Vellage zum wahren Jacob
Nummer 847 Stuttgart, 17. November 1922 39. Jahrgang
Zur Umstellung der geistigen Berufe
Der Komponist und Opcrettcndirigent Adalbert
Gugelhopf ist in die VerkehrSschutzmannschaft ein-
getreten. Am Potsdamer Platz morgens von 8
bis 12 können wir den berühmten Dirigenten der
gesamten Vcrkehrsdivisionen sehen.
Dauernden Erwerb fand der Kunstmaler Vinzenz
Widdelguast durch die Reichsbank. Er zeichnet jetzt
die 10000-Markscheine. Die Herstellung durch die
Druckerpresse wurde dem Reiche aus die Dauer
unerschwinglich.
Der mystische Dichter und Denker Baldrian Fern-
hclten arbeitet in einer Wurstsabrik. Wahrhaft
diabolische Gedichte söll er in seine Würste
brauen.
Nicht so gut ging es der Romanschriftstellerin
Molchen Courts. Sie ist Vorleserin bei,, einer
alten Baronin geworden. Nun muß die Ärmste
der alten schwerhörigen Dame immer ihre eigenen
Romane vorlesen. Welch furchtbares Schickjal.
Durch hohe Protektion ist es auch demrPhilo-
sophen Christian Lebertran gelungen, in B ot und
Arbeit zu kommen. Er reinigt die Schienen der
Berliner Straßenbahnen. — Na, da soll diese wohl
auch balde wieder in Schwung kommen.
Wenn der Dollar steht viertausend
Wenn der Dollar steht viertausend,
Mensch, da raucht's in deinen Haaren.
Wilhelm sprach schon Anno vierzehn
Von der Zeit der wunderbaren,
Sieg und Ehre sollt uns werden
And das Paradies auf Erden!
And nun kosten wir das Ende
Jener Zeit der wunderbaren;
Denn der Kutscher gar behende.
Da den Karren er verfahren.
Flüchtete vor Not und Jammer
In die Doornsche Speisekammer.
Doch die Hydra blieb im Lande,
Der wir nicht den Kopf ausbrannten.
Frech in unsren Nöten mästen
Wuchrer sich und Spekulanten,
Hungrig mit gefrätz'gen Zähnen
Wie vor Leichen die Hyänen.
Doch der Wucher lacht, und höher
Nur noch die Devisen klettern;
Wahr in diesen Zeitenliigen
Einzig sind die Börsenlettern
And des Lebens Kampf und Spiele:
Kino, Bar, Cafe und Diele!
Wenn der Dollar steht viertausend
And in weiterer Gymnastik
Aufwärts klettert wie ein Liste,
Zeigt er deutlich und voll Drastik
Ansrer armen Volksgemeinde,
Wo die wahren „innren Feinde".
Kodes
Zukunftsbilder
Der Magistrat von Liegnitz hat die Reichsregierung
um Eingreifen gegen den unglaublichen Zustand ersucht,
daß die Bauer» den Karroffelseoen nur flüchtig bergen,
weil ein reichlicheres -Angebot die Preise drucken würde.
Dezember 22. Die deutschen Bauern beschlie-
ßen, die Milch belieferung der Städte einzu-
stellen, da mit der Lieferung von Kindersärgen
ein besseres Geschäft zu machen ist.
Januar 23. Anweisung an die Statistischen
Landesämter, Lebensmittel fortan in der Ru-
brik Luxusartikel zu führen.
März 23. Die deutschen Städter versichern
in einer Massenadresse an die Bauernschaft,
daß sie nach wie vor in bewährter Untertanen'
treue vor ihr ersterben.
April 23. Antwort der deutschen Bauern-
schaft, daß erwünscht sei, wenn das Ersterben
in beschleunigterem Tempo vor sich gehe.
Mai 29: Organisierung des genossenschaft-
lichen Bezugs von Kindersärgen.
Juni 23. Zwangswirtschaft in Kindersärgen.
Zweite Hälfte Juni 23. Volksabstimmung:
Kindersärge dürfen nur im freien Handel be-
zogen werden.
Oktober 23. Hilfsaktion des Wolgagebiets
für Deutschland.
November 23. Unerhört revolutionärer Aus-
bruch in Tuntenhausen: drei Personen rotten
sich auf dem Marktplatz zllsammen und führen
wirre Reden gegen die freie Wirtschaft. Das
deutsche Volk ist sich einig in der Verurteilung
der sinnlosen und verbrecherischen Aklion.
Dezember 23 bis zum Dezember des Jahres
2000. Die deutschen Städter sterben langsam
aus. Es bleiben nur noch Agrarier übrig. Da-
mit ist der politische und wirtschaftliche Jdeal-
zustand erreicht. w.
Nummer 847 Stuttgart, 17. November 1922 39. Jahrgang
Zur Umstellung der geistigen Berufe
Der Komponist und Opcrettcndirigent Adalbert
Gugelhopf ist in die VerkehrSschutzmannschaft ein-
getreten. Am Potsdamer Platz morgens von 8
bis 12 können wir den berühmten Dirigenten der
gesamten Vcrkehrsdivisionen sehen.
Dauernden Erwerb fand der Kunstmaler Vinzenz
Widdelguast durch die Reichsbank. Er zeichnet jetzt
die 10000-Markscheine. Die Herstellung durch die
Druckerpresse wurde dem Reiche aus die Dauer
unerschwinglich.
Der mystische Dichter und Denker Baldrian Fern-
hclten arbeitet in einer Wurstsabrik. Wahrhaft
diabolische Gedichte söll er in seine Würste
brauen.
Nicht so gut ging es der Romanschriftstellerin
Molchen Courts. Sie ist Vorleserin bei,, einer
alten Baronin geworden. Nun muß die Ärmste
der alten schwerhörigen Dame immer ihre eigenen
Romane vorlesen. Welch furchtbares Schickjal.
Durch hohe Protektion ist es auch demrPhilo-
sophen Christian Lebertran gelungen, in B ot und
Arbeit zu kommen. Er reinigt die Schienen der
Berliner Straßenbahnen. — Na, da soll diese wohl
auch balde wieder in Schwung kommen.
Wenn der Dollar steht viertausend
Wenn der Dollar steht viertausend,
Mensch, da raucht's in deinen Haaren.
Wilhelm sprach schon Anno vierzehn
Von der Zeit der wunderbaren,
Sieg und Ehre sollt uns werden
And das Paradies auf Erden!
And nun kosten wir das Ende
Jener Zeit der wunderbaren;
Denn der Kutscher gar behende.
Da den Karren er verfahren.
Flüchtete vor Not und Jammer
In die Doornsche Speisekammer.
Doch die Hydra blieb im Lande,
Der wir nicht den Kopf ausbrannten.
Frech in unsren Nöten mästen
Wuchrer sich und Spekulanten,
Hungrig mit gefrätz'gen Zähnen
Wie vor Leichen die Hyänen.
Doch der Wucher lacht, und höher
Nur noch die Devisen klettern;
Wahr in diesen Zeitenliigen
Einzig sind die Börsenlettern
And des Lebens Kampf und Spiele:
Kino, Bar, Cafe und Diele!
Wenn der Dollar steht viertausend
And in weiterer Gymnastik
Aufwärts klettert wie ein Liste,
Zeigt er deutlich und voll Drastik
Ansrer armen Volksgemeinde,
Wo die wahren „innren Feinde".
Kodes
Zukunftsbilder
Der Magistrat von Liegnitz hat die Reichsregierung
um Eingreifen gegen den unglaublichen Zustand ersucht,
daß die Bauer» den Karroffelseoen nur flüchtig bergen,
weil ein reichlicheres -Angebot die Preise drucken würde.
Dezember 22. Die deutschen Bauern beschlie-
ßen, die Milch belieferung der Städte einzu-
stellen, da mit der Lieferung von Kindersärgen
ein besseres Geschäft zu machen ist.
Januar 23. Anweisung an die Statistischen
Landesämter, Lebensmittel fortan in der Ru-
brik Luxusartikel zu führen.
März 23. Die deutschen Städter versichern
in einer Massenadresse an die Bauernschaft,
daß sie nach wie vor in bewährter Untertanen'
treue vor ihr ersterben.
April 23. Antwort der deutschen Bauern-
schaft, daß erwünscht sei, wenn das Ersterben
in beschleunigterem Tempo vor sich gehe.
Mai 29: Organisierung des genossenschaft-
lichen Bezugs von Kindersärgen.
Juni 23. Zwangswirtschaft in Kindersärgen.
Zweite Hälfte Juni 23. Volksabstimmung:
Kindersärge dürfen nur im freien Handel be-
zogen werden.
Oktober 23. Hilfsaktion des Wolgagebiets
für Deutschland.
November 23. Unerhört revolutionärer Aus-
bruch in Tuntenhausen: drei Personen rotten
sich auf dem Marktplatz zllsammen und führen
wirre Reden gegen die freie Wirtschaft. Das
deutsche Volk ist sich einig in der Verurteilung
der sinnlosen und verbrecherischen Aklion.
Dezember 23 bis zum Dezember des Jahres
2000. Die deutschen Städter sterben langsam
aus. Es bleiben nur noch Agrarier übrig. Da-
mit ist der politische und wirtschaftliche Jdeal-
zustand erreicht. w.