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10627 -

Herbstlicher Blätterfall 1922

Das große Zeikungssterben.

„Einkalkulieren"

Die Gebrüder Schwab betrieben miteinander
einen Schweinehandel mit solchem Erfolg, daß
bei dem älteren Teilhaber, dem Hermann
Schwab, bereits eine Karlsbader Kur fällig
wurde. Sie kostete ein rundes Sümmchen, denn
der arme Patient mußte tschechisches Geld kau-
fen. Doch versicherte er seiner Gemahlin, er
werde die ganze Reise „einkalkulieren". Dadurch
wurden seine Schweine für die Metzger zwar
teuer, aber — konnte man ihm zumuten, seine
Entfettungskosten aus eigener Tasche zu zahlen?

Als er zurückkam, ergab sich für ihn die Not-
wendigkeit, seinen Wohnsitz von der Stadt aufs
Land zu verlegen, wo er seine Ställe besaß,
die persönliche Aufsicht erheischten. Die Gattin
erhob Widerspruch. Sie ginge nur aufs Land,
wenn sie ein Auto bekäme.

Hermann rechnete drei Tage lang, ob das
Geschäft jetzt eine solche Ausgabe vertrüge. Er
erfrug die Preise für einen neuen Opelwagen
und einen Chauffeur. Es war viel. Und er
mußte wiederum die Summe in seine Schweine
„einkalkulieren".

Der Wagen kam. Der Chauffeur auch. Die
Gattin war zufrieden. Es zeigte sich aber, daß
sie nun nicht richtig ausstaffiert war für einen
so vornehmen Wagen. Sie ließ sich eine tadel-
lose Lederjoppe machen und einen Lederhut.
Auf Geschäftskosten natürlich, aber Hermänn-
chen brachte es fertig, auch diesen Betrag „ein-
zukalkulieren".

Der jüngere Teilhaber, Fritz, der im Ein-
kauf tätig war, war noch ledig und ein großer
Luftibus. Er hatte ein Verhältnis und über-
schüttete es mit Schmucksachen und Toiletten.
Das ging allemal in die Tausende, die er der
Firma als Geschäftsspesen zu buchen verstand.
Dem Hermann fiel es wohl auf, daß die Hotel-
rechnungen Fritzens mit einem Male so un-
glaublich hoch wurden.

„Du lebst ziemlich flott, mein Junge," sagte
er ihm. „Warum nicht, bei dem flotten Ge-
schäftsgang?" erwiderte Fritz. „Du brauchst
nur richtig einkalkulieren". So mußten die
Schweine auch noch das Lotterleben des Herrn
Fritz tragen und stiegen weiter im Preis.

Fritz konnte auch ein bißchen Auto lenken.
Eines Tages machte er mit seinem Verhältnis
eine Spritztour, ohne daß der Motor richtig
geölt war. Er lief heiß und verdarb so voll-
ständig, daß das Auto zur Reparatur mußte.
Es kostete die Kleinigkeit von 60 Mille.

„Spaß, bei den Schweinepreisen," begütigte
Fritz seinen Bruder. „Das muß doch aus dem
Geschäft wieder rausschlupfen. Ich werde die
Sache schon ,einkalkulieren'."

Einmal kam Fritz mit belämmertem Gesicht
von der Geschäftstour zurück. Bei der Abrech-
nung stellte sich ein Fehlbetrag von 70000 Mark
heraus. Zur Rede gestellt, gab er an, er habe
den Betrag verloren, und er sei nicht wieder
beizubringen gewesen. Das stimmte zum Teil.
Fritz hatte auf einer Tanzdiele in lustiger Ge-
sellschaft Sekt getrunken, Weibern Geschenke
gemacht und Hasard gespielt. Dabei war ihm
der Betrag im Spiel abgenommen worden. Es
gab fürchterliche Auseinandersetzungen im Ge-
schäft, aber das Ende vom Lied war, daß
Hermann den Verlust wieder „einkalkulieren"
mußte. „Das gibt teure Schweine," seufzte er.

„Was brauchen dir die Metzger leid zu tun,"
entgegnet« Fritz, „die sollen es aus die Kunden
abwälzen."

Das geschah an dem Tag, als die Metzger
ankündigten, daß sie das Pfund Schweinefleisch
künftig nicht mehr unter zweihundert Mark
aushauen könnten, weil der Einkaufspreis sich
so übermäßig hoch stelle. Pankraz Btttermaul

Oie nächste Konferenz

wieder einmal die Siegerftaaten
Des längeren und des breitem beraten,
was ln betreff der deutfeben fTWere
Zu tun oder zu lallen wäre.

Nachdem Ne einander genuglam berochen.

Hat einer das mutige wort gesprochen:

„wollen wir uns nicht felbft vernichten,

Meine Herren, da müllen wir weislich verzichten!“
Ruf diele Rede des einen Jobles
Geschah ein erstaunliches Schütteln des Nöpkes.
Die hungrigen, und der Franzmann voran,
Schrien: „Mein Nester, wir denken nicht dran!"

Und haben nun weitere qualvolle Stunden
Beraten und doch keine Lösung gefunden.

Sie haben erwogen die Sanktionen,

Reprellalien, Retorlionen

Und gedachten Ichliehlich in allen Lhren,

Lin Moratorium zu gewähren.

„Rber nicht", rief der Franzmann, „ohne Pfänder,
Oie Zechen der Ruhr, die rheinischen Länder!"
Ruf dielen Nachsatz des zweiten lobles
Gefcbal) ein erstaunliches Schütteln des Kopfes.
Und die Satten, voran der Lnglilchmann,
Riefen: „Mein Beiter, wir denken nicht dran!"

Und kauten drauf wiederum etliche Nage
Mit Mühe an der europäischen Frage.

Und da noch kein Lnde abzulehn,

Oer eifrigsten einer gab zu verstehn:

„Nach allem Geschwätz und fauler Gelte,
halte ich es für das allerbeste,
wir erklären uns als Konferenz
Oer Staaten Luropas In Permanenz!"

Ruf diele Rede des dritten jobles
Geschah ein erstaunliches Schütteln des Kopfes,
Und die Faulen erhoben sich alle Mann
Und riefen: „Mein Bester, wir denken nicht dran I"

Und haben darauf noch viele Wochen
Benagt und beschnuppert den alten Knochen,
Bis Ichliehlid) in der letzten der Stunden
Lin alter Fuchs den Vreh gefunden:

„Meine Herren, wir müllen uns jämmerlich
schämen,

wenn wir nicht ein Resultat mit nach Haufe
nehmen;

Beschließen wir darum, wo und wann
Oie nächste Konferenz Nattfinden kann!"

Und liehe, diesem vierten loble

Stimmten sie zu mit nickendem Kopfe.-

So schloß und fo schließt noch manche Konferenz;
Und Hunger und Tod find die Quintessenz!

fWbcs

Das gute Beispiel

Lloyd George Hai das Honorar sür sein
Weltkriegsbuch wohltätigen Zwecken bestimmt.
Er will keinen persönlichen Vorteil aus den
Leiden der Nationen ziehen. Die ehemals ge-
krönten und die ungekrönten deutschen Me-
moirenschreiber sind aus diese Nachricht hin
zu einer Konferenz zusammengetreten und haben
beschlossen, ebenfalls etwas für die Wohltätig-
keit zu opfern: sie werden gemeinsam einem
Kriegsinvaliden einen Leierkasten stiften.

Eine Zeitfrage

Ein Nationalökonom warf in einer Gesell-
schaft die Frage auf, welches wohl das billigste
Fett sei.

Man riet auf Hammelfett und Rindertalg.
„Nein." Der Volkswirtschafter schüttelte me-
lancholisch den Kopf — „Gehirnschmalz."
 
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