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10527

Von Genua zurück

Lloyd George:

„Der Mensch denkt —

Poincare lenkt!"

Hobelspäne

In den Tagen der Entfremdung,
Die erfüllt von hartem Zwang,
Späht die Seele suchend aus,
Alach Erlösung, nach Versöhnung!

In dem Zwist, dem wilden Streiten,

In der Zeit der Konferenzen,

Schwirrt ein' Raunen wundersam,
Sphärenhafter Zeitmusik!

Und die zivangerfüllte Seele
Wittert in den fremden Klängen
Dämmernd eine neue Zeit!

Die die Menschen wieder eint!

k

Nick Carter, der Verfasser von 1076 Detektiv- und Schundbüchern,
beging Selbstmord. Wahrscheinlich, weil ihm die Phantasie Ansbachs
zu starke Konkurrenz machte. *

Wo man auch fragt und wie man klagt, —

Der Zucker fehlt uns heuer.

Und wer „Mein Zuckerschnutchen" sagt,

Bezahlt jetzt Luxussteuer.

Der Wuchrer sagt: Der Zucker dien'

Der teuren Schokolade.

Den armen Kindern nimmt er ihn
Schamlos und ohne Gnade.

Vergebens ringt im armen Haus
Die Hausfrau ihre Hände.

Die Wuchrer powern uns halt aus
Bis zu dem bittren Ende.



Der Vatikan und die Sowjetleute haben sich angefreundet. Da haben
also zwei „tote Hände" einander gewaschen.

k

. „Worin besteht bloß der vielgerühmte Segen des freien Handels?"
fragte meine Aujuste bekümmert. Ick erklärte: „Darin, daß die wuchern
den Händler frei bleiben." Dein getreuer Säge, Schreiner.

L ^

Gereimtes und Llngereimtes

Die Münchner Flaggenhetzer sind neuerdings
zu einem Entgegenkommen bereit: sie wollen
sich mit einer schwarzgoldenen Fahne zufrieden
geben, da dies ihre Leibfarben sind. Nur das
verdammte Rot muß heraus, da es die Stamm-
gäste vom Hofbräuhaus zu sehr ansregt.

*

Beim Boxermatsch am Seinestrand —

Ganz England las es mit Beben

Hat jüngst dem Briten des Franzmanns Hand

Forsch den Knock-out gegeben.

Das ganze Frankreich schrie hurra.

Es sprach Lloyd George mit Bangen:

„Ist mir's am End' in Genna
Nicht gerade so ergangen?"

k

Englische Expeditionen suchen in Südamerika
nach lebenden Sauriern. Als ob es unter de»
Entente-Politikern nicht genug vorsintflutliche
Viecher gäbe! *

Pyrmont kam zu Preußen. Wenn das nur
nicht Poincarö hört! Sonst redet er wieder
eine Rede von dem preußischen Eroberungs-
geist, der auch in der Republik weiterlebt.

k

Auch Willem schreibt ein Erinnerungsbuch.

Man sieht, er bleibt beim alten:

Er konnte früher die Zunge nicht

Und jetzt — die Tinte nicht halten.

k

Am Niederrhein hat sich eine französische
Fabrik etabliert, die täglich 6000 Liter deutscher
Milch zu Gervaiskäse verarbeitet. Der „Kasus"
macht nicht lachen: wie leicht könnte sich die
deutsche Milch der frommen Denkungsart in
französischen Mägen zu dräuend Drachengift
verwandeln!

Lieber Jacob!

Ick schmeichle mir allerdings, zu de jebildten
Stände zu zählen, aber in manche Wissen-
schaften kann ick mir denn doch nich immer
zurechtfinden. Zum Beispiel jetz wieder. Dieset
Friehjahr war doch sonne Hundekälte, det eener
im Mai ruhig hätte Weihnachten feiern kennen.
Un da stellt nu een Jelehrter fest, det wir aus-
jerechent een neiet Hitzezeitalter entjejenjehen,
wie et, ick weeß nicht vor wie ville hundert-
dausend Jahr schon mal soll jeivesen sind, un
det wir uns druff sollen jefaßt machen, det
eene tropische Tier- un Flanzenwelt in Eiropa
inziehen wird. Der Mann hat det janz jenau
ausjerechent, un ick kann mir nich anmaßen,
ihm een Alibi nachzuweisen, sondern ick ziehe
meine Schlußfoljerungen un richte mir uff de
Zukumft ein.

Schon Heere ick im Jeiste in de Wuhlheide
de Palmen rauschen un trete in Schlesischen
Busch aus eenen Kaktus in ’n andern. Und
dem Kreuzberg sehe ick mit siedlichen Rot-
spohn beflanzt, in Tierjarten klappern de Klap-
perschlangen, Nilferde plätschern in'n Kupfer-
jraben un uff't Brandenburger Tor nistet een
Vogelslraußenpaar. Der Zoo wird pleite, weil
det Publikum seine sämtlichen wissenschaftlichen
Reize in de effentliche Natur jratis jenießen
kann, un in't Aquarijum wird der letzte aus-
jestorbene saure Hering in Spiritus jezcigt. In
de Lebensmittelbransche aber tritt een tief-
jreifender Umschwung in. Bei'n Schlächter in't
Schaufenster hängen Jiraffenkeile, Löwenfoten
un Elefantenrippchen. In de Kneipen an de
Oberspree eßte Krokodill jrien mit Jurken-
salat, un als Feinstes bei Adlon jibt et Spre
chendes Papajeienweißsauer. Ratierlich ivird
ooch de Bekleidung an de veränderten kliinate
schen Umstände teilnehmen missen, un in diese

Hinsicht jede ick mir de berechtigtsten Hoff-
nungen hin.

Wie meine Olle mir jestern ereffente, det
se unweijerlich eene neie Kluft neetig habe,
bat ick ihr, sich man bloß noch 'ne janz kurze
Zeit zu jeduldijen, bis die in bestimmte wissen-
schaftliche Aussicht stehenden Tropen bei uns
einjetroffen seien un ihr in die überaus an-
jenehme Lage versetzen wirken, sich dann mit
een enfachet, aber kleidsamet Schnupftuch als
Lendenschutz zu bejniejen. Se fragte mir, ob
mir villeicht wat in't Ooge jeflogen sei, un
wie ick ihr det nei entdeckte Problem erklärt
hatte, meente se, wenn se sich wie 'ne Wilde
kostimieren solle, denn misse se vorher erst
schwarz jeworden sind wie de Wilden. „Kommt
allens," sagte ick, „warte man ruhig ab, bis
det erste Rhinozeros bei de Zelten zur Tränke
zieht. Denn werden ooch wir uns. dement-
sprechend umjeändert haben." „Da brauche ick
jar nich warten!" schnob mir mein Haussejen
an, „een jewisset Rhinozeros habe ick schon
hundertmal Sonntags bei de Zelten zu de
Tränke ziehen sehen, un du hast ieberhaupt
jar keenen Witterungswechsel nich mehr neetig,
denn du bist schon als Kaffer uff de Welt je-
kommen!"

Ick sähe, det mit diese Unbildung keene
wissenschaftliche Unterhaltung nich mceglich is,
un schwieg. Aber neijierig bin ick doch, wie
det nu eejentlich werden wird.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.

Zur gefälligen Beachtung!

Redaktionelle Einsendungen könne» km Falle der
Nichtannahme nur zurückgesandt werden, wen» Rück-
Porto dcigefiigt ist! Die Redaktion

RedakttonKschluß k.JuniIS22.
 
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