10533
Die Bureaukralie einst und jetzt Verarmung
Kleine Geschichten vom Tage
Spionage
Eines Tages meldete sich beim französischen
Kriegsminister ein Herr mit unaussprechlichem
Namen, gebürtig aus Oljutorsk, das in Kam-
tschatka liegt, Kamtschatka aber liegt gleich
hinter dem berühmten Zaun, an dem die Welt
aufhört. Meldete sich also und sagte, er sei ein
geschickter Stempelschneider und geübter Fak-
similist, und wenn man ihm noch eine Schreib-
maschine gebe, werde er der französischen Re-
gierung die schönsten Geheimberichte über die
militärischen Rüstungen Deutschlands liefern.
„Aus Kamtschatka kommen Sie?"
„Ja."
„Kennen Sie Deutschland?"
„Nein."
„Haben Sie Beziehungen zu Deutschland?"
„Auch nicht."
„Ja, aber —" meinte Herr Lefövre.
„Was aber," sagte der Herr aus Kamtschatka,
„mit dem Herrn Doktor Ansbach sind Sie doch
auch sehr zufrieden gewesen!"
„Das stimmt," sagte Herr Lefevre, „da haben
Sie recht. Also schön —" und er reichte dem
freundlichen Fremdling die Hand, „versuchen
wir cs einmal mit Ihnen!"
Nicht zulassen!
„Die deutsche Finanz kann auf der Haager
Konferenz natürlich nicht zugelassen werden,"
erklärte der Engländer.
„Ganz Ihrer Ansicht," stimmte der Fran-
zose bei, „sie kann nicht zugelassen werden, sie
muß vielmehr neuen Zugriffen geöffnet werden!"
Ein Wucherer
zog seinem Opfer den letzten Rock aus. Aber
die Not des Armen rührte ihn, und er borgte
ihm eine Kleiderbürste.
„Was soll mir das Ding?" jammerte der
Arme.
„Sie tun," antwortete der Wucherer mit
mildem Vorwurf, „als ob Sie den Segen einer
internationalen Anleihe für Deutschland nicht
einsehen können!"
In einem okkultistischen Zirkel,
vor dem sich ein Medium produzierte, dessen
Spezialität die Beschwörung vom geschichtlichen
Größen war, bat ein Mann, den Papst Boni-
fazius VIII. erscheinen zu lassen und ihn über
die Weltlage zu interpellieren.
Das Medium versank in Trance. Nach fünf
Minuten bekundete Papst Bonifazius VIII.
durch seinen Mund, daß die sündige Welt die
Abkehr vom Christentum sehr bald werde
schwer zu büßen haben.
Als das elektrische Licht wieder angeknipst
war, erhob sich der Mann und sagte zum
Medium: „Ich danke Ihnen für Ihre Be-
mühung! Ihre Leistungen sind fabelhaft! Es
hat nie einen Papst Bonifazius VIII. in der
Geschichte gegeben!"
Der Friede
Ein französischer Deputierter hielt in seinem
Heimatbezirk bei einer Kriegserinnerungsfeier
die Festrede an den Soldatengräbern. Er schloß
seine Rede: „Ehre dem Andenken der Toten,
sie haben Frankreich einen ewigen Frieden er-
kämpft!"
„Ich meine, sie haben ihn ausschließlich für
sich behalten," sagte der Bürgermeister zu
seinem Schreiber. w.
☆
Brüder
Laßt endlich uns das Leid vergeffen,
Das aus den Trümmern, Gräbern schreit.
Laßt Menschenliebe uns ermessen.
Ans Brüder nennen allezeit.
Begrabt den Schmerz, die Not, die Qualen,
Reißt nieder, was die Menschen trennt.
Der Himmel glüht von Lichtstgnalen,
Der Freiheit heil'ges Feuer brennt! A. st.
Mordsucht
Der „Nationaldemokrat" des Herrn Lebius
will die Führer der U.S.P.D. und die Pazi-
fisten als „Verräter" und „Franzosenpartei"
„ohne Zögern und falsches Mitleid unschäd-
lich machen" — sobald sich die Lage zuspitzt.
Die Lage war schon einmal zugespitzt, und Herr
Lebius ist am Leben geblieben. Er kann so-
gar zum Mord animieren und sagen, es spiele
gar keine Rolle, wenn Blut fließen sollte. Und
da Staatsanwalt und Gerichte offenbar der
gleichen Meinung sind — sonst säße Herr Le-
bius schon im Kasten —, so besteht die Mög-
lichkeit, daß diese Ansicht auch im Volke Boden
gewinnt. Sobald sich die Lage dann zuspitzt,
werden die Anschauungen wieder weit aus-
einandergehen. Herr Lebius und die anderen
Herrschaften werden dann nämlich sehr schnell
erkennen, daß das Blut nur dann keine Rolle
spielt, wenn andere es verlieren. Das eigene
hingegen — ? . . . Manche Leute sind recht
unvorsichtig. p.
A
Verdrehte Schuld
Herr Ludendorff, der eifrige Sucher nach
den Kriegsschuldigen, hat entdeckt, daß der
Pazifismus, also die Friedensliebe, mit zu den
Ursachen des Krieges gehört. Als der Fuchs
eine Gans gestohlen hatte, sagte er, der Bauer
sei schuld, denn der Bauer habe immer gegen
die Füchse geredet und ihnen alle möglichen
Schandtaten angedichtet, zum Beispiel, daß sie
Gänse stehlen. Darüber kann einer schon zor-
nig werden. Die Pazifisten loben den Völkcr-
frieden und preisen die Herrschaft der Ver-
nunft. Darüber kann sich ein Kriegsmann schon
ärgern; denn das geht gegen seinen Bern»,
dessen Notwendigkeit dann eben nial wieder
bewiesen werden muß. Also: es stimmt schon.
Die Pazifisten haben den Krieg verursacht. Noch
besser aber stimmt es, wenn Onkel Bräsig sagt:
Die Armut kommt von der Powerteh . . .
meinen Sie nicht, Exzellenz? p.
Die Bureaukralie einst und jetzt Verarmung
Kleine Geschichten vom Tage
Spionage
Eines Tages meldete sich beim französischen
Kriegsminister ein Herr mit unaussprechlichem
Namen, gebürtig aus Oljutorsk, das in Kam-
tschatka liegt, Kamtschatka aber liegt gleich
hinter dem berühmten Zaun, an dem die Welt
aufhört. Meldete sich also und sagte, er sei ein
geschickter Stempelschneider und geübter Fak-
similist, und wenn man ihm noch eine Schreib-
maschine gebe, werde er der französischen Re-
gierung die schönsten Geheimberichte über die
militärischen Rüstungen Deutschlands liefern.
„Aus Kamtschatka kommen Sie?"
„Ja."
„Kennen Sie Deutschland?"
„Nein."
„Haben Sie Beziehungen zu Deutschland?"
„Auch nicht."
„Ja, aber —" meinte Herr Lefövre.
„Was aber," sagte der Herr aus Kamtschatka,
„mit dem Herrn Doktor Ansbach sind Sie doch
auch sehr zufrieden gewesen!"
„Das stimmt," sagte Herr Lefevre, „da haben
Sie recht. Also schön —" und er reichte dem
freundlichen Fremdling die Hand, „versuchen
wir cs einmal mit Ihnen!"
Nicht zulassen!
„Die deutsche Finanz kann auf der Haager
Konferenz natürlich nicht zugelassen werden,"
erklärte der Engländer.
„Ganz Ihrer Ansicht," stimmte der Fran-
zose bei, „sie kann nicht zugelassen werden, sie
muß vielmehr neuen Zugriffen geöffnet werden!"
Ein Wucherer
zog seinem Opfer den letzten Rock aus. Aber
die Not des Armen rührte ihn, und er borgte
ihm eine Kleiderbürste.
„Was soll mir das Ding?" jammerte der
Arme.
„Sie tun," antwortete der Wucherer mit
mildem Vorwurf, „als ob Sie den Segen einer
internationalen Anleihe für Deutschland nicht
einsehen können!"
In einem okkultistischen Zirkel,
vor dem sich ein Medium produzierte, dessen
Spezialität die Beschwörung vom geschichtlichen
Größen war, bat ein Mann, den Papst Boni-
fazius VIII. erscheinen zu lassen und ihn über
die Weltlage zu interpellieren.
Das Medium versank in Trance. Nach fünf
Minuten bekundete Papst Bonifazius VIII.
durch seinen Mund, daß die sündige Welt die
Abkehr vom Christentum sehr bald werde
schwer zu büßen haben.
Als das elektrische Licht wieder angeknipst
war, erhob sich der Mann und sagte zum
Medium: „Ich danke Ihnen für Ihre Be-
mühung! Ihre Leistungen sind fabelhaft! Es
hat nie einen Papst Bonifazius VIII. in der
Geschichte gegeben!"
Der Friede
Ein französischer Deputierter hielt in seinem
Heimatbezirk bei einer Kriegserinnerungsfeier
die Festrede an den Soldatengräbern. Er schloß
seine Rede: „Ehre dem Andenken der Toten,
sie haben Frankreich einen ewigen Frieden er-
kämpft!"
„Ich meine, sie haben ihn ausschließlich für
sich behalten," sagte der Bürgermeister zu
seinem Schreiber. w.
☆
Brüder
Laßt endlich uns das Leid vergeffen,
Das aus den Trümmern, Gräbern schreit.
Laßt Menschenliebe uns ermessen.
Ans Brüder nennen allezeit.
Begrabt den Schmerz, die Not, die Qualen,
Reißt nieder, was die Menschen trennt.
Der Himmel glüht von Lichtstgnalen,
Der Freiheit heil'ges Feuer brennt! A. st.
Mordsucht
Der „Nationaldemokrat" des Herrn Lebius
will die Führer der U.S.P.D. und die Pazi-
fisten als „Verräter" und „Franzosenpartei"
„ohne Zögern und falsches Mitleid unschäd-
lich machen" — sobald sich die Lage zuspitzt.
Die Lage war schon einmal zugespitzt, und Herr
Lebius ist am Leben geblieben. Er kann so-
gar zum Mord animieren und sagen, es spiele
gar keine Rolle, wenn Blut fließen sollte. Und
da Staatsanwalt und Gerichte offenbar der
gleichen Meinung sind — sonst säße Herr Le-
bius schon im Kasten —, so besteht die Mög-
lichkeit, daß diese Ansicht auch im Volke Boden
gewinnt. Sobald sich die Lage dann zuspitzt,
werden die Anschauungen wieder weit aus-
einandergehen. Herr Lebius und die anderen
Herrschaften werden dann nämlich sehr schnell
erkennen, daß das Blut nur dann keine Rolle
spielt, wenn andere es verlieren. Das eigene
hingegen — ? . . . Manche Leute sind recht
unvorsichtig. p.
A
Verdrehte Schuld
Herr Ludendorff, der eifrige Sucher nach
den Kriegsschuldigen, hat entdeckt, daß der
Pazifismus, also die Friedensliebe, mit zu den
Ursachen des Krieges gehört. Als der Fuchs
eine Gans gestohlen hatte, sagte er, der Bauer
sei schuld, denn der Bauer habe immer gegen
die Füchse geredet und ihnen alle möglichen
Schandtaten angedichtet, zum Beispiel, daß sie
Gänse stehlen. Darüber kann einer schon zor-
nig werden. Die Pazifisten loben den Völkcr-
frieden und preisen die Herrschaft der Ver-
nunft. Darüber kann sich ein Kriegsmann schon
ärgern; denn das geht gegen seinen Bern»,
dessen Notwendigkeit dann eben nial wieder
bewiesen werden muß. Also: es stimmt schon.
Die Pazifisten haben den Krieg verursacht. Noch
besser aber stimmt es, wenn Onkel Bräsig sagt:
Die Armut kommt von der Powerteh . . .
meinen Sie nicht, Exzellenz? p.