einer Reihe Käfer, die er auf die Dor»^ >
des Dornenstrauchs gespießt hatte. „Frißt ^ |
sie alle auf?" fragte ein hungriges Rotkehlch^i
aus respektvoller Entfernung. „I bewahrt I
sagte der andere, „ich übe nur das faP’*1’,!
listische Prinzip, lieber meine Beute Verderbs s
zu lassen, als den andern was zu gönne»' >

Moralische Abriistung

Eine Katze spielte mit einer Maus, peinigt-
sie bis aufs Blut und hetzte sie im Hof
her. Der Hofhund sah die Quälerei emp"4
an und sagte: „Warum marterst du das ar>» i
wehrlose Tier?" „Wehrlos?" fauchte die I
„siehst du denn nicht, daß sie noch immer nM;
moralisch abgerüstet hat?"

Die gierige Schlange

Eine Schlange hatte eine Ziege in ihre ;
walt bekomnien und bemühte sich, sie herunt^ I
zuwürgen. Ihr Leib schwoll in der Mitte »', I
förmig an, als «volle er zerspringen. Ein au'4
Affe «varnte: „Du «virst den großen Bim I
nicht verdauen. Gib ihn lieber heraus!
krew!" zischte die Schlange. „Du vergißt gsi

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daß ich eine Großinacht gervorden bin,
alles klein kriegt." Es ivaren ihre letzten Wo»
denn in diesem Augenblick platzte der aiiftg)
triebene Leib.
 
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