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Mystische Dinge

Zeichnung von Karl Wcndland

ver f>ellfeher laß mit verbundenen
Augen auf der Bühne. Einffiann kletterte
zu ihm herauf und sagte:

„Sie können gar nicht helllehen!“

„0 doch“, erwiderte gekränkt der
ßellfeher und ließ eine flut von Be-
hauptungen über den Mann los.

Aber der sagte:

„Sie können doch nicht helllehen!
lüenn Sie helllehen könnten, hätten Sie
mir auch lagen müssen, daß meine Frau
für Sie wascht und daß ich eins von
Ihren Hemden anhabe!“

Zurück marschmarsch!

Don Jo Hanns Röslrr

Das kam so:

Der Lintenfertigvornefertigabfahren
mit dem roten Mützchen der Bahn-
station Heidenau bei Pirna hatte sich
heute früh krank gemeldet. Sein Kollege
war aus Urlaub. Ergo blieb dem
Oberbahnhofsvorsteher Müller, Gehalts-
klaffe 2b, nichts anderes übrig, als sich
höchstselbst mit der roten Mütze zur Ab-
fahrt des Personenzuges 475 Boden
tief—Neustadt zu bemühen. Er tat dies
mit Würde, sodaß jeder aus zehn Schritt
merken mußte:

Eigentlich ist er nicht dazu ver-
pflichtet.

And dann kam das:

Müller bemerkte plötzlich, daß im Per-
sonenzug 475 einer etwas tat, was er
eigentlich laut Emailletafel erst während
der Fahrt außerhalb der Bahnhöfe tun
durfte.

Müller begab sich vor das Abteil und
kümmerte kurz und exakt dreimal gegen
die Milchscheibe:

„Aufhören!"

Der Fahrgast ließ sich nicht stören.

„Aufhören! Sofort aufhören!"

Dem Fahrgast machte das nichts.

Da kam Müller in Wut. Er war gegen

den Verbrecher ohnmächtig. Denn einsteigen konnte
er nicht. Sofort wäre da drinnen nicht geöffnet
worden und der Zug mußte pünktlich weiterfahren.
Zu seinem Pech grienten aus allen benachbarten
Abteilen begeisterte Gesichter und auf dem Bahn-
steig hatte sich um ihn ein sensationslüsterner
Laufen gebildet.

Er hob daher sein weißrotes Signalftäbchen
und schimpfte:

„Natürlich wieder so ein böhmischer Zug! Na-
türlich wieder so ein Kerl aus der tschechischen
Zudenrepublik!"

Da kam das Verhängnis:

Lemke, ein bescheidener sächsischer Bürger,Chatte
dieses Wort gehört.

Er trat vor den wütend zitternden Beamten
hin und fragte:

„Würden Sie mir bitte Ihren Namen nennen?"

Der Oberbahnhofsvorsteher blieb stehen.

„Waswollnsiedenn, junger Mann?"

„Ihren Namen bitte."

„Wozu?"

„Ich möchte Sie bei Ihrer Behörde anzeigen."

„Sie sind wohl verrückt geworden, was?"

And er wollte schnell über die Gleise.

Aber Lemke verttat ihm den Weg.

„Derartige Belästigungen verbitte ich mir, junger

Zeichnung von HaneRewall,

Mensch. Ich bin Beamter, höherer Be-
amter. Verstanden?!"

„Eben deswegen. Sie haben sich flegel-
haft benommen."

„Was?? Wie?? Kommen Sie, kommen
Sie mit! Schnell! Das werden wir
sehen! Das wäre noch schöner, wenn jeder

Die tüchtige Kraft

Zeichnung von <£. Sito

Herumtreiber einen Beamten beleidigen
könnte!"

And er packte Lemke am Rockkragen
und zog ihn in das Stationsgebäude.

Der Oberbahnhofsvorsteher brachte
Lemke in eine Kanzlei und ließ ihn auf
eine Bank setzen.

„Warten Sie hier."

Dann ging er in den Nebenraum
„Zutritt nicht gestattet".

Lemke wartete.

Nack einer halben Stunde kam der
Beamte zurück. Mit einem dicken Notiz-
buch und einem langen, spitzen Bleistift.
„Sie heißen?" „Lemke." „Wohnen?"
„Bahnhofsstraße 16." „Sind?" „Re-
publikaner." „Aha! Beruf?" „Kauf-
mann." „Schön. Wir werden Sie schon
klein kriegen. Keine Bange. Jetzt können
Sie gehen."

Lemke blieb sitzen.

„Nanu? Hören Sie nicht?"

„Doch. Aber ick bleibe. Sie haben
mich mit Gewalt in das Zimmer ge-
bracht. Jetzt gehe ich nicht."

„Ich werde die Polizei holen."

„Am so bester."

Dem Oberbahnhofsvorsteher war die
Sache äußerst unangenehm. Er hatte
sich in der Wut zu einer unverantwort-
lichen Aeußerung hinreißen laffen. Er
hatte dann ferner die Angelegenheit vor
dem jungen Mann nicht klug ins Lächer-
liche gezogen, sondern seiner Wut freien
Lauf gelaffen. Das aber hatte er sich alles
erst hinterher überlegt. Er wollte nun
(Schluß siehe Seile 11)

1,

Kunst ist die Kunst, weglaffen zu können!

,Zeichnung von Kurt H ü g e I o w

Die Entwicklung der Darstellung eines Frauenkopies in der hochmodernen Graphik!

11
 
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