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— 10602

Durch die körnerschweren Ähren
Gehen wünschend meine Hände,
Dass ein jeder dieser reifen
Halme seinen Armen fände.

Glänzt der Himmel blau in Seiden,
Prunken tausend Blütenkronen: —
Flammt ihr Sonnen, weht ihr Düfte,
Wo die dürft’gen Brüder wohnen!

Führer durch Augsburg

Augsburg am Lech hat laut Volkszählung
über 90000 Einwohner; merkwürdigerweise ist
der Freiherr Fugger von Babenhausen dabei
gerade so als nur eine Person gerechnet wie
jeder der leider sehr zahlreichen Arbeiter. Laut
Statistik sind zwei Drittel katholisch, ein Drittel
protestantisch; die Dissidenten, Monisten, Frei-
denker und andere Leute, die sich um die Kirchen-
steuer drücken, fallen nicht unter die Statistik.
Ein katholischer, protestantischer und jüdischer
Friedhof sorgt dafür, daß auch die Toten
hübsch innerhalb ihrer „Augsburger Konfes-
sionen" bleiben.

Die Stadt hat einen Bischofspalast und ein
Damenschwimmbad, ein Bismarckdenkmal und
eine Sanitätswache, ein Kapuzinerkloster Sankt
Sebastian und einen Radfahrklub, eine Bene-
diktinerabtei Sankt Stephan und ein Caf4 Kuß,
ein „Weißes Lamm" und einen „Mohrenkopf",
ein Franziskanerinn enklosterSankt M ariaStern
und eine „Goldene Gans", eine Max- und
Moritzkirche und ein Weinhaus zur „Weiber-
schule", ein Dominikanerinnenkloster und ein
Variete. Für Unterhaltung ist also gesorgt.

Aus der Geschichte der Stadt ist bemerkens-
wert, daß viele fremde Völker ihr Auge auf
diese Burg warfen (daher der Name „Augs-

Herkulesbrunnen in Augsburg

„Nur so wird man mit dem Ungeheuer Reaktion
fertig!"

Um Brot und Sonne ...

Von Wilhelm Lennemann

Liebe Erde, tausend Seelen
Schreiten tief in Bitternissen,

Die im Fron des harten Tages
Nichts von deiner Schöne wissen.

Die um Weib und um die Kinder
Ihre Sehnsucht niederzwingen,

Nur dass sie ihr Stücklein Brotes
Tag für Tag nach Hause bringen.

bürg"). Als die Römer frech geworden, siedel-
ten sie sich hier an, wahrscheinlich wegen der
günstigen strategischen Lage an der Eisenbahn-
linie Stuttgart-München. JmJahre 956 wurde
die Stadt von den Ungarn belagert. Warum,
ist unklar. Es heißt, daß die reaktionäre magya-
rische Negierimg einen hier gerade tagenden
Parteitag sprengen wollte, was ihr aber miß-
lang. Die Schlacht auf dem Lechfeld heißt fälsch-
lich „Die Hunnenschlacht"; vielleicht liegt eine
Verwechslung mit der Schlacht an der Marne
vor, in der später die deutschen Hunnen ge-
schlagen wurden.

Im Mittelalter war Augsburg bekannt durch
die Kaufherrnfamilien der Fugger und Welser,
die von den einen „Pfeffersäcke", von den ande-
ren „königliche Kaufleute" genannt wurden, je
nachdem, ob sie einem solennen Pump geneigt
waren oder nicht.

Von der Frömmigkeit der Augsburger zeu-
gen viele Kirchen, voran die Barfüßerkapelle,
1300 erbaut, wo das Stiefelbesohlen ebenso
teuer war wie heute, so daß man barfuß in
die Kirche ging. Die Galluskirche erinnert jeden
an die Galle, die einem angesichts unserer
Wucherpreise täglich überläuft.

Herrliche Denkmäler schmücken die Straßen.
Am Sieges- beziehungsweise Friedensdenkmal
beim Dom fehlt immer noch die Inschrift:
„Ruprecht, steck' den Degen ein!" Dem ver-
flossenen Prinzregenten bereiteten Patrioten
eine wässerige Huldigung in Gestalt eines
Brunnens. Der Ludwigsplatz hieß früher Eier-
markt, zur Erinnerung an die Zeit, da . die
Hühner ihre Eier ohne Rücksicht auf die Valuta
legten. Mitten auf dem Platz steht ein Mann
in Römergarderobe, der das rechte Bein vor-
stellt. Sonst stellt er gar nichts vor.

Das Augsburger Rathaus besitzt einen Gol-
denen Saal. Bei den Friedensverhandlungen
in Versailles war diese Tatsache unbekannt;
sonst hätte der Saal natürlich an die Entente
abgeliefert werden müssen. Hoffentlich kriegt
Poincarö diesen Führer nicht in die Hand.

Zahlreich wie die Spindeln in den Baum-
wollspinnereien der Stadt sind die historischen
Gedenktafeln. In der Jesuitengaffe hat ein
rechter Jesuiter gewohnt, nämlich Kunz von
der Rosen, des Kaisers Maximilian I. Hofnarr.
Er hatte das Vorrecht, dem erlauchten Mon-
archen ab und zu die Wahrheit'zu sagen. Wenn
er sie zu deutlich sagte, kriegte er Prügel wie
andere Narren auch. In der Heil. Kreuzstraße
hat Götz v. Berlichingen gewohnt, der Erfin-
der des am häufigsten zitierten Goetheworts.
Lange nicht so berühmt sind die angestammel-
ten Fürsten, die der Stadt Augsburg die Ehre
gaben, sie zu bewirten, und die dafür eine
Gedenktafel bekamen, so Herzog Ludwig der
Strenge, Joachim der Faule, Kuno der Ver-
soffene, und wie sie alle heißen.

Die Damenwelt ist vertreten durch das In-
stitut der „Englischen Fräulein", die aber nicht

Sieh, ich knie, liebe Erde,

Bis du segnend mich gelassen :
Deines Reichtums höchste Fülle
Wirf in jene dunklen Gassen!

Bis in Duft und Glanz versunken
Alle Nöte und Beschwerden,

Bis die Sehnsucht ausgetrunken,

Bis die Armen -— Menschen werden!

aus England stammen, sondern engelhaft von
außen und von innen sein — sollen. Ferner
ist das Geburtshaus der Philippine Welser
zu beachten, die das Instrument eines Instru-
ments des Himmels war, nämlich die Kon-
kubine eines leiblichen Erzherzogs. Auch Agnes
Bernauer ist hier geboren, die später ertränkt
wurde, weil sie von einem Herzog von Bayern
geliebt wurde, was nur durch Zauberei ge-
schehen sein konnte; leider hat die arme Person
noch im Grabe keine Ruhe, da sie ständig von
fleißigen Dramatikern in den fünfaktigstcn
Dramen ausgeschlachtet wird.

Der mittelalterliche Fünfgradeturm beweist,
daß man bisweilen nicht nur in München,
sondern auch in Augsburg die Fünf gerade
sein läßt.

Die Schwäne im Stadtgraben sind ausgestor-
ben, soweit man sie aus bayrischen Reservats-
gründen mit Bayrisch Blau angestrichen hat.

So ist ein Spaziergang durch Augsburg lehr-
reich und unterhaltend zugleich. Schade, daß
im September der vornehme Eindruck der
Stadt durch zahlreiche „vorübergehende Er-
scheinungen" von roter Gesinnung beeinträch-
tigt wird und daß die ohnehin hinreichend
verdächtigen Franken nur noch tiefer im maß-
gebenden Münchener politischen Kurszettel
fallen! P. s.

Augustusbrunnen in Augsburg

„Und wenn der deutsche Karren auch so tief im Dreck
steckt, — das Volk wird ihn schon rausziehen!"
 
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