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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 49.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.8266#0043
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Soziale Probleme

Zeichnungen von H Hi l nt m t D 'V c t e r

„Meine firnen, man wirft unterem kosmetifcben Unternehmen foziale Rückftändigkeit vor. Ich beantrage, fcbleunigft die Fabrikation
eines Volks-'Cippenftiftes aufzunebmen, damit in Zukunft auch die ärmfte Frau ihren Cippenftift in der fiandtafcbe haben kann!“

„Den halten wir nicht!" sagte die
Großmutter.

„Doch", fiel der Teufel ein, „er wird
in der Abteilung vvrgelesen, in der die
sündigen Seelen von ewigen Gähn-
krämpfen gefoltert werden sollen."

Nun wollte cs die Großmutter noch
einmal mit der Kunst versuchen.

„Ich habe übrigens neulich einen ganz
reizenden Boucher aus dem Louvre stehlen
lassen", begann sie wieder, „Pipifax, hol
mir mal das Bild von der Schäferin!"
Pipifax brachte es. „Nun, mein Herr",
sagte sie erwartungsvoll, „wie ist Ihre
Auffassung von Boucher; wie finden Sie
dieses Rokokodämchen?"

Das kultivierte Exemplar des mo-
dernen Lebemannes schnalzte mit der
Zunge.

„Klein.aber oho!" sagte er umfassend.

„Unerhörtes Kunstverständnis!" mur-
melte der Teufel. „Lebemänner haben

bekanntlich ein-", — er machte ein

harmloses Gesicht, als seine Großmutter
ihn anblickte.

Hier bekam Heinrich Heine einen Lach-
krampf und mußte Hinausgeführtwerden.

Aber auch die Großmutter konnte nicht
mehr an sich halten.

„Was!" rief sie, „Sie wollen ein
Mann von Geist sein? Sie wollen die
Daseinsberechtigung eines Lebemannes
haben? Ein Trottel sind Sie und haben
die Daseinsberechtigung einer künstlichen
Ruine! Scheren Sie sich hinaus aus
der Hölle! Sie verderben unser ganzes
Niveau!"

„Bravo!" rief der Teufel. „Bravo!"
jubelte die ganzeHölle erleichtert, „raus!"

„Ein Lebemann wollen Sie sein?"
fuhr die Großmutter fort. „Sie sind
weder ein Mann, noch haben Sie eine

Das Waffenlager in der Kirche

Zeichnung von »ritz Preuß

„fiaft Du von den ÜJaffenfunden in der Münchener
Michaelkirche gehört? Faule Sache für die fierren
Nationalisten!“ — „Die werden lagen, Schuld ift wieder
der Verfailler Vertrag! Kriegsfcbiffe dürfen sie, wie
sie möchten, nicht mehr bauen, da müssen sie eben die
Kircbenfchiffe bewaffnen!“

Ahnung vom Leben!" Die alte Dame
geriet ordentlich in Feuer. „Raus mit
ihm! Mir wird übel, wenn ich ihn nur
ansehe!" Und sie hielt sich etwasSchwe-
fel unter die Nase.

„RauS!" brüllte die ganze Hölle aus-
gelassen und der Teufel packte den Lebe-
mann und raste mit ihm zum Schacht.

Der Gießmeister stakte gerade in sei-
nem Hochofen herum, als er ein heftiges
Rumoren hörte. Gleich darauf prasselte
neben ihm der Lebemann nieder und
dann stand auch der Teufel da.

„Nanu?" sagte der Gießmeister.

„Augenblick!" unterbrach der Teufel,
krempelte sich die Aermel auf, stellte den
Lebemann wieder auf die Füße, gab ihm
die Richtung nach der Kuckucksbar,
drehte ihm den Kopf wieder herum, hob
seinen Frack in die Höhe und versetzte
ihm einen wohlgczielten, äußerst kräfti-
gen Tritt, worauf der Lebemann sich er-
hob und mit leisem Surren in der Rich-
tung nach der Stadt verschwand.

„So!" atmete der Teufel erleichtert
auf.

„Warum haben Sie den Kerl wieder
hergebracht?" fragte der Gießmeister
enttäuscht.

„Er würde uns um unseren guten
Ruf bringen."

Der Gießmeister seufzte. „Jetzt weiß
ich auch, warum wir das Packzeug nicht
los werden", sagte er resigniert, „hun-
dertmal haben wir'S schon zum Teufel
gejagt, aber selbst der Hölle wird übel
davon und sie wirfts wieder heraus. Ts
ist trostlos!"

„Na", sagte der Teufel, und dachte
an das Menü in der Bar, „bei Euch
können sie's allerdings aushalten!"

(Schluß auf Sette 10)

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