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Flüchtlingen hinreichend Borsprung ge-
lassen, zog er am 22., abends 8 Uhr, von
Heidelberg nach Neckargemünd, wo er
ein paar Stunden rastete, kam am 23.
nach Sinsheim, wo er angesichts des
Feindes in Schlachtordnung wieder
einige Stunden ruhen ließ, und den-
selben Abend nach Eppingen und am
24. über Bretten nach Durlach, wo er
abends 8 Uhr ankam, um auf's neue in
den ungeordneten Rückzug der setzt ver-
einigten pfälzisch-badischen Armee ver-
wickelt zu werden. Hier erhielt Becker
auch noch den Bcsehl über die Trümmer
der Pfälzer Truppen und sollte nun
nicht nur den Rückzug Mieroslawskis
decken, sondern auch Durlach solange
halten, bis Karlsruhe geräumt war.
Wie immer ließ man ihn auch jetzt
wieder ohne Artillerie, denn die ihm zu-
gewiefene war bereits abmarschiert.

Becker verschanzte Durlach so gut es
in der Eile ging und wurde gleich am
nächsten Morgen (25. Juli) von zwei
preußischen Divisionen und von den
Peukerschen Reichstruppen von drei
Seiten her angegriffen. Er wies nicht
nur alle Angriffe ab, sondern ging
wiederholt selbst zum Angriff über, trotz-
dem er das Geschützfeuer des Feindes
nur durch Schützenfeuer erwidern
konnte und zog nach vierstündigem
Kampfe, unbehelligt von den ausge-
fandten Umgehungskolonnen, erst dann
in bester Ordnung ab, nachdem er die
Nachricht erhalten, daß Karlsruhe ge-
räumt und sein Auftrag erfüllt sei.

Dies ist wohl die glänzendste Episode
im ganzen badisch-pfälzischen Feldzug.
Mit Leuten, die der Mehrzahl nach
kaum 14 Tage bis 3 Wochen eingestellt,
die, ganz rohe Rekruten, von impro-
visierten Offizieren und Unteroffizieren
kaum notdürftig eingeübt waren und
die von Disziplin kaum eine Spur be-
saßen, machte Becker als Nachhut der ge-
schlagenen und halb aufgelösten Armeen
in 48 Stunden einen Marsch von über
80 Kilometern oder 11 deutschen Meilen,
der gleich mit einem Nachtmarsch be-
gann, und brachte sie mitten durch den
Feind nach Durlach in einer Verfassung,
daß sie am nächsten Morgen den
Preußen eines der wenigen Gefechte des
Feldzugs liefern konnten, in denen der
Gsfechtszweck auf Seite der Revolu-
tionsarmee vollständig erreicht wurde.

In der Murg angekommen, kam
Becker mit seiner Division östlich von
Rastatt zu stehen und nahm ehrenvoll
Anteil an den Kämpfen des 29. und
30. Juni. Das Resultat ist bekannt: der
sechsfach zahlreichere Feind umging die
Stellung durch württembergifches Ge-
biet und rollte sie dann vom rechten
Flügel an auf. Der Feldzug war nun
auch formell entschieden, und endigte
notgedrungen mit dem Uebertritt der

revolutionären Armee auf schweizer
Gebiet.

Bis dahin war Becker vorzugsweise
als einfacher demokratischer Republi-
kaner ausgetreten: aber von nun an
geht er einen bedeutenden Schritt
weiter. Die nähere Bekanntschaft mit
den deutschen „reinen Republikanern",
und namentlich mit den süddeutschen,
und seine Erfahrungen in der 1849er
Revolution bewiesen ihm, daß die Sache
in Zukunft anders ungefaßt werden
müsse. Die starken Sympathien für das
Proletariat, die Becker von Jugend an
hegte, nahmen nun eine bessere Grund-
gestalt an; es war ihm klar geworden,
daß, wenn die Bourgeoisie überall den
Kern der reaktionären Parteien bildete,
so nur das Proletariat den Kern einer
wirklich revolutionären Macht bilden
könne.

Noch einmal versuchte er die Bildung
einer Freischar; es war 1860, nach dem
siegreichen Zug Garibaldis nach Sizilien.
Er ging von Genf nach Genua, um im
Einverständnis mit Garibaldi die Vor-
bereitungen zu treffen. Aber die raschen
Fortschritte Garibaldis und die Ein-
mischung der italienischen Armee, die
die Früchte des Sieges für die Mon-
archie einheimsen sollte, brachten den
Feldzug zum Abschluß. Indes erwartete
man allgemein einen neuen Krieg mit
Oesterreich im nächsten Jahr. Es ist
bekannt, wie Rußland Louis Napoleon
und Italien benutzen wollte, um die
1859 unvollendet gebliebene russische
Rache an Oesterreich zu vervollständigen.
Die italienische Regierung schickte einen
hohen Generalstabsoffizier zu Becker
nach Genua und trug ihm den Obersten-

«Sprach. »<, 81. 2r>i..kn 1848.

Republikanische Mittheiluugc».

(Beilage zum republikanischen Regierungsblatt).

,** Neuer Aufstand kess Volke? in Bilden. Proklamirung der Republik.

Da« badische Oberkoud ist i« Aufstande k

*«f die Rach eicht wu de» vvlkiveriüchtrlschin Beschluss« de» Parlamrn!» und een dem «aratf, in
Arankfnri ist Ätrive,

grinsen »ne eiussusieciche« Mänmrn-Baden», mit einer Schaar ftüchligee Repudlika,,,, ton Bafel au» i»'»
Badisch, An dir Spitze der Schaar «arschirltu ntden de» «slilischen >?des Strur, der will,

iarische Andrer Lö»e»sel« »nt der Beauftrag!« fn, dt, Ziviianzeiegendei«» Blind. umgeben »B dadischtu
Bürgern. milch« dn Arndiiieschaur rnlzrgmgtkv»«» nsrnn. Bürge v»ek m, 8l-ii,n und Lörrach degeüsiie
ihn deiüdergekvm«,»,» Areunde an ttr Grenze mit laute« Zndckrnf. Snuii «Marie darauf m defilierter
ä'£t a» Grenzstein Diulschiand». daß er »u den »»den, Demaiiat-a Alle««,» sei. da« Bann» de,
Rerndlik ans kn» va Inländischen Bode» zu mlsalten. Leu SlrNen au» zvgeu die Republikaner m fcw Statt
Verlach tili, wv st, tm einer rvvgeuden Menschenmenge unter Tramselfchlag mit freudigem H-chrusen ans
Struve out Mt Republik ewvfanzen wurden. Sic setzte« sich darauf i« Raidhause fest; Sri««« redae
nochmal» da« «olk an. stillt, de, Raiwualgarte d,u Bürger Löwensel« al» den Remmaubauien le» Hauet,
auariier« »er. und heiles sefoit de» Bürgevaeister und Gn-iüideralh «er sich. kaouu WIN «deidaunge»
aus Sderdnungr». welch« die Rachrichl «VN der herrlichen demokratischen Stimmung in der ganze,> Nwgegenb
überbrachle« u»d ihren kluschlui an die alsbald gebildsle

provisorische Ske,ier»«K,
in term Ramen Strnre »nterzelchnet, förmlich ertILrle».

Unleideffen waren dei lkmmUbosen. Laufenburg und Rheinsildm Kolonne,, nach Baken deriitorgehrochen.
Gleickernuise setzten sich die «on Aolmar. Sliasihuig »nd Sauirrburg in Bewegung. Siegel eecriil g,g„,
Wnrtemberg. Becke, rüekt au« der Schweiz tzribei. «illich diingi po» B-san..»,, her nach Deutschland,

Da« ganze Oberland ist luililärisch für Me Sache »er StruMif organisin. ssbrnfv läßt Me prorl.
forifch« Regierung all» gefährlichen Beamte« verhafte», ealse«, sie ihrer Sielim und ernennt dafür republi-
kantsch« Beamt«, welch« hereil« i» geordneter Welse Me AwilrnwaUnnz der umlSgenden Gegenden bckvrzeu.
A» Rigierungszedint, weht die roihe z-dne mil schwarzrothgrlkemu Bändern. Die republikauischen Be-
amten trage» über ihrer Uniform -ine rolhe Bind« am kl,», «u all,» tsseuiliche» Gebäudes sind die
grotzherzoglichen Wappen adgenommen. dl» Inschrift .Deutsche R-pudiik- aogischl^m «nt die roch« Aahu-

Wikdergade einer Bekanntmachung der Provisorischen
republikanischr« Regierung, der Leiterin des badischen
Hcrbft-Aufftandes »on 1818. Beckers Name wird
genannt. Interessant sind die Angaben über die
Farben der Provisorischen Regierung.

\ 7 /fTrNhn*

rang in der italienischen Armee, glän-
zendes Gehalt und Diäten und das
Kommando über eine von ihm zu
bildende Legion im erwarteten Kriege
an, falls er in Deutschland Propaganda
für Italien gegen Oesterreich machen
wollte. Aber der Proletarier Becker
schlug rund ab; mit Fürstendienst wollte
er nichts zu tun haben.

Das war fein letzter Versuch als Frei-
schärler. Bald darauf wurde die Inter-
nationale Arbeiter-Assoziation gegründet,
und einer ihrer Gründer war Becker.
Er war gegenwärtig auf dem be-
rühmten Meeting aus St. Martins Hall,
von dem die Internationale datiert. Er
organisierte die deutschen und eingebo-
renen Arbeiter der romanischen Schweiz,
gründete als Organ dieser Gruppe den
„Vorboten", war auf allen Kongressen
der Internationale gegenwärtig und
stand Im Vordertrefsen des Kampfes
gegen die bakuniftifchen Anarchisten der
Alliance de la Denvocratie socialiste
und des Schweizer Jura.

Nach dem Zerfall der 1. Internatio-
nale bot sich Becker weniger Gelegenheit,
öffentlich hervorzutreten. Aber er blieb
dennoch stets mitten in der Arbeiter-
bewegung und übte durch feine aus-
gedehnte Korrespondenz und die häu-
figen Besuche, die ihm in Genf wurden,
fortwährend feinen Einfluß aus ihren
Gang aus.

Becker war ein seltener Mann. Ein
einziges Wort bezeichnet ihn ganz —
das Wort: kerngesund; an Körper und
an Geist war er kerngesund bis zuletzt.
Ein Hüne von Gestalt, von riesiger
Körperkraft, dabei ein schöner Mann,
hatte er seinen ungelehrten, aber keines-
wegs ungebildeten Geist dank glück-
licher Anlage und gesunder Tätigkeit
ebenso harmonisch entwickelt wie seinen
Körper. Er war einer von den wenigen
MeNschen, die nur ihrer eigenen instink-
tiven Natur zu folgen brauchen, um
richtig zu gehen. Daher wurde es ihm
auch fo leicht, mit jeder Entwicklung der
revolutionären Bewegung Schritt zu
halten und im achtundsiebenzigsten Jahre
noch ebenso frisch in der ersten Reihe zu
stehen wie im achtzehnten. Dabei war
er kein finsterer Gefinnungslümmel wie
die meisten „ernfchten" Republikaner
von 1848, sondern ein echter Sohn der
heiteren Pfalz, lebenslustig, und liebte
Wein, Weib und Gesaing über alles.
Erwachsen aus dem Boden des Nibe-
lungenliedes, um Worms, sah er noch
auf seine alten Tage wie eine der Ge-
stalten aus unserem alten Heldengedicht;
heiter und spottvoll den Gegner an-
rNfend zwischen den Schwerteshieben,
Volkslieder dichtend, wenn es nichts zu
schlagen gab, — so und nicht anders
muß er ausgesehen haben, Volker der
Fiedeler!"

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