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10623

Ein tüchtiger Geschäftsmann

Gast: Sie haben mir 50 Mark zuviel ans die Rechnung gesetzt.
Hotelier: Bcdanre. Die 50 Mark.sind für zweimalige Klosettbenützung.

Lobelspäne

„Wenn hinten, weit, in der Türkei,

Die Völker aufeinanderschlagen,"

War's unfern Ahnen einerlei
In fernen Biedermeiertagen.

Heut trifft dort England jeder Stich,

Und Frankreich kann sich daran iveiden.
Man fragt sich: werden beide sich -
Aus unserm Fell nun Riemen schneiden?

So schafft die ferne Schlächterei
Dem armen Michel neue Plagen,

Wenn hinten, weit, in der Türkei,

Die Völker aufeinanderschlagen.

*

Die französische Regierung redet immer nur von Wiedergutmachung.
Wie aber will sie ihre Völkerverhetzung — wieder gut machen?

*

Stell auf den Tisch die duftenden Reseden,

Die letzten teuren Astern trag herbei

Und laß uns von den lieben Wuchrern reden —

Wie einst im Mai.

Sie mästen sich und werden stündlich fetter,

Es blüht die Gaunerei und Prasserei,

Und wie es endet, wissen nur die Götter —

Wie einst im Mai.

Das Leben ähnelt stark der Hühnerleiter.

Des Volks Geduld geht allgemach entzwei.

Bald packt es zu. Dann geht es nicht so weiter
Wie einst im Mai! ^

In diesen: Regensommer gedieh das Kraut prächtig. Leider schossen
auch die Agrarier ins Kraut. ^

„Wie steht es in Griechenland?" fragte mein Freund Ede. Ick er-
klärte: „Sehr einfach. Kemal ist der Sieger und Konstantin ist das
Kamel." Dein getreuer Säge, Schreiner.

weitere Preiserhöhung!

Die Papierpreise steigen anhaltend.
Der Verlag des Mahren Jacob ist
daher leider nicht in der Lage, den
angekündigten Verkaufspreis für
die Einzelnummer einzuhalten.
Die Einzelnummer kostet
bis auf weiteres

10 Mark,

Rind und Ziege

von pan

„Vas knabbert trocknes Gras am Straßenrand!"
verächtlich rief's ein Dchs, der reiches Futter fand,
Oer Ziege zu, die an dem magren Nain
vie Palme rupfte. „Klappriges Gebein!

Nein Talg wird jemals deine Rippen zieren
Und nicht ein pfündlein fetten Rinderspecks,
pe, darfst du, schludriges Gewächs,
wie ich am Kopfe pörner führen?
wenn es noch rechte pörner wären,

Vas aber tut doch bloß man so!

Mußt du mit deinem dürren Stroh
Ruch noch die dummen Zacken nähren?

Vas edle porn, es steht nur wesen zu,
vie einen höher» Lebensweg genommen —

Und du suchst Futter an den Straßenborden!"

„3a," meckerte die Ziege froh, „wär ich wie du
In eines Junkers Stall zur Welt gekommen,
wär ich wohl auch ein tvchs geworden."

Aus einer Marktbude

Der Erklärer: „In diesem Bassin, meine
Damen und Herren, sehen Sic das reizendste
Meerwunder: Aquilina, die Seejungfrau —
eine verzauberte Prinzessin, die nur auf den
erlösenden Spruch wartet, um ihren Fischleib
von sich zu werfe» und —"

Stimme aus den: Bassin: „Vota, du
mußt mir 'n neuen Schwanz koofen; der olle
is schon ivieder jeplatzt."

Lieber Jacob!

Also det franzeesche Wiederuffbauproblem
wäre nujlicklich jeleest! Stinnes iebernimmt det
Jeschäft un liefert zu kulante Bedingungen een
preiswertes, solide anjestrichenes neies Frank-
reich in jediejene Verpackung. De birjerlichen
Zeitungenplantschen in Wonnevon wejen diesen
Triumpf der kapitalisteschen Weltanschauung,
un bloß de Sozi finden wieder 'n Haar drin.
Woso öffentlich? Se sollten sich freien, det Ei-
ropa eene Sorje wenijerhat. Wat de internazjo-
nale Staatsweisheetin jahrelange harte Jeistes-
arbeet »ich jejlickt is, det besorgt det private Un-
ternehmertum mit spielendeFingerfertigkeet aus
't Handjelenk. Mit diplomatesche Parajrafen
war nischt auszurichten, aber mit kapitalistesche
Profite wird det Ding jlatt jeschdben. Det sollte
uns, anstatt zu schimpfen, eene Lehre sind, wie
der janze nazjonale un internazjonale pollitesche
un Rejierungsbetrieb nach razjonelle koofmän-
nische Jrundsätze injericht't werden muß. Wenn
zum Beispiel der Belkerbund in eene Axien-
jesellschaft verwandelt wirde, denn kennte die
ihm sicher drohende Pleite villeicht doch noch
verhindert un de Beerse zu eene freindlichere
Beurteilung dieses miesen Unternehmens be-
kehrt werden. Stinnes ivirde deJrindung sicher

befingern un sich ooch hier ferne mit sechs Per-
zent Provision bejniejen. Aber ooch de inner-
liche Polletik un Verwaltung mißte diesem un-
ausleschlichen Kapitalschenie iebertragen wer-
den. Wenn er zum Beispiel unsere Justiz in
Akkord nehmen wirde, denn wirde de deitsche
Rechtsfleje zu hohe finanzielle Bliete jedeihen.
Jn't Strafjericht wirken de freisprechenden Ur-
teile an dem Meistbietenden verjeben un da-
durch sowohl for Stinnessen wie for det Deitsche
Reich eene solide Einnahmequelle erschlossen
werden. An de Sache selbst aber wirde sich
nischt ändern, denn de Schieber un nazjona-
listeschen Jroßkozen, die de neetije Pinke be-
sitzen, flegt ja ooch schon heitzudage keen straf-
jerichtliches Maleer nie zuzustoßen. De öffent-
liche Meinung jeheert ja sowieso zu't Stinnes
konzern, un det er sich de kirchlichen Betriebe
der sangbarsten Relijonen inverleibt, is »voll
bloß noch eene Frage der Zeit. In bezug uff
internazjonale Verwicklungen aber mißten ihm
de weitjehendsten Vollmachten einjereimt wer
den. Denn wenn de Situazion for Handel un
Industrie mal wieder etwas flauer werden
sollte, denn muß er als der jlanzvollste Ver-
treter des kapitalisteschen Unternehmertums de
unbeschränkte Meeglichkeet besitzen, durch Ar-
ranschemang eenes umfassenden Weltkriejes de
Verhältnisse for Spekulanten, Wucherer, Schie-
ber un'Devisenhamsterer wieder uff 'ne jesunde
un solide Basis zu stellen.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.

Zur gefälligen Beachtung!

Redaktionelle Einsendungen könne» im Falle der
Nichtannahmc nur zurückgesandt werden, wenn Rück-
Porto beigcfiigt ist! Die Redaktion

Nedaktionsschluß 19. September 1922.
 
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