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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 49.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.8266#0014
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Gedankensplitter

Guter Rat ist teuer. Darum
sind die einem umsonst aufge-
drungenen Ratschläge minder-
wertig, also mit Vorsicht zu
genießen.

*

Nur wer an den Teufel
glaubt, den holt er.

*

Die edelsten Menschen sind
die Kapitalisten: sie wünschen,
daß das Proletariat wachse,
blühe und gedeihe.

*

DieNächsten-undMenschen-
liebe ist noch nichtgänzlich aus-
gestorben. Das ist ein wahrer
Trost. Es gibt immer noch
Menschen, dieessich zurLebens-
aufgade gemacht haben, Kranke

wenn er die überaus blendenden
Aussichten des deutschen Wirt-
schaftslebens hinsichtlich der von
ihm vertretenen Aktien schildert,

Der Herr Direktor,

Zeichnung von Adalbert Hub

wenn er den überaus traurigen
Ciefttand des deutschen Wirt-
schaftslebens hinsichtlich der stei-
genden Sozialsten schildert!

und Sieche zu besuchen: die
Außenbeamten der Kranken-
kassen.

*

Die Schuld am unglück-
lichen Ausgang des Welt-
krieges trägt Columbus. Hätte
er nicht Amerika entdeckt, so
wüßte Amerika vielleicht noch
heute nichts von uns. Und es
wären keine Amerikaner ge-
kommen, keine Tanks, keine
Lebensmitteltransporte für die
Entente — — nicht auszu-
denken!

Glosse

Es ist eine alte Geschichte,

LS weiß es jedes Kind:

Die Leut', die sehr viel reden

Zumeist-

nichts sage n d sind!

Di- SeMchtc vyn S-rrw

Jmm, Äb

Alles was recht ist, es war eine schwere Holzerei,
in die sich der Fritz eingelassen. Da gab's Hiebe,
daß eS ihn jetzt noch brennt. Eigentlich ging
idn die ganze Sache ja nichts an, mochten die
Herren doch den Streit unter sich ausmachen.
Aber wie der Fritz so ist, er kann kein Unrecht
sehen und wo er nur meint, es geschehe eins, da
ist er dazwischen, und Recht und Sieg legen sich
auf die Seite, der er hilft. Diesmal war es
nun nicht ganz so gegangen. Aber es waren auch
Stücker fünf oder sechs, die dem dicken Hugo
ans Leder wollten. Und obwohl sie alle tüchtige
Beulen abbekommen, zuletzt waren der Fritz und
der Hugo doch froh, daß man sie auf dem Platz
sitzen ließ, den sie einmal innehatken. Gewiß,
arg zertrampelt war das Land, und Fritz, der
vorher schon vorhatre, sich einen neuen Platz zu
suchen, wo er nicht wie hier des dicken Hugo
armerKnecht sein müßte, überlegte, ob er bleiben
solle. Aber nun würde hier wohl alles anders
werden; denn wem sonst dankte es der Hugo,
daß er überhaupt noch auf einer, wenn auch zer-
trampelten Scholle faß, als idm, dem Fritz?

Der Hugo meint: „Man müßt sehen, ob man
nicht einen neuen Boden fänd für seine Wirt-
schaft, hier wächst ja nie mehr etwas Gescheites,
so zertrampelt ist alles."

„Man müßt halt den Boden gut umgraben",
gibt der Fritz zurück.

„Und Wasser ist auch keins da", meint der
Hugo wieder.

„Man müßt einen Brunnen graben."

„Es ist ja keine Schaufel da. Die letzte hat
man uns fortgenommen."

„Will sehen, ob ich nicht ein Stück Eisen finde,
eine neue Schaufel auszurecken"-, meint der
Fritz und istschon dabei, einenverbeultenSäbel,
der herumliegt, zurecht zu biegen, daß man not-
dürftig den Boden damit lockern kann, und wie
er zu graben beginnt, findet er auch eine Schaufel.

Der Hugo schaut ihm interessiert zu. „Wie
du das anpackst", meint er schließlich, „eine Lust,
dir nur zuzusehen. Aber besser wärs doch, wir
suchten ein neues Fleckerl, wo gleich Wasser
dabei ist, wie wir's brauchen."

„Such du nur", knurrt der Fritz. „Ich bleibe.
Aus dem Boden, wo ich mir die Knochen Hab
zerschinden lassen, will ich bleiben und mein
Brotin Frieden essen." Und ergräbtund buddelt,
daß dem Hugo die Erdschollen nur so um die
Füße stiegen. Linen Meter tief ist er schon her-
unter und der Schweiß rinnt ihm von der
Stirne, aber er sieht nicht auf.

Wie er zwei Meter tief ist, spricht der Hugo
von oben herunter: „Laß nur sein, es nutzt ja
doch nichts."

Nun grad nicht, denkt der Fritz, denn er fühlt,
wie derBvden feucht wird, und mit einmal geht
es: „Quack", und dann sagt es: „Gluck", und es
kommt wirklich Wasser, und er kann gar nicht
schnell genug aus dem Loch heraus, so schnell
füllt es sich mit dem ersehnten Naß.

Das hast du wirklich gut gemacht", sagt der
Hugo, und ehe noch der Fritz seinen Mund voll
Wasser hat, liegt er auf dem Bauch und säuft.
Ja. er säuft.

„Na, nun laß mich auch mal ran", sagt Fritz,
und schiebt den Dicken zzir Seile.

„Gewiß, gewiß, du hast dir einen guten
Schluck ehrlich verdient." Dann schaut er sich
um. „Eigentlich doch ein schönes Fleckerl Erde
hier herum. Das Herz tät einem web, wenn man
das hätte lassen müssen", und er ballt die Fäuste
in Erinnerung an die vergangene Holzerei.

„Man müßte sehen, daß der Boden wieder in
Ordnung käme und gute Frucht trüge", spricht
er dannseine Gedanken aus. „EtwasBrot hätten
wir ja wohl noch bis zur neuen Ernte."

Aber der Fritz ist schon dabei Ist es doch sein
Grund und Boden, auf dem er schasst, den er
verteidigt hat, den er wertvoll machte durch
seine Arbeit. Und hat nicht der Hugo ein halbes
Dutzend mal gesagt, daß ihm nichts mehr an
diesem Boden liegt?

Und er schuftet undwühltundgönntsich kaum
einen Schlaf. Und wie es einmal aussieht, als
schaffe er es nicht, knapst er sich noch zwei Stunden
ab und schafft. Ja, es ist eine Lust, für seine
eigene Zukunft zu schaffen. Und kaum gönnt er
sich ein Würzelchen, das frisch und rot unter
seinen Hände» wuchs, sich zu erfrischen. Nur,
daß der Hugo immer berumstreunt und sich gar
nicht nützlich zu macken versucht, gefällt ihm
nicht. Wer das ist wohl, weil er kein Interesse
mehr hat an dem Boden, den er aufgegeben, und.
richtig genommen, kann er es ihm nicht ver-
denken. Immerhin, er könnte sich nach einer
neuen Stellung umsehen; denn mit Sorge wird
er gewahr, daß Hugo täglich mehr von dem
spärlichen Vorrat desHauses für sich verbraucht.
Nun, denkt er, nach der Ernte läßt sich auch
darüber reden.

Ede dieErnte kommt, kommen einpaarTage,
daß keine Arbeit ist. Fritz setzt sich am Abend
wohl ein Stündchen oder zwei aus die Bank,
die er selbst gezimmert hat und sieht, wie überall

die Frucht steht. Ja, es hat gelohnt, fleißig zu
sein. Sogar ein paar Maschinen wird er an-
schaffen können und im nächsten Jahr braucht
er sich gewiß nicht halb soviel abzurackern.

Doch wie er noch so darüber nachdenkt, was
wohl zu tun sei und ob man bald daran gehen
kann, das Haus neu zuweißen, oderobmannicht
doch besser bis zum Frühjahr damit warten sollt,
stellt der Hugo sich vor ihm hin und sagt: „Ei-
gentlich ist es zu schade, daß wir nun, wo wir
soviel zusammen durchgemacht haben, ausein-
ander müssen."

Aha, denkt der Fritz,, endlich sieht er ein, daß
er hier überflüssig ist.

DochHugo fährt fort: „Aber du wirst ja selbst
einsehen, daß hier auf die Dauer keine Arbeit ist
für zwei, und so groß sind die Vorräte ja auch
nicht, daß sie ohne Gegenleistung aufgegeffen
werden könnten. Also ich meine, du solltest
gehen, ob du nicht anderswo eine gute Stelle
finden könntest."

Fritz richtet sich auf und lacht, denn ermeint,
es ist ein Scherz. Aber wie er dem Hugo in die
Augen sieht, merkt er, daß es diesem ernst um
seine Worte ist. Da packt ihn die Wut und er
fragt ihn, ob er verrückt geworden sei oder was
ihm sonst fehle.

Der andere jedoch läßt sich nicht beirren und
sagt: „Also Fritz, mach keine Geschichten. Du
weißt, der Boden gehört mir. Hat mir immer
gehört und ick kann dich nicht mehrgebrauchen.
Du siehst selbst ein, daß keine Arbeit mehr für
dich ist. Also pack deine Sachen."

Da wird es dem Fritz zu bunt und er hebt den
Arm, den andern in Grund und Boden zu
schlagen. Aber nun merkt er erst, wie müde er
sich geschuftet har. Dem andern ist es leicht, sich
zu wehren.

„So also dankst du mir, daß ich dir ein Unter-
kommen gegeben und daß du dir auf meinem
Hof dein Brot verdienen durftest. Freu dich,
daß ich nicht nach der Polizei rufe." Und er
gibt ihm einen Tritt, daß er bis auf die Straße
fliegt. Das Tor, das er selbst gezimmert, fliegt
krachend zu. Dann ist es still. Nur im Herzen des
Fritz, der elend und arm, verlassen und hungrig
seine Fäuste schüttelt, will es nicht still werden.
Am liebsten möchte er dem dickenHugo, der ihm
so übel mitgespielt, das Dach über dem Kopfe
anzünden. Ader wer könnte wohl, was er mit
seinem Schweiße mühselig errichtet, selbst ver-
nichten?

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