Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

10503

Grund zur Frömmigkeit

Fremder: Sind die Bauern hier immer so fromm?

Gendarm: Noi, Herrle, nur aus Freude, solange die Kartoffelpreise so
hoch sind.

5)obelspäne

Heute ist"inan Optimist —

Pessirniste morgen.

Heute gibt's 'ne Galgenfrist,

Morgen neue Sorgen.

Schont inan uns? Gräbt man daS Grab
Früher oder später?

Stundenweise aus und ab
Schwankt der Thermometer.

Optimist und Pessimist
Schwanken wie das Wetter:

Ewig gleich bleibt nur der — Mist
Der Revanche-Blätter.



Der kranke Mann in der Türkei kann jetzt die ebenso kranke Ma-
dame Europa in seinen Harem aufnehmen.

- ★

Die königlich bayrische Republik
Tat unter Kahr mit viel Geschick
Fürsorge-Erziehung erproben
Im dusteren Schiveinekoben.

Die königlich bayrische Republik
Ist zu beschäftigt mit Politik,

Um sich um die Kinder zu kümmern,

Die unter der Peitsche wimmern.

Die königlich bayrische Republik
Steht hoch über aller roten Kritik
Und pfeift auf die Hetzereien
Der Humanitätsduseleien.

k

„Man soll mit seinem Pfund wuchern", las der fromme Agrarier
in der Bibel, und flugS verteuerte er das Korn ums Doppelte.

■k

»Was für Blumen pflanzen wir auf unseren Balkon?" fragte meine
Aujuste. Ick entschied: „Tausendgüldenkraut. Das kann man immer ge-
brauchen." Dein getreuer Säge, Schreiner.

Der brave Patriot

Er klagte sehr und sagte mir,

Die Steuer sei gestiegen.

Doch habe in der Schweizer Bank
Er manches Sümmchen liegen.

Er lachte sehr, sei» Sohn sei klug.

Des Staates Sekretär.

Im stillen schwärme er für Kapp,

Das Amt fiel ihm nicht schwer.

Er zeigte mir sein Hakenkreuz,

Das Patrioten trügen;

Wenn dieser Staat zum Teufel ging.
So wär's ihm ein Vergnügen.

Er kniff die Augen leidvoll zu:

Das Fleisch sei jetzt so teuer.

Auch bringe ihm sein Landgut ein
Kaum einen einz'gen Dreier.

Zwei Schweinchen standen ihm im Stall,
Am steifen Mehlbrei schmausend;

Er gab sie wehen Herzens fort —

Sie brachten vierzigtausend.

Er lächelte und sprach getrost,

Er tränke nur noch Sekt;

Sein Mädel sei so lieb und nett,

Die Volksmoral defekt.

Er sagte mir, Herr Ludendorff
Sei Deutschlands wahrer Netter,

Und wer daran zu zweifeln wagt.

Den schlage Blitz und Wetter.

Kurzum, ein Man» von Schrot und Korn,
Ein wahrer Tugendrecke —

Nur schade, daß er etwas stank,

Ich floh schnell um die Ecke, Schlaraff

Lieber Jacob!

Eene edle Schar ausjepichter Menschheets
bejlicker, die nischt anderes wollten als wie de
Welt dem ewijen Frieden schenken, un die zu
diesen Zweck de Belker Eiropas, Asiens un
Afrikas mit Aushungerung, Jiftjase, Jreuel-
schwindelnachrichten un andere Stinkbomben
eenen wirksamen Anschauungsunterricht erteilt
jehabt hatten, beschließen endlich, ihre sejens-
reiche Tätigkeit durch eenen Konjreß zu be-
kreenen, der Jleichberechtijung aller Erden-
bewohner bestätijen un unter dem jejenseilig
uffjeknallten Vruderkuß bet diplomatescheSiejel
setzen soll. In Jenua sollte der Feez vor sich
jehen. Allens war in scheensten Zug, de Frie-
densengel hatten sich schon de Ärmeln uffje-
krempelt un in de Vorderflossen jespuckt — da
kommt unversehens de Nachricht von eene nie-
derträchtig schofle Jemeinheet, die de Deitschen
wieder mal besangen haben. In stillste Heim-
lichkeet haben se mit de Russen eenen Vertrag
jeschlossen, in den se sich jejenseitig Friede un
Freindschaft versichern un unter de kriejerische
Verjangenheet eenen dicken Strich machen wol-
len. Damit war natierlich de janze jettliche
Weltordnung un de heiligsten Jrundsätze der
Versailler Friedensapostel een Tritt uff de Kehr-
seite verappoplexiert. De Engelländer, die bei
ihre anderweitijen Mitmenschen immer sehr
streng vorOffenheet unEhrlichkeet sind un etfor
jottlos halten, wenn wat hinter ihren Ricken un
jejen ihre Profite passieren tut, fiehlten sich in
ihr reines Jewissen bedrickt, weil et so schlechte
Menschen jeden kann. Sintemalen se aber alle
sehr stark in de christliche Fremmigkeet sind
un außerdem sowieso schon allens injestochen
haben, wat se irjend brauchen kennen, so ver-
ziehen se mit Wehmut bet schandbare Ver-
brechen u» beteten jratis for det Seelenheil

von Rathenauen und Tschitscherinen. Damit
hatten se aber det franzeesche Kalb sozusagen
in't Ooge jeschlagen. Del rollte mit de Kulpsen
un schlug mit den Schwanz in de Liste un
blökte von vorne un von hinten un benahm
sich ieberhaupt so wie eene stolze Nazjon, die
vier Jahre lang ejal Wichse besehen hat un
denn unverhofft zum Siejer in eenen Welt-
krieg ernennt worden is. Weil aber de fran-
zeesche Sprache wejen ihre ölejante un heef-
liche Ausdrucksformen de anerkannte Sprache
der eiropäischen Diploinatie is, so befanden
sich de Franzosen in die anjenehme Lage, de
Deitschen jejenieber Worte zu jebrauchen, uff die
een schlichter Mensch, der det Franzeesche »ich
so jeleifig beherrscht, im alljemeenen mit 'ne
eenfache Backfeife zu antworten flegt. Mit diese
Jlanzleistung hatte de Friedens- un Freind-
schaftskonferenz von Jenua ihren imposanteste»
Hehepunkt erreicht, un de janze Welt blickt stau-
nend uff Frankreich. Wir elende Deitsche so-
jar außerdem mit jewisse Neidjefiehle. Denn
wir haben man bloß eenen eenzijen Wilhelm
besessen, un der is uns ieber de Jrenze aus-
jekniffen. Frankreich aber scheint oogcnblicklich
aus lauter Wilhelme zu bestehen. Un wenn da-
von een kleener Teil sich ooch innerhalb un-
serer Jrenzen uffhält, so is det doch keen rechter
Trost, un wir sehen mit Schmerz, det wir aus
die Stellung, die wir frieher in de Welt in-
nahmen, endjiltig rausjedrängelt sind.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein s
jetreier Jotthilf Rauke,

an'» Jörlitzer Bahnhof jleich links.

Zur gefälligen Beachtung!

Redaktionelle Einsendungen können ini Falle der
Nichtannahme »ur znriickgcsandt werden, wenn Rück-
porto beigefiigt ist! Die Redaktion

Liedaktionsfchluß S. Mai IS2S,
 
Annotationen