Beilage zum wahren Jacob
Nummer 944
Stuttgart, 6. Oktober 1922
39. Jahrgang
Der Lügenfeldzug
Auch der neue Münchhausen zieht sich an (Zcitungs--) Enten aus dem Sumpf.
Der Wettlauf
Ein Dollar und ein Preis beschlossen einen
Wettlauf. Der Preis sagte: „Du bist rund,
und ich war eigentlich immer etwas schwer-
fällig — dennoch, wagen wir's."
Der Dollar ging in guter Form vom Start;
der Preis setzte sich langsamer in Bewegung,
weil er eben an eine sitzende Tätigkeit gewöhnt
war. Indessen rannte der Dollar so stürmisch
dahin, daß er sich bald einmal ausruhen mußte.
Sobald ihn aber der Preis beinahe einge-
holt hatte, setzte er sich von neuem in Bewe-
gung. Er hoffte nämlich, der Preis werde bald
müde werden und das Rennen aufgebcn.
Der fand jedoch immer mehr Geschmack ander
Sache. Der Dollar hopste, der Preis sprang.
Der Dollar fuhr wie ein geölter Blitz dahin, der
Preis kam auf Siebenmeilenstiefeln hinterher.
Endlich konnte der Dollar nicht mehr:
„Halt!" schrie er. „Nun ist's genug. Ich gehe
zurück." Der Preis lachte: „Genug? Noch lange
nicht. Jetzt fängt die Geschichte erst an, mir
Spaß zu machen. Weiter, Freund, weiter! Wir
wollen doch mal sehen, wer es am längsten
aushält."
Da packte den Dollar der Zorn; er schraubte
sich hinten einen Propeller ein und surrte los.
Der Preis lachte höhnisch, schlug einen Haken
in den Mond und fuhr mit dem davon.
Der Teufel mag wissen, wie der Wettlauf
endet. Wir wissen es nicht. Wir wissen nur,
wem die Puste dabei ausgeht. p.
Der Philister
Und er schlägt sich aus die Brust:
Bürger, hört!
Ungestört
Soll die Republik sich nun entfallen.
Ja, wir müssen ganz bewußt
Ohne Scheu,
Stark und treu
Auch eventuell mal zu den Roten halten.
Glühen laßt der Freiheit Docht,
Flammen laßt ihn heiß und rot.
Wenn Begeistrung uns durchkochk.
. .. Allerdings tut Vorsicht not.
Kluge Wege muß man wählen:
Auch ein kleiner Rückschritt darf
Uns gegebenenfalls nicht quälen. . ..
„La," so lacht ein Lörer leise,
„Dieses ist der Krebse Weise:
Dunkel sind sie von Natur,
Rot jedoch beim Kochen nur." Pan
Die neuen 500-Markscheine
Herr Schmidt wird von einem Straßen-
räuber ausgeraubt, der sofort die erbeutete
Banknotentasche durchstöbert. Zur Verblüffung
des überfallenen gibt er ihm sämtliche neuen
500-Markscheine mit den Worten zurück: „Die
»Blüten* können Se behalten!"
Ein Goldwertbesitzer
Oben im Holsteinischen, nicht weit von der
Waterkant, sitzt der schwere Bauer Sönke
Hansen ans einem Besitz, der sich in den letzten
Jahren immer weiter ausgewachsen hat, weil
Sönke sagt, auf Banknoten könnten keine Ochsen
weiden. Dazu hat er gebaut, was sich irgend
bauen ließ, hat um seine Viehkoppeln drei-
fachen Stacheldraht ziehen und die Ställe mit
schweren Eisenstangen und Vorhängeschlössern
sichern lassen. Er hat nur zwei Sorgen: das
einströmende Papiergeld in reelle Werte zu
wandeln und diese Werte vor Raub zu schützen.
Neuerdings mußten zwei Schlosser aus Ham-
burg kommen und an den Auslausklappen der
Schweine eiserne Rolljalousien anbringen, die
abends herabgelassen werden. Diese Schlosser
erzählten im Dorfgasthaus, Sönke Hansen gehe
nachts mit einem alten Steinschloßgewehr und
Türkensäbel bewaffntet durch Haus und Hof,
revidiere jeden Winkel und zähle bei Mond-
schein die Apfel und Birnen an den Baumen.
Stundenlang auch habe er vor der Dung-
stätte gestanden und darüber nachgegrübelt,
wie diese zu schützen sei. „Dat is dat beste
Gold, wat et hütigendags gift," sagt er. Des-
halb hätten sie ihm vorgeschlagen, dafür einen
sicheren Behälter, zu schaffen, und nun seien
sie dabei, einen riesigen Geldschranl aus Panzer-
platten ssir den Misthaufen zu bauen.... So
erzählten die Schlosser. Und ihre Erzählung
ist kein Mist. tg.
Nummer 944
Stuttgart, 6. Oktober 1922
39. Jahrgang
Der Lügenfeldzug
Auch der neue Münchhausen zieht sich an (Zcitungs--) Enten aus dem Sumpf.
Der Wettlauf
Ein Dollar und ein Preis beschlossen einen
Wettlauf. Der Preis sagte: „Du bist rund,
und ich war eigentlich immer etwas schwer-
fällig — dennoch, wagen wir's."
Der Dollar ging in guter Form vom Start;
der Preis setzte sich langsamer in Bewegung,
weil er eben an eine sitzende Tätigkeit gewöhnt
war. Indessen rannte der Dollar so stürmisch
dahin, daß er sich bald einmal ausruhen mußte.
Sobald ihn aber der Preis beinahe einge-
holt hatte, setzte er sich von neuem in Bewe-
gung. Er hoffte nämlich, der Preis werde bald
müde werden und das Rennen aufgebcn.
Der fand jedoch immer mehr Geschmack ander
Sache. Der Dollar hopste, der Preis sprang.
Der Dollar fuhr wie ein geölter Blitz dahin, der
Preis kam auf Siebenmeilenstiefeln hinterher.
Endlich konnte der Dollar nicht mehr:
„Halt!" schrie er. „Nun ist's genug. Ich gehe
zurück." Der Preis lachte: „Genug? Noch lange
nicht. Jetzt fängt die Geschichte erst an, mir
Spaß zu machen. Weiter, Freund, weiter! Wir
wollen doch mal sehen, wer es am längsten
aushält."
Da packte den Dollar der Zorn; er schraubte
sich hinten einen Propeller ein und surrte los.
Der Preis lachte höhnisch, schlug einen Haken
in den Mond und fuhr mit dem davon.
Der Teufel mag wissen, wie der Wettlauf
endet. Wir wissen es nicht. Wir wissen nur,
wem die Puste dabei ausgeht. p.
Der Philister
Und er schlägt sich aus die Brust:
Bürger, hört!
Ungestört
Soll die Republik sich nun entfallen.
Ja, wir müssen ganz bewußt
Ohne Scheu,
Stark und treu
Auch eventuell mal zu den Roten halten.
Glühen laßt der Freiheit Docht,
Flammen laßt ihn heiß und rot.
Wenn Begeistrung uns durchkochk.
. .. Allerdings tut Vorsicht not.
Kluge Wege muß man wählen:
Auch ein kleiner Rückschritt darf
Uns gegebenenfalls nicht quälen. . ..
„La," so lacht ein Lörer leise,
„Dieses ist der Krebse Weise:
Dunkel sind sie von Natur,
Rot jedoch beim Kochen nur." Pan
Die neuen 500-Markscheine
Herr Schmidt wird von einem Straßen-
räuber ausgeraubt, der sofort die erbeutete
Banknotentasche durchstöbert. Zur Verblüffung
des überfallenen gibt er ihm sämtliche neuen
500-Markscheine mit den Worten zurück: „Die
»Blüten* können Se behalten!"
Ein Goldwertbesitzer
Oben im Holsteinischen, nicht weit von der
Waterkant, sitzt der schwere Bauer Sönke
Hansen ans einem Besitz, der sich in den letzten
Jahren immer weiter ausgewachsen hat, weil
Sönke sagt, auf Banknoten könnten keine Ochsen
weiden. Dazu hat er gebaut, was sich irgend
bauen ließ, hat um seine Viehkoppeln drei-
fachen Stacheldraht ziehen und die Ställe mit
schweren Eisenstangen und Vorhängeschlössern
sichern lassen. Er hat nur zwei Sorgen: das
einströmende Papiergeld in reelle Werte zu
wandeln und diese Werte vor Raub zu schützen.
Neuerdings mußten zwei Schlosser aus Ham-
burg kommen und an den Auslausklappen der
Schweine eiserne Rolljalousien anbringen, die
abends herabgelassen werden. Diese Schlosser
erzählten im Dorfgasthaus, Sönke Hansen gehe
nachts mit einem alten Steinschloßgewehr und
Türkensäbel bewaffntet durch Haus und Hof,
revidiere jeden Winkel und zähle bei Mond-
schein die Apfel und Birnen an den Baumen.
Stundenlang auch habe er vor der Dung-
stätte gestanden und darüber nachgegrübelt,
wie diese zu schützen sei. „Dat is dat beste
Gold, wat et hütigendags gift," sagt er. Des-
halb hätten sie ihm vorgeschlagen, dafür einen
sicheren Behälter, zu schaffen, und nun seien
sie dabei, einen riesigen Geldschranl aus Panzer-
platten ssir den Misthaufen zu bauen.... So
erzählten die Schlosser. Und ihre Erzählung
ist kein Mist. tg.