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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 49.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.8266#0117
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^Wclhlnotrzen

In den höheren Partciinstanzen der Nationalsozialisten gab man
die Wahlparolen aus.

„Ls ist streng auf eine gewisse Einteilung unserer Wahlkampfmitlel
zu achten", sagte der Vorsitzende zu seinen Gläubigen. „Wir müssen
genau abwägcn, welchem Publikum gegenüber wir unsere höchste
politische Aktivität anwcndcn müssen, wo
wir mit dem eruptiven Volkswillen am
weitesten kommen, an welcher Stelle wir
mit der Tatkraft und ob wir hier und da
mit geistigen Waffen kämpfen müssen!"

Die Jünger baten um nähere Erklärung.

„Also", Hub der Ober an. „Kampf mit
ganzen Stühlen ist höchste politische Aktivi-
tät. vier Stuhlbeine sind eruptiver Volks-
wille. zwei bis drei Stuhlbeine sind Tatkraft
und Energie usw.!"

„Zu Befehl!", schnarrten die Gläubigen
und traten ab. Aber einer, ein ganz Ge-
nauer, kam noch mal zurück und fragte:

„Jq — und wie ist es mit einem Stuhl-
bein?"

„Das gehört schon zu den geistigen
Waffen!" erklärte der Ober.

*

In der deutschnationalen Partei beriet
man über Taktik und Grundsätze.

„Ich bin dafür", sagte Westarp, „daß wir
wieder eine Reihe wertvoller Grundsätze
aufstellen! Line kulturell hochstehende Par-
tei, wissen Sir, ist ohne schöne solide
Grundsätze undenkbar — so wie man sich
einen vornehmen Patrizierhaushalt nicht
ohne herrliche alte Möbel vorstellen kann."

„Sie haben recht", stimmte man zu,

„Sie haben vollkommen recht! Wenn man
dann in Zeiten der Not die Möbel Stück für Stück gut verkauft kriegt,
kann man sich wieder eine Weile über Wasser halten!" — Die An-
regung ging durch.

*

Trauriger Monolog eines Mimen

Zeichnung von Willi Steinerl

„Ilias hat der Kapitänleutnant getagt? Wir
tollten nicht jammern, der ,Phoebus‘ Gedanke
werde sich wie ein Phönix aus der fliehe er-
heben? Das i(t es ja eben: dieser Phönix hat
gar keine fliehe hinterlalfen!“

Aussichtslos!

Zeichnung von Kurt tzügelow

„Nein, es ift unmöglich, aus Länge und Breite einer
Zentrums-Wahlrede ihren Inhalt zu ermessen!"

mußte. Er
Mcckelborger Platt so gut wie
ein Chinese. Er war nach den
ersten paar Ansprachen schon
total nervös und ausgelaugt
wie «ine Handvoll Kamillen
nach dem fünften Aufguß.

Und als er in einer kleinen
Scheune vor gutmütig heiter
gestimmtem Publiko unter
Schweißausbrüchen redete,
geschah cs, daßJochcn Kälvws
schwarzbunter Ochse folgen
dermaßen stöhnte:

„Mmuhm..! Bwwo.ch!"

Der Referent unterbrach
stch, zuckte zusammen und
ereiferte sich:

„Auch darauf werd' ich
nachher »och ausführlich ein
gehen!"

Worauf Jochen Kälow zu
seiner Frau sagte:

.Nee, Hanne, denn kumm
man! Wenn hier de Offen
all ansangen mit ennanner
tau vertellcn, denn gähn wi
tau.Hus!" ,-s.

Mit großer Hitze entledigte ein Hugenbergianer in einer Versamm
lung sich seiner Anschauung über Schwarz-rot-gold.

„Ueber die Farben schwarz und rot ist nichts weiter zu sagen, als daß
sie sie uns aus unserer geliebten Flagge gestohlen haben! — Aber in dem
charakterlosen Gelb, das sie hinzugesügt haben, steckt die ganze Um
aufrichtigkeit ihrer verlogenen Bewegung.
Fieses charakterloseGelb ist dasKennzeichen
der...."

„ — nationalen Gewerkschaften!"
erklärte ein Ungerührter und der Redner
zuckte mit einer meuchlings erdolchte»
Pointe im Herzen schmerzlich zusammen.

*

Beratung bei Westarp.

Lin Redakteur, der referieren sollte,
schlug vor:

„Und dann halte ich es für gut, wenn
Sie mir in die Versammlung einen Mann
von den nationalen Gewerkschaften mit-
gebe», der den Leuten erklärt, warum er als
Arbeitnehmer den Rechtsparteien angehört."

„Wozu das? — Warum wollen Sie
das den Leuten nicht erklären?"

„Entschuldigen schon", sagte der
Redakteur, „weit ich's mir nicht mal
selbst erklären kann!"

*-

Ein Hugenberg'sches Filmaut» sollte
eine Tour durch Mecklenburg machen. Aber
der betreffende Referent war krank geworden
und so mußte ein Ersatzmann einspringen,
der das Mecklenburger Plattdeutsch nicht
beherrschte.

„Tun Sie so, als ob Sie jeden Zwischen-
ruf verständen", sagte der Direktor finster,
„und wenn Sie absolut nicht daraus klug werden können, dann sagen
Sie, Sie würden darauf noch später näher eingehen! Aber vermeiden
Sie jegliche Arroganz! Die Leute sind empfindlich."

Der bedrohte Referent fuhr zitternd los. Und es kam, wie es kommen
verstand das

Zn der Rumpelkammer

Zeichnung von Adalbert Hub

I'

NationeW

Zwei deutlchnationale Parteigrößen suchen noch
jetzt nach einer zugkräftigen Wahlparole . . .!

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