Dem Herrn und seinen braven
Knechten wurde ganz übel vor Gvtt-
liebS Kraft. Darum versuchte der
Herr auf eine andere Art. Gottlicb
dem Erdboden gleich zu machen. Es
befand sich da nämlich ein alter
Brunnen, der kein Wasser mehr gab
und völlig versumpft war und mit
seinen giftigen Dünsten die ganze
Gegend verpestete. Der Herr hatte
diesen alten Brunnen aus Ehrfurcht
vor der Tradition unangetastet ge-
lassen, denn er war der Meinung, daß
diese stinkende Angelegenheit unge-
heuer, dekorativ wirke und daß ohne
dieses faulende Überbleibsel aus dem
Mittelalter seine Hofhaltung eben
keine Hofhaltung mehr sei.
Da mit Bestimmtheit anzunehmen
war, daß Gottlieb in diesem Brun-
nen einen humanen Erstickungstod
sterben würde, erhielt er den Auftrag,
hinabzusteigen und nachzusehen, wa-
rum er kein Wasser mehr gebe.
Gvttlieb, gerührt über soviel Ver-
trauen, stieg hinab und fing an, mil
großer Kraft und Gewandtheit allen
Dreck und Sumpf herauszuräumen.
Als Herr und Knechte bemerkten,
daß Gottlieb keineswegs geneigt war,
an seinem bisherigen Platz auf der
Welt ein Loch zu lassen, rollten sie
einen schweren Mühlstein herbei und
warfen ihn—krach—auf Gottliebs
Kopf. Gottlieb fing ihn auf, steckte
denKopf durch dasLvch und bedankte
sich fröhlich lachend für den schönen
Halskragen. Dann arbeitete er un-
verdrossen weiter und stieg, als er
seine Säuberungsarbeit beendigt
hatte, aus dem Brunnen herauf, wäh-
rend der Herr und seine Knechte eine
Beute ohnmächtiger Wutansälle
wurden.
Da« weitere vollzog sich in schö-
ner Regelmäßigkeit.
Au6 noblen Kreisen
Zeichnung von Willi (L> teincrt
Gottlicb ging auf den Herrn zu,
krempelte stumm seineÄrmel auf, bog
illustrierenderweise eine mittelstarke
Eiche um, ließ pantomimisch seinen
BicepS auf- und abrollen und er-
suchte nunmehr um Auszahlung sei-
nes Lohnes oder um die Erlaubnis,
dafür dem Herrn zwei Ohrfeigen
verabreichen zu dürfen.
Der räusperte sich: „Mein lieber
Gottlieb," sagte er, „die letzten Ta-
rifverhandlungen ... die Not
unsere« geliebten Vaterlandes. . .
Bismarck sagte schon. . . bedenken
wir die Ideale (hier spuckte Gottlieb
in die Hand und der Herr begann
mit den Knien zu applaudieren) be-
denken ... die Ideale . . . zu-
sammenhalten..."
„Also, wa< ist," unterbrach Gvtt-
lieb, „Lohn oder Ohrfeigen?"
„Im Hinblick auf die Konjunktur
-eh-nehm ich allerdings lieber-rh
-eine Ohrfeige in Kauf...-" (Bit-
te schön: historisch, alles historisch!)
„Schön," sagte Gottlieb. Er hol-
te aus und schlug, mitleidig wie er
war, nur mit zwei Fingern zu.
Worauf der Herr sich plötzlich
wunderbar gehoben fühlte, nach ei-
niger Zeit eine Regenwolke zerteilte
und nicht mehr gesehen ward.
Korrekt, wie der starke Gottlirb
immer gewesen war, wartete er noch
vierzehn Tage und trat, als der Herr
nicht wieder herabfiel, die Herrschaft
über sein Arbeitsgebiet an.
„Was ist das eigentlich: die Verfassung? Haben Sie sic mal
gelesen?"
„Gelesen, äh, habe ich sie. Habe aber kein Wort verstanden!
Scheint wa« für'« untere Volk zu sein!"
Die nächsten Wahlen
Nach den letzten Mecklenburger Wahlen saßen zwei Rittergutsbesitzer beieinander und erörterten weh-
mütig die Aussichten der nächsten Reichstagswahlen. — „Was meinst Du, Bodo, worauf wird die Wahl
wohl fallen?" fragte Udo von Hohenzinken. — „Auf die Nerven, Udo,
auf die Nerven!" stöhnte der andere, faltete die Hände und sandte einen
ergreifenden Blick zum Himmel.
*
Man muß immer höflich sein!
Ein deutschnationaler Redner sprach in einer Versammlung über Locarno,
Schutz der Republik und Ostfestungen. Er sprach mit großer Energie und
kolossalem Stimm-
Zcichnuxg von H e I l m u t h P c t 11 aufwand, und ent-
rüstete sich so sehr, daß
er am Schluß seiner
Rede total erschöpft
war. Da sprang einer
seiner Gegner höflich
auf und geleitete ihn
an seinen Platz.
„Danke sehr, danke
sehr", stotterte der
Temperamentvolle,
„aber da« wäre ja gar
nicht nötig gewesen."
„Doch, doch", sagte
der höfliche Gegner
besorgt, „Ihnen und
Ihren Freunden droht
leider die Gefahr, nach
jeder großen Ent-
rüstung plötzlich—um-
zusallen!"
Ein Dankbarer
Ein sehr tapferer Republikaner will
am Derfassungstage am Denkmal
Wilhelms II.einen Kranz niederlcgcn.
„Wie kommen Sic auf diese Jrr-
sinnsidee?" fragte jemand.
„Aus Dankbarkeit", sagte der Re-
publikaner, „ohne ihn wäre dir Repu-
blik erst später geboren".
Zeichnung von Hans Landw ehrmann
„Einen schönen Gruß von meinem Vater, und ob
Sie un« nicht ei» bißchen Ihr Grammophon borgen
möchten?"
„So spät noch? Ihr wollt wohl tanzen?"
„Nee, das nich! Aber schlafen!"
./Schamlose Zustände! Ich würde mich Herren gegenüber nie
im Badckvstüm zeigen!"
„Das kann ich Ihne» vollkommen nachfühlen, gnädige Frau!"
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Knechten wurde ganz übel vor Gvtt-
liebS Kraft. Darum versuchte der
Herr auf eine andere Art. Gottlicb
dem Erdboden gleich zu machen. Es
befand sich da nämlich ein alter
Brunnen, der kein Wasser mehr gab
und völlig versumpft war und mit
seinen giftigen Dünsten die ganze
Gegend verpestete. Der Herr hatte
diesen alten Brunnen aus Ehrfurcht
vor der Tradition unangetastet ge-
lassen, denn er war der Meinung, daß
diese stinkende Angelegenheit unge-
heuer, dekorativ wirke und daß ohne
dieses faulende Überbleibsel aus dem
Mittelalter seine Hofhaltung eben
keine Hofhaltung mehr sei.
Da mit Bestimmtheit anzunehmen
war, daß Gottlieb in diesem Brun-
nen einen humanen Erstickungstod
sterben würde, erhielt er den Auftrag,
hinabzusteigen und nachzusehen, wa-
rum er kein Wasser mehr gebe.
Gvttlieb, gerührt über soviel Ver-
trauen, stieg hinab und fing an, mil
großer Kraft und Gewandtheit allen
Dreck und Sumpf herauszuräumen.
Als Herr und Knechte bemerkten,
daß Gottlieb keineswegs geneigt war,
an seinem bisherigen Platz auf der
Welt ein Loch zu lassen, rollten sie
einen schweren Mühlstein herbei und
warfen ihn—krach—auf Gottliebs
Kopf. Gottlieb fing ihn auf, steckte
denKopf durch dasLvch und bedankte
sich fröhlich lachend für den schönen
Halskragen. Dann arbeitete er un-
verdrossen weiter und stieg, als er
seine Säuberungsarbeit beendigt
hatte, aus dem Brunnen herauf, wäh-
rend der Herr und seine Knechte eine
Beute ohnmächtiger Wutansälle
wurden.
Da« weitere vollzog sich in schö-
ner Regelmäßigkeit.
Au6 noblen Kreisen
Zeichnung von Willi (L> teincrt
Gottlicb ging auf den Herrn zu,
krempelte stumm seineÄrmel auf, bog
illustrierenderweise eine mittelstarke
Eiche um, ließ pantomimisch seinen
BicepS auf- und abrollen und er-
suchte nunmehr um Auszahlung sei-
nes Lohnes oder um die Erlaubnis,
dafür dem Herrn zwei Ohrfeigen
verabreichen zu dürfen.
Der räusperte sich: „Mein lieber
Gottlieb," sagte er, „die letzten Ta-
rifverhandlungen ... die Not
unsere« geliebten Vaterlandes. . .
Bismarck sagte schon. . . bedenken
wir die Ideale (hier spuckte Gottlieb
in die Hand und der Herr begann
mit den Knien zu applaudieren) be-
denken ... die Ideale . . . zu-
sammenhalten..."
„Also, wa< ist," unterbrach Gvtt-
lieb, „Lohn oder Ohrfeigen?"
„Im Hinblick auf die Konjunktur
-eh-nehm ich allerdings lieber-rh
-eine Ohrfeige in Kauf...-" (Bit-
te schön: historisch, alles historisch!)
„Schön," sagte Gottlieb. Er hol-
te aus und schlug, mitleidig wie er
war, nur mit zwei Fingern zu.
Worauf der Herr sich plötzlich
wunderbar gehoben fühlte, nach ei-
niger Zeit eine Regenwolke zerteilte
und nicht mehr gesehen ward.
Korrekt, wie der starke Gottlirb
immer gewesen war, wartete er noch
vierzehn Tage und trat, als der Herr
nicht wieder herabfiel, die Herrschaft
über sein Arbeitsgebiet an.
„Was ist das eigentlich: die Verfassung? Haben Sie sic mal
gelesen?"
„Gelesen, äh, habe ich sie. Habe aber kein Wort verstanden!
Scheint wa« für'« untere Volk zu sein!"
Die nächsten Wahlen
Nach den letzten Mecklenburger Wahlen saßen zwei Rittergutsbesitzer beieinander und erörterten weh-
mütig die Aussichten der nächsten Reichstagswahlen. — „Was meinst Du, Bodo, worauf wird die Wahl
wohl fallen?" fragte Udo von Hohenzinken. — „Auf die Nerven, Udo,
auf die Nerven!" stöhnte der andere, faltete die Hände und sandte einen
ergreifenden Blick zum Himmel.
*
Man muß immer höflich sein!
Ein deutschnationaler Redner sprach in einer Versammlung über Locarno,
Schutz der Republik und Ostfestungen. Er sprach mit großer Energie und
kolossalem Stimm-
Zcichnuxg von H e I l m u t h P c t 11 aufwand, und ent-
rüstete sich so sehr, daß
er am Schluß seiner
Rede total erschöpft
war. Da sprang einer
seiner Gegner höflich
auf und geleitete ihn
an seinen Platz.
„Danke sehr, danke
sehr", stotterte der
Temperamentvolle,
„aber da« wäre ja gar
nicht nötig gewesen."
„Doch, doch", sagte
der höfliche Gegner
besorgt, „Ihnen und
Ihren Freunden droht
leider die Gefahr, nach
jeder großen Ent-
rüstung plötzlich—um-
zusallen!"
Ein Dankbarer
Ein sehr tapferer Republikaner will
am Derfassungstage am Denkmal
Wilhelms II.einen Kranz niederlcgcn.
„Wie kommen Sic auf diese Jrr-
sinnsidee?" fragte jemand.
„Aus Dankbarkeit", sagte der Re-
publikaner, „ohne ihn wäre dir Repu-
blik erst später geboren".
Zeichnung von Hans Landw ehrmann
„Einen schönen Gruß von meinem Vater, und ob
Sie un« nicht ei» bißchen Ihr Grammophon borgen
möchten?"
„So spät noch? Ihr wollt wohl tanzen?"
„Nee, das nich! Aber schlafen!"
./Schamlose Zustände! Ich würde mich Herren gegenüber nie
im Badckvstüm zeigen!"
„Das kann ich Ihne» vollkommen nachfühlen, gnädige Frau!"
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