Zwei Leidtragende
Zeichnung von E. S i c W
„Ick kann Ihnen nickt; geben, ick habe zu viel
Geld bei Bergmann in Berlin verloren!“ —
„fleh, bei dem? Bei dem hab’ ich meine guten
Prothefen verletzt!“
Das Littest
EinArbeitslvser,der
an Magenkrämpfen
leidet, ersucht um ein
Attest, da er imWinter
nicht wöchentlich drei-
mal anstehen könne,
jedesmal fünf oder
sechs Stunden, um
seine paar Pfennige
Unterstützung zu be-
kommen.
Der Arzt horcht,
klopft, massiert und
sagt: „Sie brauchen
von heute an nur zwei-
mal zu gehen!" Der
Mann windet sich in
Krämpfen hinaus.
Bilder
„Die kleinen Zeich-
nungen interessieren
mich nicht, nur die
ganz großen Gemälde
machen mir Freude!"
„Sind Sie Künst-
ler?"
„Nein, Rahmen-
fabrikant!"
Die Schlangenbändigerin
Zcichnun.«-» von <5. Gr -> naß
Zn der Bierschwemme
Zeichnuna van Adalbert Hub
„So i; reckt, nur immer lauf, Bua! Zeig’s,
daß d’ koaner von die religionslosen, Ipinneten
ÖJoalfatimpel bift!“
Kälberwerder
Ls waren einmal ein Mann und eine Frau.
So hatte ich die Geschichte ursprünglich ange-
gefangen. Aber da sagte mir der liebe Gott — nein,
der Herr Redakteur —, so dürfe der Anfang nicht
sein. Denn so fingen ja die richtigen Märchen an,
und dies sei doch gar keins, wenn's auch kaum zu
glauben sei. Außerdem spiele es in modernem
Milieu, ich müsse also stilvoller ansangen.
Na schön.
Frau Müller ärgerte sich. Frau Müller war, wie
cs durchaus der guten Sitte entspricht, die Ehefrau
von Herrn Müller. Herr Müller aber war Ober-
inspektor bei der Vcrkehrsdircktion Ost in Kälber-
werder an der Obca. Damit hatte Frau Müller
also das gute Recht, von den Beamten der Gruppen
7 bis 0 als eine sehr bessere Dame, mindestens aber
als eine bessere Dame angesehen zu werden.
Und nach diesen bedeutsamen Feststellungen kann
ich noch mal anfangen.
Frau Müller ärgerte sich. Letzten Endes war ja
nur der Dolchstoß daran schuld. Aber trotzdem
hätte man sie, eine sehr bessere Dame, nicht vor den
Kopf zu stoßen brauchen. Ihr Mann hätte aber
auch besser aufpassen können, als sie in dieses dumme
Haus einzogen. Aber daran war nur die Frau Der-
kehrsinspektor Meier schuld. Das war so eine! Da
war ja die Frau Obersekretär Schmidt noch besser,
die war so nett und so bescheiden. Aber die Frau
Meier-!! Und dabei war ihr Mann doch bloß
Inspektor und in Gruppe 8. Aber Vorteile er-
gaunern, und dabei noch so vornehm tun. das konnte
sie. Und als eben die Frau Meier draußen vorbei-
ging und guten Tag nickte, da warf sie den Kopf
zurück und rauschte empört ins Hinterzimmer.
Endlich kam dann nach aufreibendem Dienst
Herr Müller nach Hause ins traute Heim. Und
noch ehe er den Mantel ausgezogen hatte, wußte er
alles. Er hatte nicht ausgcpaßt, als die Dienst-
wohnungen verteilt wurden, er hatte andere sich
vordrängcln lassen, war begaunert worden, und sie
hätte den Aerger, und die Frau Meier, das wäre
so eine, - dagegen die Fra» Schmidt —! Aber
die Frau Meier — —!! Und dabei wäre ihr Mann
doch bloß in acht und er in neun. Und diese Zu-
stände müßte» abgestellt werden. Denn das wäre
doch ganz unmöglich. Sie hätten zu ihrerWvhnung
nur so ein Loch von Keller, und der Keller von
Meiers sei noch mal so groß. Und ob er sich dies
vielleicht gefallen lassen wolle.
Natürlich konnte Herr Müller sich das ganz un-
möglich gefallen lassen. Und schon während de«
Abendessens überlegte er die Beschwerde an die
Direktion. Aber erst mußte er als gewissenhafter
Beamter sich überzeugen. Und tatsächlich verriet
ihm derselbe unvorsichtige Spalt in der Kellertür,
der auch seiner Frau den ganz unhaltbaren Zustand
offenbart hatte, daß Meiers Keller mindestens drei-
viertel Meter breiter war als seiner. Das war doch
wirklich unerhört.
Und schon saß er am Diplomatenschreibtisch
(schwer Eiche! 1,50 Meter breit) und faltete den
Adlerbogen. Oben lmks vom Bruch: „Beschwerde
des Oberverkehrsinspektvrs Müller über erfolgte
Benachteiligung bei der Zuweisung seiner Dienst-
wohnung." Und rechts von dem Bruch: „DerDer-
kehrsdircktivn Ost gestattet sich der Endesunter-
zeichnete folgende Beschwerde gehorsamst zu unter-
breiten."
Denn das war doch wirklich stark. Wo er doch
in 9 war und Meier blos in 8. Aber das kommt
von der respektlose» Zeit. Na ja, die Republik.
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Zeichnung von E. S i c W
„Ick kann Ihnen nickt; geben, ick habe zu viel
Geld bei Bergmann in Berlin verloren!“ —
„fleh, bei dem? Bei dem hab’ ich meine guten
Prothefen verletzt!“
Das Littest
EinArbeitslvser,der
an Magenkrämpfen
leidet, ersucht um ein
Attest, da er imWinter
nicht wöchentlich drei-
mal anstehen könne,
jedesmal fünf oder
sechs Stunden, um
seine paar Pfennige
Unterstützung zu be-
kommen.
Der Arzt horcht,
klopft, massiert und
sagt: „Sie brauchen
von heute an nur zwei-
mal zu gehen!" Der
Mann windet sich in
Krämpfen hinaus.
Bilder
„Die kleinen Zeich-
nungen interessieren
mich nicht, nur die
ganz großen Gemälde
machen mir Freude!"
„Sind Sie Künst-
ler?"
„Nein, Rahmen-
fabrikant!"
Die Schlangenbändigerin
Zcichnun.«-» von <5. Gr -> naß
Zn der Bierschwemme
Zeichnuna van Adalbert Hub
„So i; reckt, nur immer lauf, Bua! Zeig’s,
daß d’ koaner von die religionslosen, Ipinneten
ÖJoalfatimpel bift!“
Kälberwerder
Ls waren einmal ein Mann und eine Frau.
So hatte ich die Geschichte ursprünglich ange-
gefangen. Aber da sagte mir der liebe Gott — nein,
der Herr Redakteur —, so dürfe der Anfang nicht
sein. Denn so fingen ja die richtigen Märchen an,
und dies sei doch gar keins, wenn's auch kaum zu
glauben sei. Außerdem spiele es in modernem
Milieu, ich müsse also stilvoller ansangen.
Na schön.
Frau Müller ärgerte sich. Frau Müller war, wie
cs durchaus der guten Sitte entspricht, die Ehefrau
von Herrn Müller. Herr Müller aber war Ober-
inspektor bei der Vcrkehrsdircktion Ost in Kälber-
werder an der Obca. Damit hatte Frau Müller
also das gute Recht, von den Beamten der Gruppen
7 bis 0 als eine sehr bessere Dame, mindestens aber
als eine bessere Dame angesehen zu werden.
Und nach diesen bedeutsamen Feststellungen kann
ich noch mal anfangen.
Frau Müller ärgerte sich. Letzten Endes war ja
nur der Dolchstoß daran schuld. Aber trotzdem
hätte man sie, eine sehr bessere Dame, nicht vor den
Kopf zu stoßen brauchen. Ihr Mann hätte aber
auch besser aufpassen können, als sie in dieses dumme
Haus einzogen. Aber daran war nur die Frau Der-
kehrsinspektor Meier schuld. Das war so eine! Da
war ja die Frau Obersekretär Schmidt noch besser,
die war so nett und so bescheiden. Aber die Frau
Meier-!! Und dabei war ihr Mann doch bloß
Inspektor und in Gruppe 8. Aber Vorteile er-
gaunern, und dabei noch so vornehm tun. das konnte
sie. Und als eben die Frau Meier draußen vorbei-
ging und guten Tag nickte, da warf sie den Kopf
zurück und rauschte empört ins Hinterzimmer.
Endlich kam dann nach aufreibendem Dienst
Herr Müller nach Hause ins traute Heim. Und
noch ehe er den Mantel ausgezogen hatte, wußte er
alles. Er hatte nicht ausgcpaßt, als die Dienst-
wohnungen verteilt wurden, er hatte andere sich
vordrängcln lassen, war begaunert worden, und sie
hätte den Aerger, und die Frau Meier, das wäre
so eine, - dagegen die Fra» Schmidt —! Aber
die Frau Meier — —!! Und dabei wäre ihr Mann
doch bloß in acht und er in neun. Und diese Zu-
stände müßte» abgestellt werden. Denn das wäre
doch ganz unmöglich. Sie hätten zu ihrerWvhnung
nur so ein Loch von Keller, und der Keller von
Meiers sei noch mal so groß. Und ob er sich dies
vielleicht gefallen lassen wolle.
Natürlich konnte Herr Müller sich das ganz un-
möglich gefallen lassen. Und schon während de«
Abendessens überlegte er die Beschwerde an die
Direktion. Aber erst mußte er als gewissenhafter
Beamter sich überzeugen. Und tatsächlich verriet
ihm derselbe unvorsichtige Spalt in der Kellertür,
der auch seiner Frau den ganz unhaltbaren Zustand
offenbart hatte, daß Meiers Keller mindestens drei-
viertel Meter breiter war als seiner. Das war doch
wirklich unerhört.
Und schon saß er am Diplomatenschreibtisch
(schwer Eiche! 1,50 Meter breit) und faltete den
Adlerbogen. Oben lmks vom Bruch: „Beschwerde
des Oberverkehrsinspektvrs Müller über erfolgte
Benachteiligung bei der Zuweisung seiner Dienst-
wohnung." Und rechts von dem Bruch: „DerDer-
kehrsdircktivn Ost gestattet sich der Endesunter-
zeichnete folgende Beschwerde gehorsamst zu unter-
breiten."
Denn das war doch wirklich stark. Wo er doch
in 9 war und Meier blos in 8. Aber das kommt
von der respektlose» Zeit. Na ja, die Republik.
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