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,,Der «Iahre )a<ob erscheint 14 tägig an jedem _TWW „ 4__ Ä( Bezugspreis für Deutschland einzclnummer 40 Pf.

zweiten Sonnabend. Alte postanstalten, Bucbband- M f g|* llljl |jfg saCOv Redakt.: Berlin SRI 68, Itndenstr.3. Verantwort!, f. d
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Maschine und es sei verantwortungs-
los, ihn, den Landelskaminerprä-
sidenten, so ohne Schuh zu lasten.
Am nächsten Morgen wunderte sich
der schäbige Mann (Dr. Nebel) sehr,
daß vor der Handelskammer ein
ganzes Spalier von Polizisten stand
und daß er ans seine Anmeldung

Die Injektionsspritze

Von Gerhard Färber tisch verbarrikadiert und wies aus

Zeichnungen von R. Pfaehler v Othegraven ein Sosa in zehn Meter Entfernung
Das Laboratorium des hin, das mit imprägnierten Palmen garniert war, die wie eine

Doktor Jakob Nebel liegt schlechte Kulisse wirkten. „Sie wünschen?" Dr. Nebel brachte

im 4. Stock eines alten sein Anliegen vor: „Die Arbeitslosigkeit ist groß und da auch

Laufes mitten im ärmsten ich leider berusslos geworden bin (der Präsident hüstelte

Viertel in der Umgebung dreimal auffällig), habe ich mich mit dem Problem ans meine

der baufälligsten Läufer und Weise abgefunden." Er wollte in die Tasche fahren und den

der Arbeitsämter. Auch Dr. Jakob Nebel ist arbeitslos. Inhalt vorzeigen, aber da brüllte der Landelskammerpräsident:

Seine Praxis hat der Krieg zertrümmert, da er mit breiten „Es gelingt Ihnen nicht!!!" klingelte aufgeregt dreimal mit

Goldstreifen am Arm eine blaubejackte Soldatenattrappe hatte der Tischklingel und eh' sichs Dr. Nebel versah, hatten ihn
abgeben müssen. Dann versuchte er von Zeit zu Zeit kleine sechs Polizistenarme aus deni Palmengebüsch heraus gepackt.

Nebenverdienste zu ergattern, wenn er sich nicht kleinen Spie- „Lallen Sie den Attentäter fest!!" krähte der Präsident, und

lereien seines ehemaligen Hauptberufes hingab. Das Zimmer ehe ein Wort aus dem Munde des Doktors kommen konnte,

sah kahl aus, Betten und Tisch trennte ein schmutzig-grauer wurde er aus dem Lause ins Untersuchungsgefängnis geschleppt.
Vorhang und das Laboratorium bestand aus einer in eine Der Untersuchungsrichter spielte mit einer zierlichen Injektions-
Mauernische eingelassenen Lolzplatte, die eine fliegenbedreckte spritze, auf der eine kleine Skala zu lesen war: 0,1-^3 Tage
schlechte Glühbirne beleuchtete und auf der einige halbzer- Schlaf, 0,7 *= 3 Wochen, 2,8 = 3 Monate, 8,4 = 1 Jahr usw.

sprungene Gläser und andere medizinische Reste standen. Dabei lächelte der erfahrene Mann süffisant zu Dr. Nebel

In der Küche, die man mit einer alten, schmutzigen Ver- hin, der vor ihm saß: „Also Sie behaupten, (oie wollten

Mieterin teilte, hantierte Frau Doktor Nebel und kochte Kartoffeln gar nicht morden; dies sei nur eine Injektionsspritze zur Ein-

mit Margarine, während Dr. Nebel auf einem Schusterdreibein spritzung von Schlafgift, die Sie dem Lerrn Kammerpräsidenten

hockte und auf die Straße starrte, gerade als gegenüber der vorführen wollten!" Der Doktor erwiderte: „Ich habe mich,
Arbeitsnachweis von Menschen dicht umdrängt war. Er wie ich schon einmal angab, mit dem Arbeitslosenproblem
dachte: „Da stehen sie bis auf den Fahrdamm und warten beschäftigt, und da es für unsereinen besser ist, man schläft,

aus die Gnade, Arbeit zu bekommen. Leider ist es unmöglich, als daß man mit leerem Magen auf den Straßen lungert,

ihnen allen diese,Gnade' zu erteilen, da es zu wenig Arbeit habe ich diese Schlafspritze erfunden, um jedem Arbeitslosen

auf der Welt gibt; das heißt zu viel Menschen!" And in zu ermöglichen, so lange zu schlafen, bis er Arbeit finden

diesen Gedanken wühlte er sich wie in einen Maulwurfsbau kann, ohne daß er Nahrung oder Geld braucht." • Der

ein. „Also müßte man die Menschenüberschüsse vernichten!" Antersuchungsrichter lächelte, als ob er sagen wollte: „Ich

Das Lerz zittert bei diesem Gedanken. „Sollte man zum Kan- glaube den Lerren Verbrechern alles!" Er sagte aber nur:

nibalismus zurückkehren und Konservenfabriken mit Menschen- „Bitte, unterschreiben Sie das Protokoll. (Der Doktor tats.)

fleisch eröffnen, um dieAeberlebenden sattzusüttern: Pökelkamm, Ich glaube Ihnen, wenn aber der Verdacht, daß in der Spritze
Zungenfilet oder gebackene Niere gefällig? Wer sollte die ein dem Lerrn Landelskammerpräsidenten zugedachtes Gift

Aeberzähligen schlachten, etwa die vielen Feldmarschälle oder enthalten ist, ganz verschwinden soll, müssen wir Sie bitten

Lauptleute a. D.??? Oder sollte man lieber ein Geburten- (und dabei wurden seine Augen messerscharf) jetzt sogleich am

verbot im Reichstag durchsetzen? Oder vielleicht — —"

Der Doktor hatte einen faszinierenden Gedanken und setzte sich
sogleich an eine Experimentier-Arbeit, in sich hinmurmelnd:

„Am besten, man schliefe so lange, bis man vernünftige Arbeit
gefunden haben könnte." Dann meldete sich ein Mann in
schäbig-grauem Aeberzieher beim Landelskammerpräsidenten.

Acht Tage hindurch kam er jeden Tag und wartete von 10 Ahr
morgens bis abends, ohne vorgelassen zu werden, bis der Diener
den Präsidenten darauf aufmerksam machte, daß da ein Mann
im Audienzzimmer sitze, von dem man nicht wisse, was er plane,
der saloppe Mantel, die wirren Augen, das verhungerte Gesicht
und außerdem halte er die eine Land immer in der Tasche, in
der etwas rundes stecke — man müsse sich vorsehen! Der
Landelskammerpräsident erschrak und empfand mit zitternden
Knien: „Landgranate!" „Es ist gut, ich danke Ihnen!" Er
griff zum Telephon und verständigte die Polizei: „Ein Atten-
täter! In der Tasche mit 90 Prozent Sicherheit eine Löllen-
 
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