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10695

Michels Weihnachtswunsch

Äobelspäne

„Stille Nacht, heilige Nacht" —

Hört ihr's, wie's am Balkan fracl)t V
Säbel rasseln fern und nah,

Musjöh Fach ist auch schon da.

„Stille Nacht, heilige Nacht" —

Hört ihr's, wie der Wucher lacht?

Seine harte, gier'ge Hand
Würgt das arme deutsche Land,

„Stille Nacht, heilige Stacht,"

Glocken rufen's zag und sacht —

Ihre liebliche Melodei
übertönt der Hungerschrei.

•k

In den Zeiten des Milchwuchers läßt der Tod „die Kindlein zu
sich kommen". *

In Griechenland ging's stürmisch zu.

Sie ließen die einstigen Lenker
Und Volksverderber nicht in Ruh, "

Man übergab sie dem Henker.

Das Blut bespritzte fast den Thron.

Man liebt dort solche Szenen:

So machten es die Ahnen schon,

Die ollen antiken Hellenen.

Die Griechen sind grausam. Doch rächt sich nun
Die blutige Tragödie.

Denn grinsend folgte ihrem Tun
Die britische Heuchelkomödie.

k

Gerade in den unheiligsten Kreisen wird jetzt am meiste» von der
„heiligen" Christzeit gesprochen, womit sie das heilige Weihnachts-
geschäft meinen. k

„Wat wünschte dir zu Weihnachten?" fragte meine Aujuste. „Dumme
Frage," bemerkte ick, ,,natürlich ein Jahresabonnement auf den Wahren
Jacob." Dein getreuer Säge, Schreiner.

Fromme Wünsche

Aus der Rippe Adams hat Gott die Eva
erschaffen. Von diesem alten Sündenpaar
stammen die verjudeten Menschen ab. Für
diese unüberlegte Tat ist ein Paragraph aus-
findig zu machen für das bayerische Volksgericht.
k

Hätte Noah nicht die Arche bestiegen, wäre
das jüdische Volk untergegangen. Der liebe
Gott hat auch hier wieder Vorschub geleistet.
Es ist zu überlegen, ob das nicht in Strafe
genommen werden kann.

k

Das jüdische Volk mit seinen ewigen Wahr-
heitsaposteln, die dauernd sich selbst und allen
anderen die Meinung sagen, hat die Mensch-
heit verwirrt. Die Geschichte dieses Volkes
und die Bibel müssen unter Zensur gestellt
werden. *

Das Neue Testament ist nichts anderes als
die Verherrlichung eines Aufrührers. Es muß
verboten werden, denn sonst lesen es die Kin-
der, die trotz Katechismus noch denken können.

__ E. E.

Alle Jahre wieder...

Alle Jahre wieder
Kommt die TÜeihnachtszeit.

!lnd die frommen Lieder
Steigen weit und breit.

Alte heil'ge Lügen
Spricht der Kanzelmann.

Predigte» betrügen:

Keiner glaubt noch dran.

Weiter treu und bieder
Blüht die Wucherei —

Alle Jahre wieder
Kommt die Leuchelei.

Lieber Jacob!

Also eene birjerliche Reichsrejierung hätten
wir nu. Det heeßt, vorausjesetzt dem Fall, det
se noch in't Amt is, wenn diese lieben Zeilen
in Deine Hände kommen. Denn de Fixigkeet
in Ministerwechsel is heitzudage manchmal
jreeßer als wie die in Postbestellungen. Eener
von die Erstjenannten hatte man bloß jerade
Zeit, sich dem Reichstag vor- un sich selber
kaltzustellen. Innerhalb von vierunzwanzig
Stunden war er aus'» kleencn Landesverräter
zu 'ne jroßmächtije Exzellenz un denn wieder
zu seinesjleichen jeworden. Schade, det et
keene Rückfahrkarten »ich mehr jeden tut. Der
Mann hätte uff de weite Reise von'n Rhein
bis nach Berlin un retuhr bei de heitijen
Eisenbahnpreise'» scheenet Stick Jeld erspare»
kennen. Ick mechte in Zukumft dem unmaß-
jeblichen Vorschlag machen, det birjerliche
Reichsminister sich det Parlament ieberhaupt
»ich perseenlich vorstellen brauchen, sondern
erst zur Probe Photo nebst Verzeichnis der
Vorstrafen insenden. Det wäre billijer, un wir
missen mit jedem Fennig rechnen.

Aber een koofmännisches Jrundprinzipiuin
heeßt: „Je schneller der Umsatz, desto jreeßer
der Profit." Un det scheint sich de neie Re-
jierung in bezug uff den Ministerwechsel zur
Lehre jenommen zu haben. Se beweist damit,
det se in jede Hinsicht nach streng kapitaliste-
schen Jesichtspunkten rejieren will, wat ja bei
een birjerliches Jeschäftsministerium eejentlich
ooch selbstverständlich is. De Foljen sin natür-
lich nich ausjeblieben. Seil de Proleten aus
de Reichskabinett raus sin, hat der junge Be-
trieb eenen jroßziejijeren Schwung bekommen.
Der Dollar hat sich zu eene unerreichbare Bliete
entwickelt, wodurch det Wohljefallen der Han-
delskreise jewonnen worden is, un det Ver-

trauen der ajrarischen Vaterlandsfreinde be-
festigt sich mit jede wechentliche Brotpreis-
erhehung immer mehr. Ooch de auswärtijen
Mächte zeijen det Bestreben, mit de neie Re-
jierung in intimere Fiehlung zu jeraten. Poin-
caree hat ihr jleich mitteilen lassen, det er von
de Bemiehungen der bayrischen un pommer-
schen Rejierungsstitzen mit besten Dank 'Je-
brauch machen wird un det er als Revansche
sor det, wat- se in Stettin, Passau un Ingol-
stadt in seinem Interesse ausjefiehrt haben, de
deitsche Rejierung eerien Teil der Finanzver-
waltung in de besetzten Jebiete abnehmen wird.

Wo so ville Erfolje sin, da derf man nich
nerjeln, wenn ooch mal ’n kleener Fehlschlag
sich ereignen tut. Ehrhardt'n seine Verhaftung
is allerdings een janz besonders schwerer Fall,
weil det Maleer ausjerechent in Minchen pas-
sieren mußte. Ick wundere mir man bloß, det
sich de bayrische Rejierung sonn Jnjriff in ihre
heiligsten Separatjieter hat jefallen jelassen un
nich uff nazjonalen Hausfriedensbruch jeklagt
hat. Denn wen» een velkischer Hochverräter
nich mal mehr in Bayern sicher is, wo soll
denn een Kavalier noch bleiben, ohne ejal
Zuchthaus zu riskieren? Jedenfalls sitzen nu
von den Kappaunen-Jeneralstab bereits Jagow
un Ehrhardt in't Kittchen. Fehlt bloß noch
een Mann zum Schkat. Aber der is aus Je-
sundheitsrücksichten unabkemmlich. Is oogeu
krank un trägt 'ne blaue Brille.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.

Zur gefälligen Beachtung!

Redaktionelle Einsendungen können u» Falle der
Nichtannahme mir zuriirkgcsandt werden, wenn Riia-
Porto beigefügt ist! Die Redaktion

LiedaMonSlchluß 12.2 ezember 1D2-.
 
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