Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung (39.1922)

Beilage zum wahren Jacob

Nummer 949 Stuttgart, 15. Dezember 1922 39. Jahrgang

Aus der Gesellschaft

Herr Staatsanwalt Strmglich, der den „Wahren
Jacob" mikroskopisch aus Umsturzbazillen unter»
sucht. Wir werden unsere Leser über die Ergeb-
nisse seiner Forschungen unterrichten.

Jda Pullke, staatlich konzessionierte Ehrenjung-
frau, nahm sich das Leben, weil an des Kaisers
zweiter Hochzeit keine Ehrenjungfrauen gebraucht
wurden.

Ernst Egon von und zu Blemm-Blemm in seinem
Privatlaboratorium (Spezialität: Blausäure-
Attentate, Prima-Referenzen).

Prinzessin Georgina von Müll- und Dreckhausen
begrüßt an ihrem 38. Geburtstag (den sie zum
zehnten Mal feiert) den geliebten Exkaiser mit
einem Hofknicks.

Der vielgewandte Reichsministcr Hermes, der es
nicht übelnimmt, wenn man ihm „reinen Wein
einschenkt", vorausgesetzt, daß die Flasche nur
3 Mark kostet..

Unser Nationalhciliger Ludendorff, dem — gott-
lob nur im Traum — ein Tcuselchcn drei Abort-
kreuze auf das geniale Gesicht malte.

Die Sicherheitsnadel

Ich kann nicht anders: ich muß ihr ein Lob-
lied singen. Es gibt in diesen grauen Tagen
so wenig zu loben. Man geht umher, gefüllt
mit Gift und Galle, benagt von den tausend
kleinen Widrigkeiten des Tages, und wenn dir
ein Hosenknopf abreißt, ist's ein Drama.

Denn er springt natürlich in irgend eine
verlorene Ecke, in einen Spalt, in eine Fuß-
bodenritze und legt sich ganz gewiß nicht dort-
hin, wo er am meisten Platz hätte: in die
Mitte der Stube. Er ist also futsch. Und du
hast es eilig. Du kriechst unter den Tisch, den
Schrank, die Kommode — und stehst mit zorn-
gerötetem Antlitz wieder auf, die rutschenden
Unaussprechlichen krampfhaft in der Hand.

Wenn du eine Frau hast, wird sie dir hel-
fen, vorausgesetzt, daß sich in ihrer Sparbüchse
noch ein Knopf vorfindet. Sie wird aber nicht
unterlassen, dich darauf hinzuweisen, daß ein
Hosenknopf ein kleines Vermögen bedeutet und
daß man mit Wertgegenständen vorsichtiger
verfahren müsse. Du wirst auch erfahren, was

Nadel und Garn kosten, und das ominöse
Wort „Preis" wird wild an deinen Nerven
zerren. Immerhin: der Schaden wird geheilt,
und du darfst in Ruhe den nächsten Arger
erwarten.

Wenn du aber keine Frau hast, hast du
natürlich auch keinen Ersatzknopf. Dein erster
Gedanke ist, ein Paar andere Beinkleider an-
zuziehen. Dein zweiter: daß du ja überhaupt
nur ein einziges Paar hast, mit dem du dich
auf die Straße wagen kannst. Dein dritter:
Verdammt noch mal! Und während du wütend
in allen Schachteln herumkramst, um vielleicht
doch noch etwas zu entdecken, was sich an-
nähen ließe, fällt dir eine Sicherheitsnadel in
die Hand. Du bist gerettet.

Und hast du sie erst einmal entdeckt, wird
sie dir Universaltröstung in diesem zerrissenen,
löcherigen Leben werden. Gewiß: sie hilft nur
provisorisch, aber unser ganzes Dasein von
heute ist ja nur ein Provisorium, und nie-
mand weiß, wie die Welt in acht Tagen aus-
schaut. Wenn du nur über die nächste Stunde
hinwegkommst!

Sie hält dir Hüte, Schirme, den Hosenboden
zusammen und versagt nur dann, wenn man
sie nicht findet. Auch das kommt manchmal
vor. „Glücklicherweise," sagte vor kurzem ein
weibliches Wesen zu mir. „Sonst würdet ihr
Scheusäler euch lieber mit einer Sicherheits-
nadel verheiraten."

Aber das ist eine weibliche Übertreibung.

.... Cec.

Ein Lichtblick

„Gewiß, der Weltkrieg hat uns viel Unheil
gebracht. Aber sehen Sie, er hat das deutsche
Volk auch vom Reserveleutnant erlöst."