Von Ernst Loferichter — Zeichnungen von Lothar Neiz
einem Lachen auf
der linken Gesichts-
hälfte, wobei die rechte zu-
sah, verließ der Wahre
Jacob seinen letzten Witz
und den zugigen Norden —
und zog gen Süden, wo nicht
nur der Limmel, sondern
auch die Vorhemden, Tram-
bahnen, Kanarienvögel und
Kinderwagen weißblau
emailliert sein sollten.
And verwunderte sich, als
hinter den bayerischen
Grenzpfählen die Wälder
grün, die Anterröcke rot und die Maßkrüge grau waren . . .
Die Landschaft roch nach Roggenbrot, Brazil und verschim-
melten Gebetbüchern — während Jacob über die Donau ins
Altbayerische einrollte. In der letztenWagenklaffewurdeüberKalb-
fleischpreise, Gemeindeumlagen, Pfarrersköchinnen und Gottes-
„Der Bazi kann ja aa boarisch . .! And a Viech is er,
a zünftige Lütten ... Da ruck her . .!"
And die Pointen hüpften wie Gummibälle hin und her —
bis sich der Münchner Lauptbahnhof gleich einer zusammen-
geflickten Losentasche auftat.
Der Wahre Jacob stand auf dem biergetränktesten Boden
der Erde. And er würde nicht sonderlich erstaunt gewesen
sein, wenn auf den Bahnsteigen Köpfen und Gerste wie
Bohnenkraut emporgewachsen wäre.
Serienweise blitzten die Pickelhauben im Isarnebel auf,
jene Pickelhauben — die fünfzig Jahre lang zwischen den
Seiten des Wahren Jacob wie Disteln gepreßt worden
waren.
Der echte Münchner läßt sich von keinem Schupo ver-
haften. Da muß ein echter Schutzmann her, deflen Strenge
längst durch Witzblätter gemildert wurde — und über dem
eine Lelmspitze den Steckkontakt mit dem Limmel und seiner
Gerechtigkeit aufrecht wie Ruhe und Ordnung erhält.
Jacob schritt in eine entlegene Wirtschaft, vor der zwei
schwindsüchtige Föhren in alten Konservenbüchsen standen.
Am Stammtisch, neben dem milchkübelblauen Kachelofen,
gnadentum gesprochen. Ein
Viehhändler mit Gummi-
mantel und Gemsbart rückte
näher:
„Entschuldigens,Sie fand
a Ausländer . .?"
„Ich bin der Wahre
Jacob und komme aus
Berlin — —-"
Stille. Die unerwiderte
nördliche Liebe zu Bayern
stand überlebensgroß im
Wagen. Aus den Ecken
kamen Blicke des Be-
dauerns, weil der arme
Mensch ein Krüppel, ein Preiß war, einen Geburtsfehler hatte,
den kein Friedensvertrag mehr abzuschleifen vermochte.
Da begann Jacob aus seinen neunundvierzig Jahrgängen eine
bayerische Anekdote nach der andern hinzusetzen, daß es wie von
Knallerbsen krachte.
. Da muß ein
her
echter Schutzmann
Am Stammtisch, neben dem Kachelofen, tagte
die Cowboy-Vereinigung München-Ost.
tagte die Cowboyvereiniqung München-Ost, die zur Ver-
tretung der bayerischen Wildwestinteressen gegründet wurde.
Der Vorstand schrie, daß das Isarfloß über ihren Köpfen
hohen Wellengang bekam: „Wenn jetzt net schnell jedes Mitglied
a Fuchzgerl zum Repräsentationsfonds zahlt, fand mir nimmer
aktionsfähig und der Saupreiß anektiert aa no unsere Interessen-
sphären . . . And a Krieg is da, wia a Bretzen . .!"
Augenblicklich zog der Wahre Jacob sein Notizbuch, um diese
weltpolitische Fanfare festzunageln.
Aber da erspähte mit Prärienblick ein bayerischer Cowboy
den schreibenden Fremden und schwang gegen den „Spion"
sein Lasso.
And der Wahre Jacob verzog sich in eine der „besseren
Buchhandlungen", um sich den Wahren Jacob zu kaufen. In
aus seinem
der Auslage prangten lorbeergarniert die Kriegserinnerungen
der großen Leerführer, die dort auf Samt gebettet, weiterhin
gegen einander mit veränderten Auflagen und reduzierten Pressen
in die Schlacht zogen und Siege und Leser suchten.
„Solche Lefte führen wir nicht. .!"
„Weil Sie im Schaufenster Schlachten führen . .?"
„Wie beliebt . .? Oder kann ich mit dem offiziellen Führer
durchs kgl. bayr. Lofbräuhaus dienen . .? Oder wünschen der
Lerr ,Das bluatige Edelweiß" — ein Alpendrama mit Jodler-
beilagen . .?"
Draußen schrien Menschen auf, ein Knäuel verfilzte sich, aus
einem Schulhaus strömten Schülerklassen . . .
Jacob dachte an eine plötzliche Sonnenfinsternis, Trambahn-
unfall mit Larmonikatragik, Amfahrt eines Milliardärs, der
Wagen Gold-
Der Prinz, wie er zur Eröffnung der Vogclausstellung
fährt . . .
da hab'n Sie aber a Glück g'hobt, dös Ihre Kinder
Kindeskinder noch mit Ehrfurcht betrachten werd'n . . . Sie
hab'n nämli die Momentaufnahme von an bayrischen Prinzen
^'macht, wie er zur Eröffnung einer Vogelausstellung fahrt, wo
Löchstderselbe Protektor is' . . . Wissen S', so was is in der
bayrischen Geschichte gewissermaßen von unsterblichem Wert und
Glanze . .!"
Durchschüttelt vom Schöpfergefühl, rannte der Wahre Jacob
zwischen Bierfuhrwerken, besoffenen Korpsstudenten durch die
stücke verteilt . . . Fahnen
wurden geschwungen, Lieder
stiegen bis zu den Dach-
rinnen empor, Sbüfe senkten
sich in den Rinnstein und
Lochs flogen wie Sektpfropfen
in die Luft.
Jacob zog seinen Photo-
apparat aus der Ledertasche,
stellte ein, drückte noch recht-
zeitig ab — als gerade ein
Auto vorüber flitzte, in dem
der Lerr saß, dem das Volk
huldigte. Jacob lächelte be-
friedigt, weil er jetzt unerhofft
ein Bild vielleicht vom größten
Geist des Landes mit nach
Lause bringen konnte.
Als die Platte entwickelt
und kopiert war, strahlte ihn
der Photograph wie eine
Löhenfonne an: „Mein Lerr,
und
Durchschüttelt vom Schöpfergefühl, rannte der Wahre Jacob
zwischen Bierkutschern und Korpsstudenten durch München.
schönsten Winkeln des Crd-
es kein „Wenn" und „Aber"
Münchner Stadt, die zu den
balls gezählt werden könnte, so
gäbe . . .!
Vor den Lausgängen standen Oefen mit heißen Maronis und
die Verkäuferin, die im Sommer mit Speiseeis handelt, sang
nasenbohrend in ihr Ofenloch hinein: „. . . Du sollst der Kaiser
meiner Seele sein . .!"
Der Bergwind trieb ihn nach Schwabing, wo in den Keller-
Wohnungen die Lausmeistersleute mit den Dienstmädchen „Mühl-
10
einem Lachen auf
der linken Gesichts-
hälfte, wobei die rechte zu-
sah, verließ der Wahre
Jacob seinen letzten Witz
und den zugigen Norden —
und zog gen Süden, wo nicht
nur der Limmel, sondern
auch die Vorhemden, Tram-
bahnen, Kanarienvögel und
Kinderwagen weißblau
emailliert sein sollten.
And verwunderte sich, als
hinter den bayerischen
Grenzpfählen die Wälder
grün, die Anterröcke rot und die Maßkrüge grau waren . . .
Die Landschaft roch nach Roggenbrot, Brazil und verschim-
melten Gebetbüchern — während Jacob über die Donau ins
Altbayerische einrollte. In der letztenWagenklaffewurdeüberKalb-
fleischpreise, Gemeindeumlagen, Pfarrersköchinnen und Gottes-
„Der Bazi kann ja aa boarisch . .! And a Viech is er,
a zünftige Lütten ... Da ruck her . .!"
And die Pointen hüpften wie Gummibälle hin und her —
bis sich der Münchner Lauptbahnhof gleich einer zusammen-
geflickten Losentasche auftat.
Der Wahre Jacob stand auf dem biergetränktesten Boden
der Erde. And er würde nicht sonderlich erstaunt gewesen
sein, wenn auf den Bahnsteigen Köpfen und Gerste wie
Bohnenkraut emporgewachsen wäre.
Serienweise blitzten die Pickelhauben im Isarnebel auf,
jene Pickelhauben — die fünfzig Jahre lang zwischen den
Seiten des Wahren Jacob wie Disteln gepreßt worden
waren.
Der echte Münchner läßt sich von keinem Schupo ver-
haften. Da muß ein echter Schutzmann her, deflen Strenge
längst durch Witzblätter gemildert wurde — und über dem
eine Lelmspitze den Steckkontakt mit dem Limmel und seiner
Gerechtigkeit aufrecht wie Ruhe und Ordnung erhält.
Jacob schritt in eine entlegene Wirtschaft, vor der zwei
schwindsüchtige Föhren in alten Konservenbüchsen standen.
Am Stammtisch, neben dem milchkübelblauen Kachelofen,
gnadentum gesprochen. Ein
Viehhändler mit Gummi-
mantel und Gemsbart rückte
näher:
„Entschuldigens,Sie fand
a Ausländer . .?"
„Ich bin der Wahre
Jacob und komme aus
Berlin — —-"
Stille. Die unerwiderte
nördliche Liebe zu Bayern
stand überlebensgroß im
Wagen. Aus den Ecken
kamen Blicke des Be-
dauerns, weil der arme
Mensch ein Krüppel, ein Preiß war, einen Geburtsfehler hatte,
den kein Friedensvertrag mehr abzuschleifen vermochte.
Da begann Jacob aus seinen neunundvierzig Jahrgängen eine
bayerische Anekdote nach der andern hinzusetzen, daß es wie von
Knallerbsen krachte.
. Da muß ein
her
echter Schutzmann
Am Stammtisch, neben dem Kachelofen, tagte
die Cowboy-Vereinigung München-Ost.
tagte die Cowboyvereiniqung München-Ost, die zur Ver-
tretung der bayerischen Wildwestinteressen gegründet wurde.
Der Vorstand schrie, daß das Isarfloß über ihren Köpfen
hohen Wellengang bekam: „Wenn jetzt net schnell jedes Mitglied
a Fuchzgerl zum Repräsentationsfonds zahlt, fand mir nimmer
aktionsfähig und der Saupreiß anektiert aa no unsere Interessen-
sphären . . . And a Krieg is da, wia a Bretzen . .!"
Augenblicklich zog der Wahre Jacob sein Notizbuch, um diese
weltpolitische Fanfare festzunageln.
Aber da erspähte mit Prärienblick ein bayerischer Cowboy
den schreibenden Fremden und schwang gegen den „Spion"
sein Lasso.
And der Wahre Jacob verzog sich in eine der „besseren
Buchhandlungen", um sich den Wahren Jacob zu kaufen. In
aus seinem
der Auslage prangten lorbeergarniert die Kriegserinnerungen
der großen Leerführer, die dort auf Samt gebettet, weiterhin
gegen einander mit veränderten Auflagen und reduzierten Pressen
in die Schlacht zogen und Siege und Leser suchten.
„Solche Lefte führen wir nicht. .!"
„Weil Sie im Schaufenster Schlachten führen . .?"
„Wie beliebt . .? Oder kann ich mit dem offiziellen Führer
durchs kgl. bayr. Lofbräuhaus dienen . .? Oder wünschen der
Lerr ,Das bluatige Edelweiß" — ein Alpendrama mit Jodler-
beilagen . .?"
Draußen schrien Menschen auf, ein Knäuel verfilzte sich, aus
einem Schulhaus strömten Schülerklassen . . .
Jacob dachte an eine plötzliche Sonnenfinsternis, Trambahn-
unfall mit Larmonikatragik, Amfahrt eines Milliardärs, der
Wagen Gold-
Der Prinz, wie er zur Eröffnung der Vogclausstellung
fährt . . .
da hab'n Sie aber a Glück g'hobt, dös Ihre Kinder
Kindeskinder noch mit Ehrfurcht betrachten werd'n . . . Sie
hab'n nämli die Momentaufnahme von an bayrischen Prinzen
^'macht, wie er zur Eröffnung einer Vogelausstellung fahrt, wo
Löchstderselbe Protektor is' . . . Wissen S', so was is in der
bayrischen Geschichte gewissermaßen von unsterblichem Wert und
Glanze . .!"
Durchschüttelt vom Schöpfergefühl, rannte der Wahre Jacob
zwischen Bierfuhrwerken, besoffenen Korpsstudenten durch die
stücke verteilt . . . Fahnen
wurden geschwungen, Lieder
stiegen bis zu den Dach-
rinnen empor, Sbüfe senkten
sich in den Rinnstein und
Lochs flogen wie Sektpfropfen
in die Luft.
Jacob zog seinen Photo-
apparat aus der Ledertasche,
stellte ein, drückte noch recht-
zeitig ab — als gerade ein
Auto vorüber flitzte, in dem
der Lerr saß, dem das Volk
huldigte. Jacob lächelte be-
friedigt, weil er jetzt unerhofft
ein Bild vielleicht vom größten
Geist des Landes mit nach
Lause bringen konnte.
Als die Platte entwickelt
und kopiert war, strahlte ihn
der Photograph wie eine
Löhenfonne an: „Mein Lerr,
und
Durchschüttelt vom Schöpfergefühl, rannte der Wahre Jacob
zwischen Bierkutschern und Korpsstudenten durch München.
schönsten Winkeln des Crd-
es kein „Wenn" und „Aber"
Münchner Stadt, die zu den
balls gezählt werden könnte, so
gäbe . . .!
Vor den Lausgängen standen Oefen mit heißen Maronis und
die Verkäuferin, die im Sommer mit Speiseeis handelt, sang
nasenbohrend in ihr Ofenloch hinein: „. . . Du sollst der Kaiser
meiner Seele sein . .!"
Der Bergwind trieb ihn nach Schwabing, wo in den Keller-
Wohnungen die Lausmeistersleute mit den Dienstmädchen „Mühl-
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