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In Sachen Runge
„Schaffen Sie mir den Runge aus dev Welt, sage ich Ihnen! Schlagen
Sie den Hund tot, wo Sie ihn finden! Ein Skandal, daß der Lümmel noch
herumläuft! Glauben Sic, wir haben Lust, durch Ihre Faulheit noch vor
den Staatsanwalt zu kommen?"
„Entschuldigen Sie, Exzellenz, aber die Tombakuhr, die Runge trägt, ist
wirklich ohne jeden Wert!"
Äobelspäne
Man schreit, die Zollern abznfinden
Sei Pflicht fürs heutige Geschlecht;
Man hört nichts mehr von ihren Sünden,
Man hört nur noch von ihrem „Recht".
Es geht um keine Kleinigkeiten.
Lastt nicht den Dingen ihren Lauf
Und stellt zum mindesten beizeiten
Des Volkes — Gegenrechnung auf!
Dann heimst Herr Grußer keine Spesen
Von seinen hohen Freunden ein;
Dann heißt's in Doorn: „Es war' gewesen
Zu schön, drum hat's nicht sollen sein."
~k
„Selig sind die Friedfertigen." Möglich. Aber die „Kriegsferligen"
regieren Eliropa. ^
Herr Becker ist kein Zuckerbäcker,
Der Mandelmilch mit Honig mischt —
Er ist des Rachegeists Erwecker.
Das macht sich gut und kostet nischt.
Drum fabriziert Mißtrauensvoten
Das fleißige Parteienpaar
Der nationalen Reichstagsboten
lMitsamt der Koinmunistenschar).
So können sie ihr Mütchen kühlen
Mit lärmenden Allotrias —
Ein bißchen mit dem Feuer spielen,
War stets der Kindlein größter Spaß.
★
„Wie heißt eigentlich das französische Nationallied?" fragte mein
Jüngster. Ick erklärte: „Wahrscheinlich: Morgen marschieren wir!"
Dein getreuer Säge, Schreiner.
Unsere Nahrungsniittel
-Die Kartoffel
Die unterjochten Indianer Südamerikas nahmen
furchtbare Rache an Europa: sie gaben den weißen
Männern die Kartoffel in die Hand. Die Sage berichtet,
daß man zunächst nichts Rechtes damit anzufangen
wußte. Aber sehr bald kam man hinter den Witz der
Sache. In Preußen machte Friedrich der Große die
Kartoffel zum Hauptnahrungsmittel breiter Volks-
schichten: immer fetter wurde der Landadel durch sie.
Die Kartoffelfpritbrennerei brachte viel Geld ein. Fer-
ner ist der Kartoffelhandel mit das vorzüglichste
Mittel, die bekanntlich rasend steigenden Einkünfte des
Proletariats auf ein vernünftiges Maß zu reduzieren.
Manche Gelehrte neigen der Auffassung zu, daß sich
hieraus die eigentümliche Tatsache erklärt, daß in den
Programmen der sozialistischen Parteien auf den Nähr-
wert der Kartoffel nicht Bezug genommen wird.
Tos Nindfleisch
Die Preisentwicklung des Rindfleisches wirst jede
Theorie der Nationalökonomen über die Gesetze der
Preisbildung aus dem Verhältnis von Angebot und
Nachfrage glatt über den Haufen. Höchst auffällig in
der Tat: je mehr Ochsen in Deutschland, desto teurer
^>as Rindfleisch! Aber auch umgekehrt: je teurer das
Rindfleisch, desto begeisterter und massenhafter die Ge-
folgschaft der nationalen Parteien! Und seltsam und
verwunderlich: jo mehr in den breiten Massen des werk-
tätigen Volkes die unzweifelhafte Neigung wächst, sich
vom Hornvieh zu emanzipieren, um so teurer kommt sie
diese Neigung zu stehen! Nicht zufällig darum, daß die
Eigenschaften des Ochsen zu allen Zeiten von den Für-
sten hochgeschätzt wurden. Der König von Siam bei-
spielsweise nennt sich in seinen Titulaturen sogar den
Ersten unter den weißen Ochsen. Worüber, dem Verneh-
men nach, Wilhelm II. immer sehr neidisch gewesen ist.
Das Ei
Christoph Kolumbus soll auf die bekannte niedliche
Weise ein Ei zum Balancieren auf der Spitze gebracht
haben. Die moderne Forschung verweist die viel zitierte
Geschichte ins Reich der Fabel. Wie hätte Kolumbus
bei seinen immerhin beschränkten finanziellen Mitteln
den Ankauf eines Eis ermöglichen können!
Die Butter
Butter ist ein Produkt aus Kuhmilch und leicht ana-
lysierbarer agrarischer Gaunerei: 82/88°/°Fett, 0,4/0,8"/»
Käsestoff, 8/18°/» Wasser, 500°/° Produzenten-Profit,
200°/° Zwischenhändler-Verdienst. Kein eigentliches
Nahrungsmittel, nur Handelsobjekt. W.
Lieber Jacob!
Wenn de sojenannte scheene Jahreszeit mit
de landesieblichen Dauerrejen besinnt, denn
einfindet der jebildete deitsche Kulturmensch det
unabänderliche Bedirfnis, sich zu mehr oder we-
nijer internazjonale Konjresse, Tagungen, Kon
ferenzen un Jeneralversammlungen zu vereini-
jen. In eenen anjenehm jelejenen Ort kommt
er zusammen, um je nach de Portemonnöh-
un Weltanschauung bei Wein, Bier oder in
alkoholjejnerischen Zustand de dringenden Pro-
bleme der betreffende» polliteschen, wirtschaft-
lichen oder relijieesen Freidenker-, Jmpfjejner-,
Kanarienzichter- oderSchulreformer-Jnteressen
zu leesen un mit durchschlagende Resoluzjonen
de Welt zu zeigen, det det jeistije Leben inDeitsch-
land sich noch immer uff de tarifmäßije Heehe
befindet. Nachdem dieset jeleistet is, fahren de
Deputierten wieder retuhr. De Hin- un Rick-
reise wird von de heimischen Korporazjonen be-
stritten, wat bei de heitijen Billjettpreise keen
Pappenstiel »ich is. For de Ehrenforten un
de Bejrießungsspucke hat der Konjreßort usf-
zukommen.
Mit die Konjreßorte is det verschieden. Eeirije,
wie zum Beispiel de Wartburg, emfehlen sich
dem emfindlichen Jemiete durch ihre Natur-
scheenheiten, andere, wie Berlin, bieten de Teil-
nehmer Jelejenheet zu unerlaubte Erholungen,
der Kiffheiser regt zu orijinelle jeschichtliche
Betrachtungen an, un Minchen is mehr for
dem Suff jeeijnet. In Schlawe, Miesbach un
Stallupönen finden keene Konjresse „ich statt.
weil diese Orte zu schwer uff de Landkarte
zu finden sind.
Dem Jlanzpunkt von de diesjährijen Ta
gungen werden zwee Jeueralfeeze der alldeitsch-
urjermanisch-christlich - kaisertrei - antisemitisch-
militaristischen, blondjelockten, von'n Torfkahn
ieberjefahrenen un von hinten erdolchten Hel
den-, Kejel- un Kimmelbriederschaften bilden. De
eene find't uff'n Brauhausberg bei Potsdani
statt, der sich erstens durch seinen vielverspre-
chenden Namen un außerdem durch det be-
kannte anrejende Klima der Potsdämlichkeet for
diesem Zweck warm emfiehlt. Hier sollen de
männlichen Hinterfrontkämpfer ihre Muskeln
un Fletschkasten spielen lassen. Sintemalen aber
bekanntlich keen Verjniejen ohne Damens is,
soll eene zweete Tagung mit weibliche Betei
lijung stattfinden, die sich uff'n Hexentanz-
platz in'n Harz versammeln wird un in jede
Hinsicht de Eijenart desOrtsEhre machen derfte.
Ludendorff wird bei beede Jelejenheeten an-
wesend sind. De scheenen Jnkimpfte, die er for
seine Artikel von de deitsch-feindliche englische
Hetzpresse in de letzten Wochen bezogen hat,
haben ihm in eene ausjezeichnet fidele Stim-
mung un in eenen vertrauenerweckendenFutter-
zustand versetzt. Man kann deshalb mit Sicher-
heet druff rechnen, det er de Strapazen sowohl
des Brauhausberjes wie des Hexentanzplatzes
wird vollkommen jewachsen sind un die herr-
liche nazjonalistische Feierlichkeeten eene un-
verjeßliche Weihe bereiten wird.
Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,
an'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.
Zur gefälligen Beachtung!
Redaktionelle Einsendungen könne» im Falle der
Nichtannahme »nr zurllckgcsandt werde», wenn Rück-
porto beigcfngt istl Die Redaktion
RedaMonsschlub 15. Juni 1922.
In Sachen Runge
„Schaffen Sie mir den Runge aus dev Welt, sage ich Ihnen! Schlagen
Sie den Hund tot, wo Sie ihn finden! Ein Skandal, daß der Lümmel noch
herumläuft! Glauben Sic, wir haben Lust, durch Ihre Faulheit noch vor
den Staatsanwalt zu kommen?"
„Entschuldigen Sie, Exzellenz, aber die Tombakuhr, die Runge trägt, ist
wirklich ohne jeden Wert!"
Äobelspäne
Man schreit, die Zollern abznfinden
Sei Pflicht fürs heutige Geschlecht;
Man hört nichts mehr von ihren Sünden,
Man hört nur noch von ihrem „Recht".
Es geht um keine Kleinigkeiten.
Lastt nicht den Dingen ihren Lauf
Und stellt zum mindesten beizeiten
Des Volkes — Gegenrechnung auf!
Dann heimst Herr Grußer keine Spesen
Von seinen hohen Freunden ein;
Dann heißt's in Doorn: „Es war' gewesen
Zu schön, drum hat's nicht sollen sein."
~k
„Selig sind die Friedfertigen." Möglich. Aber die „Kriegsferligen"
regieren Eliropa. ^
Herr Becker ist kein Zuckerbäcker,
Der Mandelmilch mit Honig mischt —
Er ist des Rachegeists Erwecker.
Das macht sich gut und kostet nischt.
Drum fabriziert Mißtrauensvoten
Das fleißige Parteienpaar
Der nationalen Reichstagsboten
lMitsamt der Koinmunistenschar).
So können sie ihr Mütchen kühlen
Mit lärmenden Allotrias —
Ein bißchen mit dem Feuer spielen,
War stets der Kindlein größter Spaß.
★
„Wie heißt eigentlich das französische Nationallied?" fragte mein
Jüngster. Ick erklärte: „Wahrscheinlich: Morgen marschieren wir!"
Dein getreuer Säge, Schreiner.
Unsere Nahrungsniittel
-Die Kartoffel
Die unterjochten Indianer Südamerikas nahmen
furchtbare Rache an Europa: sie gaben den weißen
Männern die Kartoffel in die Hand. Die Sage berichtet,
daß man zunächst nichts Rechtes damit anzufangen
wußte. Aber sehr bald kam man hinter den Witz der
Sache. In Preußen machte Friedrich der Große die
Kartoffel zum Hauptnahrungsmittel breiter Volks-
schichten: immer fetter wurde der Landadel durch sie.
Die Kartoffelfpritbrennerei brachte viel Geld ein. Fer-
ner ist der Kartoffelhandel mit das vorzüglichste
Mittel, die bekanntlich rasend steigenden Einkünfte des
Proletariats auf ein vernünftiges Maß zu reduzieren.
Manche Gelehrte neigen der Auffassung zu, daß sich
hieraus die eigentümliche Tatsache erklärt, daß in den
Programmen der sozialistischen Parteien auf den Nähr-
wert der Kartoffel nicht Bezug genommen wird.
Tos Nindfleisch
Die Preisentwicklung des Rindfleisches wirst jede
Theorie der Nationalökonomen über die Gesetze der
Preisbildung aus dem Verhältnis von Angebot und
Nachfrage glatt über den Haufen. Höchst auffällig in
der Tat: je mehr Ochsen in Deutschland, desto teurer
^>as Rindfleisch! Aber auch umgekehrt: je teurer das
Rindfleisch, desto begeisterter und massenhafter die Ge-
folgschaft der nationalen Parteien! Und seltsam und
verwunderlich: jo mehr in den breiten Massen des werk-
tätigen Volkes die unzweifelhafte Neigung wächst, sich
vom Hornvieh zu emanzipieren, um so teurer kommt sie
diese Neigung zu stehen! Nicht zufällig darum, daß die
Eigenschaften des Ochsen zu allen Zeiten von den Für-
sten hochgeschätzt wurden. Der König von Siam bei-
spielsweise nennt sich in seinen Titulaturen sogar den
Ersten unter den weißen Ochsen. Worüber, dem Verneh-
men nach, Wilhelm II. immer sehr neidisch gewesen ist.
Das Ei
Christoph Kolumbus soll auf die bekannte niedliche
Weise ein Ei zum Balancieren auf der Spitze gebracht
haben. Die moderne Forschung verweist die viel zitierte
Geschichte ins Reich der Fabel. Wie hätte Kolumbus
bei seinen immerhin beschränkten finanziellen Mitteln
den Ankauf eines Eis ermöglichen können!
Die Butter
Butter ist ein Produkt aus Kuhmilch und leicht ana-
lysierbarer agrarischer Gaunerei: 82/88°/°Fett, 0,4/0,8"/»
Käsestoff, 8/18°/» Wasser, 500°/° Produzenten-Profit,
200°/° Zwischenhändler-Verdienst. Kein eigentliches
Nahrungsmittel, nur Handelsobjekt. W.
Lieber Jacob!
Wenn de sojenannte scheene Jahreszeit mit
de landesieblichen Dauerrejen besinnt, denn
einfindet der jebildete deitsche Kulturmensch det
unabänderliche Bedirfnis, sich zu mehr oder we-
nijer internazjonale Konjresse, Tagungen, Kon
ferenzen un Jeneralversammlungen zu vereini-
jen. In eenen anjenehm jelejenen Ort kommt
er zusammen, um je nach de Portemonnöh-
un Weltanschauung bei Wein, Bier oder in
alkoholjejnerischen Zustand de dringenden Pro-
bleme der betreffende» polliteschen, wirtschaft-
lichen oder relijieesen Freidenker-, Jmpfjejner-,
Kanarienzichter- oderSchulreformer-Jnteressen
zu leesen un mit durchschlagende Resoluzjonen
de Welt zu zeigen, det det jeistije Leben inDeitsch-
land sich noch immer uff de tarifmäßije Heehe
befindet. Nachdem dieset jeleistet is, fahren de
Deputierten wieder retuhr. De Hin- un Rick-
reise wird von de heimischen Korporazjonen be-
stritten, wat bei de heitijen Billjettpreise keen
Pappenstiel »ich is. For de Ehrenforten un
de Bejrießungsspucke hat der Konjreßort usf-
zukommen.
Mit die Konjreßorte is det verschieden. Eeirije,
wie zum Beispiel de Wartburg, emfehlen sich
dem emfindlichen Jemiete durch ihre Natur-
scheenheiten, andere, wie Berlin, bieten de Teil-
nehmer Jelejenheet zu unerlaubte Erholungen,
der Kiffheiser regt zu orijinelle jeschichtliche
Betrachtungen an, un Minchen is mehr for
dem Suff jeeijnet. In Schlawe, Miesbach un
Stallupönen finden keene Konjresse „ich statt.
weil diese Orte zu schwer uff de Landkarte
zu finden sind.
Dem Jlanzpunkt von de diesjährijen Ta
gungen werden zwee Jeueralfeeze der alldeitsch-
urjermanisch-christlich - kaisertrei - antisemitisch-
militaristischen, blondjelockten, von'n Torfkahn
ieberjefahrenen un von hinten erdolchten Hel
den-, Kejel- un Kimmelbriederschaften bilden. De
eene find't uff'n Brauhausberg bei Potsdani
statt, der sich erstens durch seinen vielverspre-
chenden Namen un außerdem durch det be-
kannte anrejende Klima der Potsdämlichkeet for
diesem Zweck warm emfiehlt. Hier sollen de
männlichen Hinterfrontkämpfer ihre Muskeln
un Fletschkasten spielen lassen. Sintemalen aber
bekanntlich keen Verjniejen ohne Damens is,
soll eene zweete Tagung mit weibliche Betei
lijung stattfinden, die sich uff'n Hexentanz-
platz in'n Harz versammeln wird un in jede
Hinsicht de Eijenart desOrtsEhre machen derfte.
Ludendorff wird bei beede Jelejenheeten an-
wesend sind. De scheenen Jnkimpfte, die er for
seine Artikel von de deitsch-feindliche englische
Hetzpresse in de letzten Wochen bezogen hat,
haben ihm in eene ausjezeichnet fidele Stim-
mung un in eenen vertrauenerweckendenFutter-
zustand versetzt. Man kann deshalb mit Sicher-
heet druff rechnen, det er de Strapazen sowohl
des Brauhausberjes wie des Hexentanzplatzes
wird vollkommen jewachsen sind un die herr-
liche nazjonalistische Feierlichkeeten eene un-
verjeßliche Weihe bereiten wird.
Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,
an'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.
Zur gefälligen Beachtung!
Redaktionelle Einsendungen könne» im Falle der
Nichtannahme »nr zurllckgcsandt werde», wenn Rück-
porto beigcfngt istl Die Redaktion
RedaMonsschlub 15. Juni 1922.