Die Serviette
In einem Dörfchen des Hcssenlandes, wo der Bürger-
meister noch nicht Jurist oder Akademiker fein muß, sondern
vom Volke aus seinen Reihen gewählt wird, hat sich der
Kreisrat zum ersten Besuche des neugebackenen Bürger-
meisters melden lassen. Große Aufregung und festliche Vor-
bereitungen im ganzen Dorf im allgemeinen und im
Bürgcrmristerhause im besonderen. Gute Nachbarinnen,
die schon in „besseren" Häusern gewesen waren, machen
die Frau Bürgermeisterin darauf aufmerksam, daß so vor-
nehme Leute beim Essen sogenannte Servietten gebrauchen.
Die Gemahlin des
neuen Häuptlings
begibt sich noch be-
sonders zur Kreis-
stadt und ersteht
ein „Schnupftuch",
dessen Zweck sic aller-
dings nicht kennt.
Der strenge Herr
Krcisrat erscheint,
steckt sich die Servi-
ette vor und fragt
freundlich, warum
denn nur e r so auf-
Aufnahme-Szene
ju einem großen Ufa-Film „Mit Hakenkreuz und Schwerterklang!"
Zeichnung von S. Eiem.
Ausreden lassen!
Zeichnungen von Hellmuth Peter
Der Regisseur: „Herrgottsakrament, so schießen Sic doch endlich! Jeder
Augenblick, den dieser Kerl länger lebt, kostet Hugenberg n Haufen Geld!"
Der Schaffner: „Bitte, hier nicht
einstcigen! Dieser Wagen ..."
merksam bedient werde, und nicht
der Herr Bürgermeister. „Och",
sagt da die Frau des Dorfge-
waltigcn, „uns Hannes schlaw-
wert net!"
*
Immer derselbe
Entgegen sonstigerGcwohnheit
steckt Professor Mayer heute beim
Anziehen seine Uhr in die linke
Westentasche statt in die rechte.
Beim Schulunterricht greift er in die rechte Tasche, vermißt die Uhr,
winkt einen Schüler heran und sagt: „Ich habe meine Uhr vergessen,
gehen Sie mal rasch in meine Wohnung, auf dem Nachttisch muß
sie liegen." Alsdann greift er in die linkeTasche, holt die Uhr hervor und
fährt fort:
„Jetzt ist cs
inUhr—um
Vs" können
Sie wieder
zurück sein."
Der kluge Herr: „Ja ja, kennen wir
schon: reserviert für Wandervögel
oder sowas! Aber..."
Die richtige Antwort
Der richtige Halt
Ein Dachdeckergeselle arbeitete an einer Reparatur auf dem Dache.
Unten ging ein Geistlicher vorüber. Als er den Gesellen da oben in
halsbrecherischer Stellung sah, rief er beschwörend zu ihm hinauf:
„Sei ja recht vorsichtig, mein Sohn, und halte dich an Gott, dann
hast du den rechten Halt!"
„Nee, Herr Pastor", schallt e« da herunter, „ich halt' mich an der
Dachkall, sinst brech ich'S Genick!"
Enttäuscht
Ein junger Dichter betritt
siegesgewiß die Redaktion einer
bekannten Tageszeitung.
„Nun — haben Sie meine
Sachen schon gelesen, Herr Re-
dakteur?"
„O ja — viel früher sogar als
Sie, junger Mann!"
Zeichnung von Iacobns Belsen
.. ich setze mich für mein Geld
dahin, wohin es mir paßt!"
Republikaner .
Nach wochenlang«* Kuhhandels-
debatte wurde die EntsAeidung
Ober den Verfassungstag als
„Nationaler ReiAs-Feiertag"
wieder einmal bis — nach dem
VerfassungstagIversAoben . . .
„Sie wollen wissen, wie ich Fabrikdirektvr gewor-
den bin,junger Mann? Ich will es Ihnen sagen: durch
Fleiß und Können, durch Fleiß und Können ..."
„ ... der von Ihnen Beschäftigte», meinen Sie
doch wohl!"
Preisend mit viel schönen Reden
Saßen sie am grünen Tisdi
Um den Sozialistenantrag
Und bekämpften ihn und sich.
Den Verfassungstag zu feiern, .
Sei natürlich Reiches Pflicht —
Doch so ohne Gegenleistung
Könne man das leider nicht!
Denn:
So sprach die rechte Flanke -
Der Rcichsgründungstag muß dann
Ebenfalls gefeiert werden!
Und sie standen wie ein Mann!
Und das Zentrum sprach mit Salbung:
Was euch recht ist, ist uns billig —
Feiert nur mit uns Fronleichnam,
Und wir sind mit Freuden willig . . .
Und:
So rückte langsam leise
Der Verfassungstag heran.
„O verflucht!"
Und die Herren sprachen weise:
Da man’s nicht mehr schaffen kann,
Müssen wir s bis Herbst verschieben,
Worauf man’s bis Herbst verschob
Und mit bauernschlauem Grinsen
Sodann auseinanderstob!
Moral:
Deutschland zwar ist Republike.
Und Verfassung gibt’s. .lawoll!
Aber seid man stiekc, stieke,
Well s sich — nicht rumsprechen soll!
Josef Maria Frank.
Das auf Seite 16 reproduzierte Blatt „Die Deutsche
Republik von Willibald Ärain ist als Kunstbiait
lGrößeMXR) im Äunstverlag Gebe. Schnitzer, Berlin
SW >8, Ritt erste. 71, zum Preis von 8,- M. erschienen.
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In einem Dörfchen des Hcssenlandes, wo der Bürger-
meister noch nicht Jurist oder Akademiker fein muß, sondern
vom Volke aus seinen Reihen gewählt wird, hat sich der
Kreisrat zum ersten Besuche des neugebackenen Bürger-
meisters melden lassen. Große Aufregung und festliche Vor-
bereitungen im ganzen Dorf im allgemeinen und im
Bürgcrmristerhause im besonderen. Gute Nachbarinnen,
die schon in „besseren" Häusern gewesen waren, machen
die Frau Bürgermeisterin darauf aufmerksam, daß so vor-
nehme Leute beim Essen sogenannte Servietten gebrauchen.
Die Gemahlin des
neuen Häuptlings
begibt sich noch be-
sonders zur Kreis-
stadt und ersteht
ein „Schnupftuch",
dessen Zweck sic aller-
dings nicht kennt.
Der strenge Herr
Krcisrat erscheint,
steckt sich die Servi-
ette vor und fragt
freundlich, warum
denn nur e r so auf-
Aufnahme-Szene
ju einem großen Ufa-Film „Mit Hakenkreuz und Schwerterklang!"
Zeichnung von S. Eiem.
Ausreden lassen!
Zeichnungen von Hellmuth Peter
Der Regisseur: „Herrgottsakrament, so schießen Sic doch endlich! Jeder
Augenblick, den dieser Kerl länger lebt, kostet Hugenberg n Haufen Geld!"
Der Schaffner: „Bitte, hier nicht
einstcigen! Dieser Wagen ..."
merksam bedient werde, und nicht
der Herr Bürgermeister. „Och",
sagt da die Frau des Dorfge-
waltigcn, „uns Hannes schlaw-
wert net!"
*
Immer derselbe
Entgegen sonstigerGcwohnheit
steckt Professor Mayer heute beim
Anziehen seine Uhr in die linke
Westentasche statt in die rechte.
Beim Schulunterricht greift er in die rechte Tasche, vermißt die Uhr,
winkt einen Schüler heran und sagt: „Ich habe meine Uhr vergessen,
gehen Sie mal rasch in meine Wohnung, auf dem Nachttisch muß
sie liegen." Alsdann greift er in die linkeTasche, holt die Uhr hervor und
fährt fort:
„Jetzt ist cs
inUhr—um
Vs" können
Sie wieder
zurück sein."
Der kluge Herr: „Ja ja, kennen wir
schon: reserviert für Wandervögel
oder sowas! Aber..."
Die richtige Antwort
Der richtige Halt
Ein Dachdeckergeselle arbeitete an einer Reparatur auf dem Dache.
Unten ging ein Geistlicher vorüber. Als er den Gesellen da oben in
halsbrecherischer Stellung sah, rief er beschwörend zu ihm hinauf:
„Sei ja recht vorsichtig, mein Sohn, und halte dich an Gott, dann
hast du den rechten Halt!"
„Nee, Herr Pastor", schallt e« da herunter, „ich halt' mich an der
Dachkall, sinst brech ich'S Genick!"
Enttäuscht
Ein junger Dichter betritt
siegesgewiß die Redaktion einer
bekannten Tageszeitung.
„Nun — haben Sie meine
Sachen schon gelesen, Herr Re-
dakteur?"
„O ja — viel früher sogar als
Sie, junger Mann!"
Zeichnung von Iacobns Belsen
.. ich setze mich für mein Geld
dahin, wohin es mir paßt!"
Republikaner .
Nach wochenlang«* Kuhhandels-
debatte wurde die EntsAeidung
Ober den Verfassungstag als
„Nationaler ReiAs-Feiertag"
wieder einmal bis — nach dem
VerfassungstagIversAoben . . .
„Sie wollen wissen, wie ich Fabrikdirektvr gewor-
den bin,junger Mann? Ich will es Ihnen sagen: durch
Fleiß und Können, durch Fleiß und Können ..."
„ ... der von Ihnen Beschäftigte», meinen Sie
doch wohl!"
Preisend mit viel schönen Reden
Saßen sie am grünen Tisdi
Um den Sozialistenantrag
Und bekämpften ihn und sich.
Den Verfassungstag zu feiern, .
Sei natürlich Reiches Pflicht —
Doch so ohne Gegenleistung
Könne man das leider nicht!
Denn:
So sprach die rechte Flanke -
Der Rcichsgründungstag muß dann
Ebenfalls gefeiert werden!
Und sie standen wie ein Mann!
Und das Zentrum sprach mit Salbung:
Was euch recht ist, ist uns billig —
Feiert nur mit uns Fronleichnam,
Und wir sind mit Freuden willig . . .
Und:
So rückte langsam leise
Der Verfassungstag heran.
„O verflucht!"
Und die Herren sprachen weise:
Da man’s nicht mehr schaffen kann,
Müssen wir s bis Herbst verschieben,
Worauf man’s bis Herbst verschob
Und mit bauernschlauem Grinsen
Sodann auseinanderstob!
Moral:
Deutschland zwar ist Republike.
Und Verfassung gibt’s. .lawoll!
Aber seid man stiekc, stieke,
Well s sich — nicht rumsprechen soll!
Josef Maria Frank.
Das auf Seite 16 reproduzierte Blatt „Die Deutsche
Republik von Willibald Ärain ist als Kunstbiait
lGrößeMXR) im Äunstverlag Gebe. Schnitzer, Berlin
SW >8, Ritt erste. 71, zum Preis von 8,- M. erschienen.
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