Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Vor» Andrö

Der Baron trug ein Monokel, das,
um den Schein zu vermeiden, bloß aus
Snobismus getragen zu werden, ein
starkes Konvexglas war. Mit seinen ge-
sunden Augen sah er durch dieses seine
Mitmenschen wie kleine Zwerge vor sich
wandeln. Dies verstärkte ihn nur in der
Einbildung seiner eigenen Erhabenheit und
ließ ihn stets mit einem anmaßenden Wohl-
wollen zu anderen sprechen.

Auch ich wurde mit einer freundlich-
gnädigen Lerablassung empfangen, als er
mein Begehren hörte.

„Sie möchten also ,Lacker" werden,
teurer Freund?" fragte er in einem Ton,
als hätte es geheißen, ich wollte Finanz-
minister werden.

And ohne meine Antwort abzuwarten,
fuhr der Baron fort: „Zum,Lacken" braucht man hauptsächlich
zwei Dinge: eine,Lacke" und eine tüchtige Portion Impertinenz."

„Die hat er!" rief mit großer Aeberzeugung mein Freund
Karl, der mich begleitete, während ich mich nur still verneigte.

„So benötigen Sie nur noch die,Lacke". Ich gebe Ihnen
einige Adressen, von denen sie eine, ganz gleich welche, auf-
suchen. Sie werden an angegebener Stelle eine kleine Tafel
finden mit der Inschrift: ,Nationales Komitee zur Bekämpfung
des roten Greuels" — es kann aber auch ,gelbe Gefahr" oder
,schwarze Schmach" heißen, wenn es nicht zufällig ein,Komitee
zur Beschenkung der Eskimowaisen mit Pulswärmern" oder
etwas Aehnliches ist. Da werden Sie einen sehr vornehm
aussehenden Lerrn finden, der sich Generalsekretär nennt.
Sie stellen sich ihm als Rittmeister a. D. vor-—"

„Ich Hab' es leider nur bis zum Vize-"

„Bitte, unterbrechen Sie mich nicht . . .! Sie stellen sich
also, wie gesagt, als Major a. D. vor und erklären. Sie
möchten sich der Propagandatätigkeit des Komitees anschließen.
Worauf der vornehme Lerr Ihnen eine ,Lacke" überreichen
wird, die Sie sorgfältig in Ihrer Rocktasche verwahren!"

„Zn meiner Rocktasche . . .?"

„Natürlich! Wohin sonst möchten Sie sie stecken? Zn eine
Aktenmappe? Das wirkt unvornehm
und riecht nach Provisionsreisenden."

Mein Freund Karl kam mir zu
Lilfe. Er klärte den Baron lachend
auf, daß ich keine Ahnung habe, was
eine ,Lacke" sei.

Der Baron war förmlich erstaunt.

„Sie wiffen nicht, was eine ,Lacke"
ist? Nun, ich will es Ihnen erklären.

Lacke nennt man einen doppelseitig be-
druckten Papierbogen; die eine Seite,
und zwar die wichtigere, ist liniiert
und in zwei Rubriken geteilt: in die
eine wird die gespendete Summe, in
die andere der Name des Gebers ein-
getragen. Was auf der engbedruckten
anderen Seite steht, interessiert Sie
weniger. Jedenfalls fängt es stets

folgendermaßen an: ,Auftuf an alle na-
tional gesinnten Bürger!" oder ,Aufruf
an die human denkende Menschheit!" und
endet mit einer Bitte zu einer Geldspende.
Diesem Aufruf folgt ein Verzeichnis des
Ehrenkomitees. Da finden sich, mit kleinen
Abweichungen, stets dieselben gucklingenden
Namen. Bekannte Politiker und Staats-
männer; Aristokraten, Träger historischer
Namen und Generäle a. D., Gelehrte
und Finanzmagnaten: Leute, die ähnliche
zweifelhafte Ehrenmitgliedschaften still-
schweigend über sich ergehen lasten, aus
dem einfachen Grunde, weil es sie nichts
kostet und weil man sie darum gebeten hat
und weil sie vielleicht irgendeinem Be-
kannten dadurch eine Gefälligkeit erweisen.

Mit dieser,Lacke" ausgerüstet, suchen
Sie einen Bankier, einen Großgrundbesitzer oder einen reichen
Mostrichfabrikanten auf und ersuchen ihn, sein Scherflein für
den gemeinnützigen Zweck beizutragen."

„And wird er es tun?" erkundigte ich mich etwas schüchtern-

„Selbstverständlich wird er es," sagte der Baron und machte
eine wegwerfende Bewegung, „Sie müssen nur wissen richtig
aufzutreten."

Ich bat den Baron, mich über dieses „richtige Auftreten"
näher aufzuklären. Er sann einige Sekunden nach, dann er-
widerte er: „Sie können mich mal begleiten, wenn ich ,hacken"
gehe. And gab mir für den nächsten Tag ein Rendezvous.

Ich mußte lange warten. Endlich gegen Mittag erschien
der Lackerbaron, und nachdem er ein ebenso kurzes wie ge-
heimnisvolles Gespräch in der Telephonzelle ausgeführt hatte,
gingen wir los.

Als wir das Wartezimmer des reichen Zahnbürsten-Fa-
brikanten betraten, schreckte ich entsetzt zurück, denn es warteten
hier schon mindestens drei Dutzend Lerren mit Aktenmappen
und Musterkoffern in allen Größen.

Doch kaum war der Diener mit der Karte des Barons
hinter der gepolsterten Tür verschwunden, da erschien schon
im Rahmen dieser ein kleiner, runder
Mann und wir schritten, begleitet
von den neidisch-verwundertenBlicken
der Lerren Vertteter, in das Leiligtum
des Zahn- und Scheuerbürsten-Fa°
brikanten Protzke.

„Lieber Lerr," leitete der Baron
seine Diktion mit feudal näselnder
Stimme ein, „wie man Ihnen fern-
mündlich schon mitgeteilt hat, komme
ich im Auftrag Sr. Loheit des
Prinzen.Friedrich Max, um Sie auf-
zufordern, dem Orden der.Violetten
Ritter" beizutteten ..."

Der rundliche Zahnbürsten - Fa-
brikant war über so viel Ehre förmlich
entzückt. Seine Begeisterung sank

(Schluß stehe Seite 6)

Polster. Zeichnungen von Lothar Reiz.

Lallo, hier Sekretariat Sr. Loheit des
Prinzen Friedrich Max!"

„Ich komme im Auftrag Sr. Loheit des Prinzen
Friedrich Max . .

3
 
Annotationen