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um den Verfaffungstag

Im Gymnasium zu R- ver-
spürt« das hohe Lehrerkollegium
nicht die mindeste Lust, den Ver-
faffungStag tu begehen. Doch —
kultusministerieller Befehl ist Be-
fehl. Der kleine Studieurat Ottr
wird vom Direktor «um Referen-
ten bestimmt.

„Sehen Sir, Herr Kollege",
sagt der kleine Otte rum Direk-
tor, „welche Verfassung meinen
Sie eigentlich .... die alte
oder die neue?"

„Eigentlich mein'ich di« neue.
Aber preisen können Sie die
alte!" Und so geschah «S auch.
*

Ein Vertreter der Auslands-
prrffe interviewte Herrn Schiele
über seine Stellung zur Ver-
fassung.

„Wissen Sie," sagte Herr
Schielt, „wir beginnen uns mit
Weimar auszuföhnen. Noch drei-
mal Zollerhöhung, und die Sache
ist geschafft!"

*

„Sehen Sie," sagte Herr v.
Krudell ,u einem guten Bekann-
ten, „eigentlich ist »wischen früher
und jetzt gar kein Unterschied.
Anno 1920 haben wir beiZäckeritz
die Verfassung gegen die Repu-
blikaner verteidigt und heute ist
das genau so. L< kommt nur
daraus an, daß so etwas in die
richtigen Hände gerät!"

*

Was werden die Deutschnationalen am
Verfassungstag singen?

Zeichnung ooi,Herma»»Wilk»

Sie werden singen. „An'SVaterland. an'Stenre, schließ dich an!'

„Kinder," sagte Pros. X. in
der Sexta |U seinen Schülern,
„was feiern wir am n.August?"

„Die deutsche Reichsver-
faffung," ruft der kleine Hans.

„Unsinn," erklärte Prof. X.,
„den 157. Geburtstag des Gene-
ralleutnants der Kavallerie, Frei-
hrrrn v. Leberfleck, Inhaber des
hohenzollernschen HauSorden«
II. Klaffe."

*

Aus der DerfaffungSfeierredc
eines königlich republikanischen
Gymnasialstudienrats:

„ . . . dann aber kam die
fluchwürdige Revolution und
anschließend die Verfassung von
Weimar, die wir heute feiern
sollen. DerFestakt ist geschlossen."

Im bayrischen Ministerrat
war man der Ansicht, daß am
ii. August irgend etwas, wenn
auch sehr dcrenteS, geschehen
müsse.

„Ja aber," sagte der Innen-
minister, „warum rerbrcchen wir
uns die Köpfe? Gch'n wir am
u.AugustzusammeninsHvfbräu,
trinken ein jeder 5Maß und enden
mit einem Hoch auf den Kini."

„Das heißt taktvoll gefeiert,"
meinte Dr. Heldt ernst, „blei-
ben wir der Tradition treu, aber
mit „Maß". Ich stimme Ihnen
I», Herr Kollege."

*

Herr v. Keudell

Am I I.August versammelte Iustirvatcr Hergt
die Beamten seines Ressorts und begrüßte sie
mit folgendem Festgesang: „Meine Herren, an
diesem hohen Trauertag ... Um eS kurz »u
machen, wir feiern heute die Weimarer Ver-
fassung . . . Ach, Sie wissen noch nicht? Keine
Ahnung? Sehen Sir, das habe ich mir gedacht.
In diesem Geiste, meine Herren, weiterrich-
tern."

*

Lin deutscher Richter wurde gefragt, wie er
zur Verfassung stehe.

„Oh," sagt er, „sie garantiert meine Unab-
setzbarkeit. Wodurch die Basis gesunden ist, auf
der ich alles gegen sie tun kann."

*

Urlaub fällt! Hier in dieser Bergesrinsam-
keit wollen wir mal feste auf die Republik
schimpfen!"

bereitet rur Verfaffungsfeicr am II.August eine
ganz besondere Ehrung des neuen Staates vor:
An diesem Tage wird der letzte Republikaner
im Innenministerium, der Hilfsbote Krause
nämlich, hinausgeschmiffen werden.

Herr Marx

begegnet am ii.August einem Kollegen von der
sozialdemokratischen Fraktion. Herrn Marx ist
da« sichtlich peinlich. Mit schnellem Gruß will
er vorüber. „Frei Heil, Kamerad Marx," ruft
der andere und der Spott sitzt ihm in den Augen.

„In Ewigkeit, Amen," erwidert der so unge-
wohnt republikanisch Apostrophierte eilig, „aber
bis Herbst 1928 bin ich beurlaubt."

*

DerVerfassungstag sollte nach den Wünschen des Zentrums aneinemSonntag gefeiert werden.'

Dean wer da schläft, der sündigt nicht!
 
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